Ich bin dann mal weg! Kann der Grund­ver­sorger das Handtuch werfen?

Strom­pr­eishoch – Erster Grund­ver­sorger gibt auf“ titelt aktuell die ZfK. Aber geht das denn so einfach?

Das deutsche Energie­recht ist so konzi­piert, dass eigentlich jedem zahlenden Haushalts­kunden zumindest ein Energie­ver­sorger zur Verfügung steht – der sogenannte Grund­ver­sorger gem. § 36 EnWG. Grund­ver­sorger ist dabei derjenige Versorger, der im jewei­ligen Netzgebiet die meisten Kunden versorgt. Alle 3 Jahre wird dies vom örtlichen Netzbe­treiber neu ermittelt. Der Grund­ver­sorger ist dann verpflichtet, einen oder mehrere allge­meine Tarife der Grund­ver­sorgung anzubieten und soweit zumutbar jedermann zu diesem Tarif zu versorgen, der das wünscht und bezahlen kann.

Soweit so gut, aber kann der Grund­ver­sorger diese Position eigentlich abgeben, aufgeben oder sonstwie freiwillig loswerden?

Das EnWG selbst kennt nur den Verlust des Grund­ver­sor­ger­status durch Feststellung des Netzbe­treibers im Rahmen der alle 3 Jahre zum Stichtag 01. Juli statt­fin­denden Prüfung (§ 36 Abs. 2 EnWG). Eine freiwillige oder rechts­ge­schäft­liche Abgabe dieser Aufgabe ist dagegen nicht vorgesehen.

Insolvenz oder gar recht­liche Liqui­dation des Grund­ver­sorgers als solchen, würde gleichwohl zum Wegfall der Aufga­ben­er­füllung aufgrund von wirtschaft­licher Unzumut­barkeit oder Unmög­lichkeit führen. Gleiches dürfte gelten für den Fall der vollstän­digen Einstellung der Geschäfts­tä­tigkeit, also jeder Lieferung von Energie. So geschehen dann auch in dem von der ZfK geschil­derten Fall. Unterhalb dieser doch eher drasti­schen Schritte ist dagegen kein recht­licher Ausweg erkennbar.

Eine einver­nehm­liche rechts­ge­schäft­liche Übertragung der Aufgabe des Grund­ver­sorgers auf einen geeig­neten und willigen anderen Versorger (vergleichbar der Übertragung der Aufgabe des Grund­zu­stän­digen Messstel­len­be­treibers) oder die Zusam­men­legung von Versor­gungs­ge­bieten ist im EnWG bisher jeden­falls nicht angelegt.

(Christian Dümke)

2021-10-21T21:00:11+02:0021. Oktober 2021|Gas, Grundkurs Energie, Strom|

Klei: Abfall oder Rohstoff?

Klima­schutz hin oder her, schon jetzt ist sicher, dass die Deiche erhöht werden müssen. Dies geben die General­pläne Küsten­schutz vor, der jeweils in den betrof­fenen Bundes­ländern erstellt, bzw. bei gemein­samen Küsten­ver­läufen von ihnen ausge­handelt wurden. Allein in Bremen und Nieder­sachsen besteht an den Schutz­deichen aktuell ein Inves­ti­ti­ons­bedarf in Höhe von 625 Millionen Euro. Aber mit Geld allein lassen sich die Deiche nicht erhöhen. Es muss in den nächsten Jahren auch ausrei­chend Material zum Bau von Deichen zur Verfügung stehen.

Deich mit Leuchtturm

Dabei besteht der Kern der Deiche vor allem aus Sand, die Deckschicht wird aus Klei gebaut, einem Bodentyp der aus sedimen­tiertem Schlick entstanden ist. Klei besteht aus einer Mischung aus Ton- und Schluff­par­tikeln, die etwas feiner als Sand und gröber als reiner Ton sind. Kleiböden finden sich außen­deichs in den Salzwiesen, ansonsten in der Marsch und entlang der großen Flüsse. Da Kleiboden auch für die Landwirt­schaft gut geeignet ist, werden die Kleivorräte für den Deichbau knapp. Idealer­weise wird daher Klei aus Baumaß­nahmen genutzt, etwa wo ein Hafen gebaut oder eine Autobahn­trasse vorbe­reitet wird.

