Das GEG als Zwischenziel

65% der Heizwärme sollen erneu­erbar sein oder zumindest unver­meidbare Abwärme, verlangt das neue Gebäu­de­en­er­gie­gesetz (GEG). Zwar gilt das für den Bestand erst in einigen Jahren 2026 bzw. 2028, wenn man aus der kommu­nalen Wärme­planung vor Ort weiß, wie es weitergeht. Nur im Neubau auf der grünen Wiese soll diese Vorgabe bereits seit dem 01.01.2024 umgesetzt werden. Im öffent­lichen Bewusstsein ist mit diesen Vorgaben aber nun wirklich das Ende der Fahnen­stange erreicht.

Schaut man aller­dings ins Klima­schutz­gesetz (KSG), so gelangt man schnell zur Erkenntnis, dass die 65% nur einen Zwischen­schritt darstellen können. Denn natürlich ist es nicht möglich, 2045 eine ausge­gli­chene Treib­hausgas-Bilanz aufzu­weisen, und weiter 35% fossile Brenn­stoffe zu verfeuern. Aus den 65% müssen also in abseh­barer Zeit 100% werden. Wie schnell das gehen muss, zeigt ein Blick in die Gebäu­de­richt­linie EPBD. In diesem jüngst vom Europäi­schen Parlament angenom­menen Regelwerk heißt es sehr eindeutig, dass neue Gebäude schon 2030 Nullemis­si­ons­ge­bäude darstellen sollen. Es gibt Ausnahmen. Aber im Grunde ist klar: Die 65% im GEG sind kein Zustand, auf den man sich dauerhaft einstellen oder in dem man sich einrichten kann, sie sind – nur, aber auch immerhin – ein Zwischen­schritt auf dem Weg zur Treib­haus­gas­neu­tra­lität. Entspre­chend wird das GEG schon in den nächsten Jahren neu gefasst werden müssen, und zwar nicht nur wegen des deutschen Minde­rungs­pfades, sondern auch wegen der Anfor­de­rungen der Gebäu­de­richt­linie (Miriam Vollmer).

2024-04-12T23:52:22+02:0012. April 2024|Allgemein|

Menschen­recht auf Klimaschutz

Der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte (EGMR) in Straßburg, nicht zu verwechseln mit dem Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, hat gesprochen: Drei Fälle waren zu entscheiden, in denen Kläger geltend gemacht hatten, durch Klima­wandel in ihren Menschen­rechten verletzt zu sein:

Zwar hat der EGMR nur der Klage des Vereins Klima­Se­nio­rinnen Schweiz statt­ge­geben. Dies ist in der Rechts­ent­wicklung dennoch ein bedeu­tender Schritt. Denn  dadurch wird bestätigt, dass es eine Art Menschen­recht auf Klima­schutz gibt. An sich steht das so nicht wörtlich in der Europäi­schen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK), an dessen Maßstäben der Gerichtshof alle Klagen beurteilt. Der EGMR hat seine Entscheidung daher auf Art. 8 EMRK, das Recht auf Achtung des Privat- und Famili­en­lebens, und Art. 6, Recht auf ein faires Verfahren, gestützt. Der EGMR hat festge­stellt, dass Art. 8 auch ein Recht auf wirksamen Schutz durch den Staat vor erheb­lichen negativen Auswir­kungen des Klima­wandels auf Leben, Gesundheit und Lebens­qua­lität umfasst. Dieses Recht hätte die Schweiz verletzt, indem sie weder die Grenzen des Ausstoßes von Treib­haus­gasen quanti­fi­ziert hätte, noch sich an die bishe­rigen Reduk­ti­ons­ziele gehalten.

Der EGMR macht in seiner Entscheidung auch klar, dass die indivi­duelle Betrof­fenheit der vier Kläge­rinnen, die auch als natür­liche Personen auftraten, nicht hinrei­chend vorge­tragen worden sei. Aller­dings hätten sie als Verein ein Recht auf ein faires Verfahren im Namen von Individuen, für die der Klima­wandel aus gesund­heit­lichen Gründen eine besondere Bedrohung darstellt. Dieses Recht sei von den zustän­digen Schweizer Gerichten nicht ausrei­chend berück­sichtigt worden, ohne dass dies in den entspre­chenden Entschei­dungen hinrei­chend begründet worden sei.

Die beiden anderen Fälle wurden vom EGMR aus überwiegend formalen Gründen abgelehnt. So war der ehemalige Bürger­meister der franzö­si­schen Gemeinde Grande-Synthe inzwi­schen dort gar nicht mehr wohnhaft, so dass er durch die zu erwar­tenden Hochwasser nicht betroffen wäre. Bei den portu­gie­si­schen Kindern und Jugend­lichen wurde vom EGMR moniert, dass sie die inner­staat­lichen Rechts­mittel nicht ausge­schöpft hatten, bevor sie sich an den EGMR gewandt haben. Dies wider­spricht dem Grundsatz der Subsi­dia­rität: Zunächst müssen Rechte im fachge­richt­lichen Instan­zenzug einge­fordert werden, bevor Verfas­sungs­ge­richte oder der EGMR zuständig sein kann.

