Die Berliner Baumscheibenpark-Fälle

Was mich bei meiner Entscheidung Jura zu studieren, bestärkt hat, war die Überlegung, dass sich Gerichte und Juristen mit allen möglichen relevanten und weniger relevanten Aspekten des Lebens beschäf­tigen. Irgendwie fand ich damals die Idee schön, was von der Welt kennen­zu­lernen, aber halt eher so durch Gerichts­akten gefiltert.

Das betraf oft Fragen, die so richtig aus dem Leben gegriffen sind. Anders als z.B. im schuli­schen Geschichts­un­ter­richt, wo immer nur die heroi­schen oder „bedeu­tenden“ Aspekte des Lebens beleuchtet wurden. Denn dort ging es um große Schlachten von Feldherren oder bahnbre­chende Verfas­sungen von Staats­männern. Dagegen ging es im Jurastudium (und zum Teil übrigens auch in der Rechts­ge­schichte) um die Niede­rungen des Alltags­lebens. Das juris­tische Heldentum ist daher etwas diverser und egali­tärer als das der Kriege und Verfas­sungs­kon­flikte. So wie nach Beuys jeder ein Künstler sein kann, können alle Menschen durch eine innovative Klage Rechts­ge­schichte machen. Die Konflikte entzünden sich dabei aber mitunter an Trivalia. Ein Kommi­litone brachte das mal auf die prägnante Formel: „Zivil­recht, das ist doch immer so: ‚Idiot kauft Waschmaschine‘ “.

Es ist jetzt aber nicht so, dass es im Öffent­lichen Recht nur um die erhabenen Aspekte des Lebens geht. Vor Verwal­tungs- und Verfas­sungs­ge­richten wird schließlich auch nicht bloß um die Demons­tra­ti­ons­freiheit oder um Kommu­nal­ver­fas­sungs­strei­tig­keiten gefochten.

Sondern es geht zum Beispiel auch darum, wo man legaler­weise sein Kraft­fahrzeug abstellen kann. Das geht dann manchmal bis zu den höchsten Gerichten. So etwa bei den Fällen zum sogenannten Later­nen­parken, die aller­dings prägend waren für das Stadtbild in Deutschland. Es ging darin um die Frage, ob Kraft­fahr­zeuge nur für kurze Zeit oder auch dauerhaft, also über ein Wochenende oder länger, im öffent­lichen Raum abgestellt werden dürfen.

Die kleinen „Geschwister“ dieser Fälle, sind die sogenannten Baumschei­ben­parken-Fälle. Sie wurden seit den 1980er Jahren vor allem vom Kammer­ge­richt Berlin entschieden. Sie betreffen eine noch spezi­ellere Frage. Genau genommen geht es um eine Ausnahme von der Ausnahme: Das Parken am Fahrbahnrand ist dann nicht zulässig, wenn eigens ein Parkstreifen einge­richtet ist. Denn in § 12 Abs. 4 StVO heißt es: „Zum Parken ist der rechte Seiten­streifen, dazu gehören auch entlang der Fahrbahn angelegte Parkstreifen, zu benutzen, wenn er dazu ausrei­chend befestigt ist, sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heran­zu­fahren.“ Aus diesem „sonst…“ lässt sich logisch ableiten, dass bei Vorhan­densein eines Parkstreifens keine Parken am Fahrbahnrand zulässig ist. Anderen­falls würden die Parkplätze auch durch die – dann in zweiter Reihe parkenden Fahrzeuge – auch blockiert. Zusätzlich gibt es in § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO die Regelung, dass das Parken unzulässig ist, „wenn es die Benutzung gekenn­zeich­neter Parkflächen verhindert“.

In zweiter Reihe zu parken ist daher verboten. Wenn ein Parkstreifen aber durch­brochen ist, stellt sich dennoch die Frage, ob der Fahrbahnrand dann wieder zum Parken benutzt werden kann. Typischer­weise stellt sich diese Frage dort, wo Parkplätze zum Lagern von Bauma­te­rialien genutzt werden oder wo Bäume zwischen die Parkplätze gepflanzt wurden.

