Das Sondierungspapier der Ampel: Energie
Es scheint schneller zu gehen, als vielfach befürchtet: Das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP liegt auf dem Tisch. Schauen wir uns also an, was die wahrscheinlich nächste Regierung im Bereich Energie mit uns vorhat:
Ziel: 1,5% C
Erster Eindruck: Bei der Energiewende haben sich die Grünen weitgehend, aber nicht voll durchgesetzt. Das 1,5° C‑Ziel wird prominent verankert, aber gleichzeitig auch begrenzt: Deutschland wird nicht mehr mindern, als Bundesverfassungsgericht (hier zum Klimabeschluss) und EU vorgeben. Aber ob sich Deutschland widerwillig zur Kirmes mitschleifen lässt oder selbst mit einem robusten Überprüfungsmechanismus treibt und zieht, macht dann doch einen auch in Brüssel möglicherweise spürbaren Unterschied.
Ausbau der Erneuerbaren
Praktisch wird es in den folgenden Absätzen: Die Aufdach-PV wird teilweise verbindlich. Gewerbeimmobilien müssen, Private sollen verfügbare Dachflächen für PV nutzen. Hier sind wir gespannt auf die Ausgestaltung. PV auf schattige Dächer zu legen, ist Geldverschwendung, aber die Lasten müssen zwischen denen, die einen Platz an der Sonne haben, und allen anderen fair verteilt werden. Was hoffentlich im Koalitionsvertrag noch nachgeliefert wird: Die Mieterstromregelungen sind unpraktisch, viel zu bürokratisch (hier und hier haben wir erklärt, was nicht gut läuft). Hier diskutiert man ergebnislos seit Jahren, die neue Regierung sollte schnell Möglichkeiten schaffen, um auch Mieter unkompliziert mit Solarstrom vom Dach zu versorgen.
Erwartungsgemäß finden wir ein klares Bekenntnis zur Windkraft: 2% der Landesfläche sollen für WEA ausgewiesen werden. Kommunen sollen künftig mehr profitieren. Wird aus dem § 6 EEG 2021, der freiwillige Zahlungen an Gemeinden erlaubt, wo WEA oder Freiflächen-PV betrieben werden, damit eine verpflichtende Regelung? Dass Offshore-Wind ausgebaut werden soll, war ebenso zu erwarten.
Kohleausstieg
Der Zeitpunkt des Kohleausstiegs hat angesichts der Budgetierung der verfügbaren Emissionsrechte durch den EU-Emissionshandel für den Klimaschutz eher symbolische Bedeutung, doch das Ziel eines im Idealfall auf 2030 vorgezogenen Kohleausstiegs ist ein wichtiges Signal für die Energiemärkte und Investoren. Mindestens ärgerlich: Bekanntlich wurde im Februar diesen Jahres ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit den Braunkohlekraftwerksbetreibern abgeschlossen (hier erläutert), der den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2038 gegen Milliardenzahlungen fixiert. Allein RWE soll 2,6 Mrd. EUR erhalten, die LEAG 1,75 Mrd. EUR. Dieser Vertrag enthält zwar eine Option, den Kohleausstieg um drei Jahre ohne weitere Entschädigungen vorzuziehen, aber ein acht Jahre früherer Ausstieg könnte noch teurer werden.
Neue Gaskraftwerke
Um Versorgungssicherheit auch in einer durch volatile EE-Anlagen geprägten Struktur zu gewährleisten, will die Ampel Gaskraftwerke bauen, die später auf klimaneutrale Gase umgerüstet werden können. Diese Forderung ist unter Umweltverbänden unpopulär. Gleichzeitig ist sie nahezu alternativlos, wenn Deutschland nicht alles auf die Karte nicht erneuerbarer Stromimporte setzen will. Zudem: Läuft alles gut, werden diese Kraftwerke zunehmend weniger gebraucht und verdienen ihr Geld mit dem Produkt „Versorgungssicherheit“ in möglicherweise wenigen Stunden im Jahr. Uns fehlt hier ein klares Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung, aber ein Sondierungspapier ist ja noch nicht aller Tage Abend.
Wie erwartet, will die wohl nächste Bundesregierung das EEG-Umlagesystem abschaffen. Dies lag seit Jahren in der Luft, die Teilfinanzierung seit Beginn dieses Jahres durch die Einnahmen aus dem CO2-Preis hat zudem einen entscheidenden Vorteil aufgehoben: Die frühere EEG-Umlage war keine Beihilfe, Berlin durfte allein gestalten. Jetzt sitzt Brüssel ohnehin stets mit am Tisch (hier erläutern wir ausführlicher). Vorteil: Je nach Gestaltung ist es möglich, Strom je nach Erzeugungstechnologie unterschiedlich zur Finanzierung heranzuziehen und auch die Unternehmen zu beteiligen, die nicht der Industrie, sondern dem Dienstleistungssektor angehören.
Strommarkt
Nur mit einem einzigen Satz ist erwähnt, dass im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren ein neues Strommarktdesign eingeführt werden soll. Hier kann man nur abwarten, wie sich die künftigen Koalitionäre dieses vorstellen.
Was ist davon zu halten?
Es gehört zu den unschönen Tendenzen der letzten Jahre, den, der nicht grundsätzlich unzufrieden ist, als dummes Schlafschaf zu betrachten. In diesem Sinne: Von uns ein herzhaftes „mäh!“: Wir sind nicht unzufrieden. Dass die Erneuerbaren ausgebaut werden, die EEG-Umlage anderen Verteilungsmechanismen weichen soll, dass Gas die Versorgung sichern soll, erscheint uns sinnvoll und realistisch. Den vorzeitigen Kohleausstieg nicht allzu hoch zu hängen, finden wir ebenfalls klug. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird dies schon der steigende CO2-Preis regeln. In diesem Fall muss man den Braunkohlemühlen im Rheinland und in der Lausitz nicht noch mehr Steuerzahlergeld nachwerfen als im Vertrag mit den Betreibern schon geschehen.
Was uns noch fehlt, sind konkrete Ideen zur Kraft-Wärme-Kopplung, zum Ausbau von Nullemissionswärmenetzen, wir fragen uns auch, wie eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Erneuerbare angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Bindungen aussehen soll. Wir sind insofern gespannt auf den Koalitionsvertrag, wohl wissend, dass auch die Regierung Merkel am Ende ganz anders abgeliefert als geplant hat (Miriam Vollmer).