Außerdem hatten sich die Kläger in dem Fall gegen eine Vielzahl von Staaten gewandt. Hier zeigt sich ein grund­sätz­li­cheres Problem der extra­ter­ri­to­rialen Wirkung von (mangelndem) Klima­schutz. Nach Aufassung des EGMR ist er nicht für die Prüfung dieser extra­ter­ri­to­rialen Effekte zuständig. Das heißt, dass Menschen­rechts­ver­let­zungen, die auf der Verant­wortung von Dritt­staaten beruhen, unter der EMRK nicht justi­ziabel sind. Das lässt sich anhand der bishe­rigen Recht­spre­chung zur extra­ter­ri­to­rialen Geltung von Menschen­rechten in bewaff­neten Konflikten nachvoll­ziehen. Für die Univer­sa­lität der Menschen­rechte ist das dennoch eine etwas ernüch­ternde Nachricht. (Olaf Dilling)

 

 

2024-04-10T18:21:18+02:0010. April 2024|Allgemein, Rechtsprechung, Umwelt|

Neues Abfall­ver­brin­gungs­recht der EU

Die Überar­beitung der Abfall­ver­brin­gungs­ver­ordnung ist abgeschlossen. Am 25.03.2024 wurde die Novelle im Rat verab­schiedet. Die angestrebten Ziele liegen hoch: Alles soll nun mit den aktua­li­sierten Vorschriften effizi­enter werden heißt es in der Presse­mit­teilung. Zudem soll dafür gesorgt werden, dass weniger proble­ma­tische Abfälle in Länder außerhalb der EU gelangen, illegale Verbrin­gungen bekämpft werden und die Durch­setzung insgesamt verbessert wird. Gleich­zeitig wurden die Verfahren mit Blick auf die Ziele der Kreis­lauf­wirt­schaft und der Klima­neu­tra­lität und die Übermittlung von Infor­ma­tionen auf elektro­ni­schem Weg aktualisiert.

Im Kern geht es in den Vorschriften zunächst um ein „Verbrin­gungs­verbot“ für Abfälle, die innerhalb der EU entsorgt werden sollen. Dieses Verbot gilt jedoch nicht absolut. Im Ausnah­mefall kann eine solche Verbringung durch vorherige Notifi­zierung und Zustimmung („PIC-Verfahren“) genehmigt werden.

Wenig Neues gibt es laut der Presse­mit­teilung hinsichtlich der Verbringung von „grün gelis­teten Abfällen“ innerhalb der EU, die zur Verwertung bestimmt sind; für sie gelten die weniger strikten Verfahren, die in den allge­meinen Infor­ma­ti­ons­pflichten festgelegt sind.

Verboten ist es jedoch weiterhin, zur Entsorgung bestimmte Abfälle in Dritt­staaten und zur Verwertung bestimmte gefähr­liche Abfälle in Nicht-OECD-Länder auszu­führen. Neu ist ein Verbot der Ausfuhr nicht gefähr­licher Kunst­stoff­ab­fälle in Nicht-OECD-Staaten. Letztere können nach einem bestimmten Zeitrahmen ihre Bereit­schaft erklären, Kunst­stoff­ab­fälle aus der EU einzu­führen, wenn sie strenge Abfall­be­wirt­schaf­tungs­stan­dards erfüllen. Ihr Antrag muss von der Kommission positiv bewertet werden, bevor das Verbot aufge­hoben werden kann. Nicht gefähr­liche Kunst­stoff­ab­fälle können im Rahmen des „PIC-Verfahrens“ in OECD-Länder ausge­führt werden, unter­liegen jedoch einer beson­deren Kontrolle durch die Kommission.

Die Veröf­fent­li­chung der novel­lierten Verordnung im Amtsblatt steht noch aus. Ein bisschen Zeit haben wir wohl noch, denn anwendbar wird die Neure­gelung erst nach Ablauf von zwei Jahren. Erleich­te­rungen für die Praxis bei der Abfall­ver­bringung sind durch die Novelle indes nicht zu erwarten. So heißt es von EU-Ebene ohnehin, dass etwa ein Drittel aller Verbrin­gungen illegal seien. Kompli­zierte, zeitrau­bende Verfahren und auch ein gewisser Unwille bei den Behörden, eine notifi­zie­rungs­pflichtige Verbringung überhaupt zu geneh­migen (man denke an „Boden“, der weder „grün“ noch „gelb“ gelistet und damit zu notifi­zieren ist), machen ist mitunter auch nicht einfacher. Das Abfall­ver­brin­gungs­recht bleibt also weiterhin hochgradig OWi-relevant und auch straf­rechtlich spannend. (Dirk Buchsteiner)

2024-04-04T23:28:47+02:004. April 2024|Allgemein|