Hierzu nimmt nun die Recht­spre­chung des Berliner Kammer­ge­richts Stellung. Im ersten Fall zum Baumschei­ben­parken (KG Berlin, Beschluss vom 05.01.1981 – 3 Ws (B) 353/80) wurde einem Kraft­fahrer zunächst recht gegeben, der vor einer Baumscheibe geparkt hatte. Daher wurde ihm seine Geldbuße von damals 40 DM erlassen. In der Straße, in der er geparkt hatte, war ein Gehweg in einen Parkstreifen verwandelt worden. Lediglich an ca. fünf Meter langen Abschnitten, auf denen Bäume oder Laternen standen, waren keine Parkplätze einge­richtet worden. An so einer Stelle hatte der Kläger mit einem unter vier Meter langen Kfz geparkt. Aus Sicht des Gerichts war dadurch gegen keine Parkvor­schrift verstoßen worden. Eine ähnliche Ausnahme besteht auch, wenn der Parkstreifen für längere Zeit unbenutzbar ist, etwa weil er durch einen Bauzaun abgesperrt ist (vgl. KG VRS 62, 63 – Beschluss vom 17.09.1981 – 3 Ws (B) 177/81). Im Übrigen sollte das Stichwort „Baumschei­ben­parken“ nicht dahin­gehend missver­standen werden, dass auf Baumscheiben, also direkt am Baum, geparkt werden könne. Das ist immer unzulässig und schädigt Straßen­bäume, da es den Boden verdichtet, wenn nicht sogar das Wurzelwerk oder die Baumrinde beschädigt wird.

In einem zweiten Fall zum Baumschei­ben­parken wurde die Möglichkeit, legal vor Baumscheiben zu parken vor ein paar Jahren durch das Kammer­ge­richt einge­schränkt (KG, Be­schluss vom 24.10.2019 – 3 Ws (B) 345/19). In diesem Fall hatte der Fahrzeug­führer zum Teil jedoch auch neben dem Parkstreifen geparkt. Dieser war jedoch ungepflastert und zum Teil mit Bauma­terial zugestellt.

Das Gericht entschied, dass an dieser Stelle ein Parkstreifen bestanden habe. Außerdem sei das Baumschei­ben­parken nur zulässig, wenn niemand dadurch behindert würde. Das wäre das ein Kriterium, das in viele Fällen nicht erfüllt wäre. Denn oft werden die Parkbuchten angelegt, um eine Behin­derung des fließenden Verkehrs zu vermeiden und die Fahrbahn von parkenden Fahrzeugen freizu­halten. Wenn Straßen­ver­kehrs­be­hörden diese Unklarheit vermeiden wollen, sollten sie an entspre­chenden Straßen­ab­schnitten ein Haltverbot aufstellen mit Zusatz­zeichen „Parken in gekenn­zeich­neten Flächen erlaubt“. (Olaf Dilling)

2025-01-14T19:34:49+01:0014. Januar 2025|Allgemein, Rechtsprechung, Verkehr|

Seit 01.01.2025 neue Abfall­codes für die Verbringung von E Schrott

Abfall­ver­bringung ist ein sehr risiko­reicher Rechts­be­reich. Fehler passieren schnell, daher ist es notwendig – wenn man mit diesem Bereich zu tun hat – auch am Ball zu bleiben. Mit dem Jahres­wechsel gibt es nun seit dem 01.01.2025 für die grenz­über­schrei­tende Verbringung von Elektro- und Elektronik-Altge­räten neue Codes.

Für Verbrin­gungen innerhalb der EU bleiben zunächst übergangs­weise (bis zum 31.12.2026) die OECD-Codes GC010 und GC020 anwendbar; ungefähr­liche Elektro- und Elektronik-Altgeräte, die unter diese Codes fallen, dürfen zwischen Mitglied­staaten der EU also bis zum 31.12.2026 weiterhin über die „grüne Liste“ durch­ge­führt werden. Für alle anderen Fälle bedeutet dies jedoch, dass die Verbringung von Elektro- und Elektronik-Altge­räten entweder zu notifi­zieren ist, also Zustimmung des Entsende- und Empfangs­staats vorliegt. Oder sie ist ganz verboten. So unter­liegen Exporte von Elektro- und Elektronik-Altge­räten (gefährlich wie nicht gefährlich) aus der EU in Nicht-OECD-Staaten seit dem 01.01.2025 einem strikten Ausfuhrverbot.