Hier gibt es jedoch ein recht­liches Problem: Und zwar kann Boden­aushub als Abfall einge­stuft werden mit der für Baupro­jekte eher unange­nehmen Folge, dass seine Lagerung zugleich als Deponierung gilt. Daraus folgen Anfor­de­rungen die Zwischen­la­gerung und Beprobung des Kleibodens, die im Rahmen des Deichbaus kaum zu leisten sind. Nun ist es aber so, dass der Boden, nie wirklich zu Abfall geworden ist. Denn bei gutem Kleiboden ist es nach einer Ausschachtung von Anfang an klar, dass er für den Deichbau gebraucht wird. Anders als in § 3 Abs. 1 – 4 Kreis­lauf­wirt­schafts­gesetz (KrWG) definiert, hat sich des Bodens weder irgendwer „entledigt“, noch wollte oder musste sich jemand dessen entledigen.

Vielmehr wird der Kleiboden unmit­telbar nach Aushub einem neuen Verwen­dungs­zweck zugeführt, nämlich dem Deichbau. Ob er dann für eine gewisse Zeit noch zwischen­ge­lagert werden muss, was meist der Fall ist, darauf kann es nicht ankommen. Denn die Zweck­be­stimmung reicht aus, damit er nicht als Abfall behandelt werden muss. Insofern eine gute Nachricht für Deich­ver­bände oder Kommunen, die zur Unter­haltung und Verstärkung der Deiche verpflichtet sind (Olaf Dilling).

2021-10-20T23:40:26+02:0020. Oktober 2021|Umwelt|

Das Sondie­rungs­papier der Ampel: Energie

Es scheint schneller zu gehen, als vielfach befürchtet: Das Sondie­rungs­papier von SPD, Grünen und FDP liegt auf dem Tisch. Schauen wir uns also an, was die wahrscheinlich nächste Regierung im Bereich Energie mit uns vorhat:

Ziel: 1,5% C

Erster Eindruck: Bei der Energie­wende haben sich die Grünen weitgehend, aber nicht voll durch­ge­setzt. Das 1,5° C‑Ziel wird prominent verankert, aber gleich­zeitig auch begrenzt: Deutschland wird nicht mehr mindern, als Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (hier zum Klima­be­schluss) und EU vorgeben. Aber ob sich Deutschland wider­willig zur Kirmes mitschleifen lässt oder selbst mit einem robusten Überprü­fungs­me­cha­nismus treibt und zieht, macht dann doch einen auch in Brüssel mögli­cher­weise spürbaren Unterschied.

Ausbau der Erneuerbaren

Praktisch wird es in den folgenden Absätzen: Die Aufdach-PV wird teilweise verbindlich. Gewer­be­im­mo­bilien müssen, Private sollen verfügbare Dachflächen für PV nutzen. Hier sind wir gespannt auf die Ausge­staltung. PV auf schattige Dächer zu legen, ist Geldver­schwendung, aber die Lasten müssen zwischen denen, die einen Platz an der Sonne haben, und allen anderen fair verteilt werden. Was hoffentlich im Koali­ti­ons­vertrag noch nachge­liefert wird: Die Mieter­strom­re­ge­lungen sind unprak­tisch, viel zu bürokra­tisch (hier und hier haben wir erklärt, was nicht gut läuft). Hier disku­tiert man ergeb­nislos seit Jahren, die neue Regierung sollte schnell Möglich­keiten schaffen, um auch Mieter unkom­pli­ziert mit Solar­strom vom Dach zu versorgen.

Ampel, Signal, Der Verkehr, Straße, Unterzeichnen

Erwar­tungs­gemäß finden wir ein klares Bekenntnis zur Windkraft: 2% der Landes­fläche sollen für WEA ausge­wiesen werden. Kommunen sollen künftig mehr profi­tieren. Wird aus dem § 6 EEG 2021, der freiwillige Zahlungen an Gemeinden erlaubt, wo WEA oder Freiflächen-PV betrieben werden, damit eine verpflich­tende Regelung? Dass Offshore-Wind ausgebaut werden soll, war ebenso zu erwarten.