Seit dem 01.01.2025 gilt für Verbrin­gungen zwischen Mitglied­staaten der EU Folgendes:

  • Gefähr­liche Elektro- und Elektro­ni­kal­t­geräte sind unter den neuen Eintrag A1181 einzu­stufen und dürfen – wie schon bisher – nur nach Anwendung des Verfahrens der vorhe­rigen schrift­lichen Notifi­zierung und Zustimmung grenz­über­schreitend verbracht werden.
  • Für die Verbringung von ungefähr­lichen Elektro- und Elektronik-Altge­räten bleibt bis zum 31.12.2026 ändert sich nichts: Sind diese Abfälle unter den OECD-Code GC010 oder GC020 einzu­stufen, dürfen sie unter Anwendung des Verfahrens der allge­meinen Infor­ma­ti­ons­pflichten („Grüne Liste“) grenz­über­schreitend verbracht werden. Ungelistete Abfälle unter­fallen natürlich der Notifizierungspflicht.
  • Zum Stichtag 01.01.2027 sind ungefähr­liche Elektro- und Elektronik-Altgeräte zwingend unter den neuen Abfallcode Y49 der „Gelben Liste“ einzu­stufen. Inner­ge­mein­schaft­liche Verbrin­gungen ungefähr­licher Elektro- und Elektronik-Altgeräte sind ab diesem Zeitpunkt notifizierungspflichtig.

Seit dem 01.01.2025 gilt für die Aus- oder Einfuhr von Elektro- und Elektronik-Altge­räten in bzw. aus OECD-Staaten:

  • Gefähr­liche Elektro- und Elektro­ni­kal­t­geräte sind unter den neuen Eintrag A1181 einzu­stufen und dürfen daher nur nach Anwendung des Verfahrens der vorhe­rigen schrift­lichen Notifi­zierung und Zustimmung ein- bzw. ausge­führt werden.
  • Ungefähr­liche Elektro- und Elektro­ni­kal­t­geräte sind ab dem 01.01.2025 nur noch unter den neuen Abfallcode Y49 einzu­stufen. Die Einfuhr aus bzw. die Ausfuhr in OECD-Staaten unter­liegt somit in Zukunft ebenfalls dem Notifizierungsverfahren.

Seit dem 01.01.2025 gilt für die Aus- oder Einfuhr von Elektro- und Elektronik-Altge­räten in bzw. aus Nicht-OECD-Staaten:

  • Gefähr­liche Elektro- und Elektro­ni­kal­t­geräte sind unter den Abfallcode A1181 einzu­stufen und unter­liegen – wie auch bisher – einem strikten Ausfuhr­verbot (Art. 36 Abs. 1 Buchstabe a) VO (EG) Nr. 1013/2006). Demge­genüber dürfen Abfälle, die unter den Abfallcode A1181 einzu­stufen sind, auch weiterhin nach der Durch­führung eines Notifi­zie­rungs­ver­fahrens in die EU einge­führt werden.
  • Neu ist, dass zukünftig auch ungefähr­liche Elektro- und Elektronik-Altgeräte, die für Verbrin­gungen außerhalb der EU zwingend unter den Abfallcode Y49 einzu­stufen sind, einem strikten Ausfuhr­verbot unter­liegen (Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EG) Nr. 1013/2006). Die Einfuhr dieser Abfälle erfordert wiederum die Durch­führung eines Notifizierungsverfahrens.

(Dirk Buchsteiner)

2025-01-10T17:32:27+01:0010. Januar 2025|Allgemein|

re|Adventskalender Türchen 12: Aus der Praxis des Anlagenbetriebs

Wo gehobelt wird, da fallen Späne, sagt der Volksmund. Ob diese Späne Abfall darstellen oder gegebe­nen­falls ein Neben­produkt sind, ist eine Frage des Rechts und mitunter des Einzel­falls. Im übertra­genen Sinne bedeutet dieser Spruch jedoch auch, dass im Rahmen von Verfahren und Prozessen Dinge passieren können. Diese haben mitunter (auch recht­liche) Konse­quenzen. Hierfür braucht es dann auch mal einen Anwalt, der sich mit Fragen des Anlagen­zu­las­sungs­rechts, des materi­ellen Umwelt­rechts und mit dem Haftungs­recht auskennt. „Die Haftung lauert überall“, ist ein geflü­gelter – und von mir oft verwen­deter – Ausdruck. Doch oftmals stimmt es: Die Probleme, die sich in und mit dem Anlagen­be­trieb ergeben können, sind vielseitig und die Lösungen hierfür stets individuell.

Dies beginnt schon im Vorfeld bei der Frage, „wohin mit einer Anlage?“. Das Planungs­recht spielt hierbei eine entschei­dende Rolle. So kann es passieren, dass für ein geplantes Vorhaben erst die planungs­recht­lichen Rahmen­be­din­gungen (umständlich und zeitin­tensiv) geschaffen werden müssen. Die Rahmen­be­din­gungen können sich auch vermehrt – sogar mal zum Guten! – ändern. Dies sieht man gerade im Bereich der Beratungs­praxis beim Ausbau von Windener­gie­an­lagen und im Themenfeld der Solar­energie. Doch selbst wenn planungs­rechtlich alles passt, heißt dies nicht, dass es dem Umfeld auch passt. Schutz­würdige Inter­essen, Immis­si­onsorte und Nachbarn, die meinen „überall – nur nicht hier“ („not in my backyard“) gilt es abzuar­beiten. So kommt es, dass indivi­duell auf Parti­ku­lar­in­ter­essen einge­gangen werden muss. Dies gestaltet sich mitunter gar nicht so einfach. Öffent­lich­keits­be­tei­ligung verlangt ein hartes Fell und Durchhaltevermögen.

Wichtig ist auch, als prospek­tiver Anlagen­be­treiber selbst zu wissen, wo die Reise hingehen soll. Es sind schon Geneh­mi­gungs­ver­fahren daran gescheitert, dass man der Behörde nicht erklären konnte, was in der Anlage eigentlich passieren soll. Mitunter kann es aber auch sein, dass sie es einfach nicht verstehen will, weil der technische Sachver­stand fehlt. Dann ist es geboten, dezidiert und auf den Punkt rechtlich nachzu­legen. Zwar ist das Ziel das Ziel, doch darf man den Weg dahin nicht unter­schätzen. Hat man dann mal die Geneh­migung in Händen, kann es dann endlich losgehen – doch auch nicht immer (siehe oben: Nachbar). Vielleicht gilt es dann auch noch mal näher zu schauen, wer eigentlich noch Nachbar ist und wer (zum Glück des Anlagen­be­treibers) dann doch weit genug weg wohnt, dass ihn z.B. der LKW-Verkehr zur und von der Anlage von Rechts­wegen nicht mehr betrifft. Apropos LKW: Sozial­vor­schriften im Straßen­verkehr, Lenk- und Ruhezeiten – ich weise aus gegebenem Anlass darauf hin.

Im Anlagen­prozess selbst ist zu bedenken, dass Abwei­chungen und Verän­de­rungen im Anlagen­be­trieb dann auch rechtlich Probleme machen können – insbe­sondere dann, wenn man vergessen haben sollte, die Behörden mitzu­nehmen. Was nun eine Änderung ist und wann diese tatsächlich wesentlich sein sollte, sind Fragen, die rechtlich ergründet werden müssen. Auch Anzeigen können mehr Aufwand machen, als man meinen mag. Manchmal drohen auch die fiesen Fristen des Immis­si­ons­schutz­rechts. Geneh­mi­gungen sind schließlich nichts, was es auf Vorrat gibt, könnte es auch noch so schön sein. Mitunter gilt es daher Fristen zu verlängern, sofern man wichtige Gründe findet. Manchmal kommt es auf die letzten Tage des Jahres an, um ein Erlöschen einer Geneh­migung zu verhindern. Dann trifft man sich noch kurz vor Weihnachten auf der Anlage und schaut (gemeinsam mit der Behörde), ob dann die Anlage tatsächlich läuft. Manchmal gibt es dann auch ein kleines Weihnachts­wunder. Nach anfäng­lichen Kinder­krank­heiten springt die Anlage dann doch an – spät zwar, aber noch recht­zeitig. Wussten Sie, dass die EU etwas gegen einge­baute Obsoles­zenzen tut? Sie kennen es doch? Geräte, die nur zwei Jahre halten, oder? Auch mit Blick auf das bevor­ste­hende Weihnachtsfest heißt es, Augen auf beim Gerätekauf.

Nicht immer lässt es sich verhindern, dass auch andere Dinge schief­laufen. Eine leichte Überla­gerung oder nicht angezeigte Änderung mögen da noch nicht so ins Gewicht fallen. Schlimms­ten­falls droht jedoch Zwang und Still­legung und das Ende eines Anlagen­be­triebs. Hier gilt es mit aller Kraft und allen Regeln der Kunst zu kämpfen. Mitunter droht Ungemach sogar aus unerwar­teter Ecke. Das Umwelt­straf­recht hat durchaus einige Überra­schungen parat. Das reicht vom Abfall­ver­brin­gungs­recht, dem illegalen Anlagen­be­trieb hin zu Themen wie Verstößen gegen die F‑Gas-Verordnung oder der Vorwurf der Sachbe­schä­digung, weil man Bäume gefällt hat, die auf das Anlagen­grund­stück zu fallen drohten. Ein Glück das es Anwälte gibt. In diesem schönsten aller Berufe war auch in diesem Jahr allerhand los. Es gibt es dann doch viel zu tun. Und das sind doch auch mal gute Nachrichten für den Jahres­aus­klang. (Dirk Buchsteiner)