Kohle­aus­stieg

Der Zeitpunkt des Kohle­aus­stiegs hat angesichts der Budge­tierung der verfüg­baren Emissi­ons­rechte durch den EU-Emissi­ons­handel für den Klima­schutz eher symbo­lische Bedeutung, doch das Ziel eines im Idealfall auf 2030 vorge­zo­genen Kohle­aus­stiegs ist ein wichtiges Signal für die Energie­märkte und Inves­toren. Mindestens ärgerlich: Bekanntlich wurde im Februar diesen Jahres ein öffentlich-recht­licher Vertrag mit den Braun­koh­le­kraft­werks­be­treibern abgeschlossen (hier erläutert), der den Ausstieg aus der Braun­koh­le­ver­stromung bis 2038 gegen Milli­ar­den­zah­lungen fixiert. Allein RWE soll 2,6 Mrd. EUR erhalten, die LEAG 1,75 Mrd. EUR. Dieser Vertrag enthält zwar eine Option, den Kohle­aus­stieg um drei Jahre ohne weitere Entschä­di­gungen vorzu­ziehen, aber ein acht Jahre früherer Ausstieg könnte noch teurer werden.

Neue Gaskraft­werke

Um Versor­gungs­si­cherheit auch in einer durch volatile EE-Anlagen geprägten Struktur zu gewähr­leisten, will die Ampel Gaskraft­werke bauen, die später auf klima­neu­trale Gase umgerüstet werden können. Diese Forderung ist unter Umwelt­ver­bänden unpopulär. Gleich­zeitig ist sie nahezu alter­na­tivlos, wenn Deutschland nicht alles auf die Karte nicht erneu­er­barer Strom­im­porte setzen will. Zudem: Läuft alles gut, werden diese Kraft­werke zunehmend weniger gebraucht und verdienen ihr Geld mit dem Produkt „Versor­gungs­si­cherheit“ in mögli­cher­weise wenigen Stunden im Jahr. Uns fehlt hier ein klares Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung, aber ein Sondie­rungs­papier ist ja noch nicht aller Tage Abend.

Wie erwartet, will die wohl nächste Bundes­re­gierung das EEG-Umlage­system abschaffen. Dies lag seit Jahren in der Luft, die Teilfi­nan­zierung seit Beginn dieses Jahres durch die Einnahmen aus dem CO2-Preis hat zudem einen entschei­denden Vorteil aufge­hoben: Die frühere EEG-Umlage war keine Beihilfe, Berlin durfte allein gestalten. Jetzt sitzt Brüssel ohnehin stets mit am Tisch (hier erläutern wir ausführ­licher). Vorteil: Je nach Gestaltung ist es möglich, Strom je nach Erzeu­gungs­tech­no­logie unter­schiedlich zur Finan­zierung heran­zu­ziehen und auch die Unter­nehmen zu betei­ligen, die nicht der Industrie, sondern dem Dienst­leis­tungs­sektor angehören.

Strom­markt

Nur mit einem einzigen Satz ist erwähnt, dass im Zuge des Ausbaus der Erneu­er­baren ein neues Strom­markt­design einge­führt werden soll. Hier kann man nur abwarten, wie sich die künftigen Koali­tionäre dieses vorstellen.

Was ist davon zu halten?

Es gehört zu den unschönen Tendenzen der letzten Jahre, den, der nicht grund­sätzlich unzufrieden ist, als dummes Schlaf­schaf zu betrachten. In diesem Sinne: Von uns ein herzhaftes „mäh!“: Wir sind nicht unzufrieden. Dass die Erneu­er­baren ausgebaut werden, die EEG-Umlage anderen Vertei­lungs­me­cha­nismen weichen soll, dass Gas die Versorgung sichern soll, erscheint uns sinnvoll und realis­tisch. Den vorzei­tigen Kohle­aus­stieg nicht allzu hoch zu hängen, finden wir ebenfalls klug. Mit einiger Wahrschein­lichkeit wird dies schon der steigende CO2-Preis regeln. In diesem Fall muss man den Braun­koh­le­mühlen im Rheinland und in der Lausitz nicht noch mehr Steuer­zah­l­ergeld nachwerfen als im Vertrag mit den Betreibern schon geschehen.

Was uns noch fehlt, sind konkrete Ideen zur Kraft-Wärme-Kopplung, zum Ausbau von Nullemis­si­ons­wär­me­netzen, wir fragen uns auch, wie eine Beschleu­nigung von Geneh­mi­gungs­ver­fahren für Erneu­erbare angesichts der gemein­schafts­recht­lichen Bindungen aussehen soll. Wir sind insofern gespannt auf den Koali­ti­ons­vertrag, wohl wissend, dass auch die Regierung Merkel am Ende ganz anders abgeliefert als geplant hat (Miriam Vollmer).

2021-10-19T11:34:29+02:0019. Oktober 2021|Allgemein, Energiepolitik|