Mit Quartiers­ma­nagement zum besseren Stadtbild

In der Politik ist es ein bisschen wie auch sonst im Leben. Es gibt Menschen, die lange an vielen kleinen Baustellen arbeiten, deren Sinn sich nicht immer gleich allen erschließt, die sich aber irgendwann zu echten Verbes­se­rungen zusam­men­setzen. Es gibt auch den gegen­sätz­lichen Typus: Leute, die eher plaktive und vermeintlich einfache Lösungen propa­gieren, es sich dann aber bei der Umsetzung zeigt, dass die Welt kompli­zierter ist als gedacht.

Ende letzter Woche war ich beim 3rd European Forum on City Centers. Erfreu­li­cher­weise waren dort aus ganz Europa viele Menschen des ersteren Typus angereist, z.B.  Bürger­meis­te­rinnen, Stadträte, Quartiers­ma­nager, Logistik- und Mobili­täts­experten sowie Mitglieder von Initia­tiven der lokalen Wirtschafts­för­derung. Was dort nicht anzutreffen war, waren Menschen, die entweder die Probleme, die es eigentlich in ganz Europa im Stadtbild gibt, gänzlich geleugnet haben, noch solche, die sie einseitig auf eine einzige Dimension, etwa Migration, zugeschrieben haben.

Die Diagnose, die gezeichnet wurde, war vielmehr multi­fak­to­riell. Die Lösungen waren pragma­tisch und setzten auf unter­schied­lichen Ebenen an. Als besondere Heraus­for­de­rungen für die Innen­städte wurden genannt:

  • Ablösung des lokalen Einzel­handels durch Versand­handel und Einkauf­zentren
  • Soziale und wirtschaft­liche Dynamiken wie Gentri­fi­zierung, Tourismus oder Ghettoisierung
  • Zuneh­mender Logis­tik­verkehr und neue Mobilitätsformen
  • Erfor­der­nisse der klima­ge­rechten Stadt

Die zahlreichen Projekte die präsen­tiert wurden, beinhal­teten Logis­tik­zentren für die „letzte Meile“, Förderung des Fußver­kehrs durch Fußgän­ger­zonen oder andere Infra­struktur, klima­ge­rechte Umgestaltung des Stadt­zen­trums z.B. in Freising durch Freilegen eines Wasser­laufs, Stärkung des lokalen Einzel­handels oder Initia­tiven zur Verbindung von e‑commerce mit Geschäften vor Ort.

Foto vom offengelegten Fluss in der Stadt Freising mit Sitzbänken und Steinen im Wasser, darum Häuser mit Geschäften.

Vuxi, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Am Freitag war ich auf zwei Exkur­sionen zu einem Zentrum für Lastenrad-Logistik in Paris im 15. Arron­dis­sement und in dem hübschen Vorort Sceaux, wo eine Fußgän­gerzone einge­richtet wurde und der Einzel­handel durch verschiedene Inter­ven­tionen gestärkt worden war.

Es war sowohl aufschluss­reich als auch ermutigend zu sehen, dass Europa sich auf kommu­naler Ebene weder in einem Teufels­kreis aus Verzagtheit und Populismus versinkt, noch sich pseudoh­ar­mo­ni­schen Illusionen hingibt. Vielmehr gibt es überall auf dem Kontinent Menschen, die die Heraus­for­de­rungen sehen und anpacken. Ganz ohne große Polemik, Panik­mache und Hass. Man würde sich aktuell auch in Deutschland mehr davon wünschen. Der recht­liche Handwerks­kasten, die Instru­mente des Planungs­rechts, des Straßen­rechts und Wirtschafts­för­derung liegen bereit – und das Beispiel Freising zeigt, dass es mit etwas Durch­hal­te­ver­mögen auch politisch möglich ist, anspruchs­volle Projekte durch­zu­setzen. (Olaf Dilling)

 

2025-11-11T13:52:34+01:0011. November 2025|Allgemein, Kommentar, Kommunalrecht, Städtebaurecht, Verkehr|

Windparks ohne EEG Förderung?

Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneu­er­baren Energien stehen immer wieder mal in der Kritik, weil deren Strom­erzeugung, soweit sie nicht dem Eigen­ver­brauch dient, über das Instrument der Einspei­se­ver­gütung oder der Markt­prämie staatlich subven­tio­niert werde. Dabei gibt es auch Anlagen von relevanter Größe die inzwi­schen ohne solche Förderung auskommen.

Es gibt in Deutschland tatsächlich Windparks, die ohne zusätz­liche gesetz­liche Förderung (also etwa ohne eine garan­tierte Einspei­se­ver­gütung nach dem Erneuerbare‑Energien‑Gesetz – EEG) errichtet worden sind oder so geplant werden.

Der Windpark He Dreiht als derzeit Deutsch­lands größter Offshore-Windpark nordwestlich der Insel Borkum mit einer Leistung von ca. 900 MW wurde im Rahmen einer Ausschreibung gewonnen mit einem “Null-Bezuschussung”-Gebot: Der Betreiber erklärte, dass keine EEG-Förderung erfor­derlich sei.Auch bei anderen Offshore-Windpro­jekten wurde bzw. wird ein Zuschlag ohne Förder­an­spruch („0 Cent pro kWh“) erteilt. Ein weiteres Projekt, der Offshore-Windpark Windanker in der Ostsee, ist geplant mit einem Zuschlagssatz von 0 Cent/kWh – also auch ohne Förderung.

Diese Fälle betreffen insbe­sondere Offshore-Windparks (also Windener­gie­an­lagen auf See). Onshore-Windparks (an Land) sind oft noch stärker von Förder­me­cha­nismen abhängig oder haben andere Vertragsmodelle.

Ohne Förderung” bedeutet hier: kein Anspruch auf eine staat­liche fixe Einspei­se­ver­gütung oder ein ähnliches Förder­modell. Nicht unbedingt: keine finan­zi­ellen Risiken oder keine Markt­ri­siken. Auch wenn kein Förder­tarif gewährt wird, bleibt oft eine Markt­be­tei­ligung bzw. Vermarktung über Strom­mengen- oder PPA-Verträge (Power Purchase Agree­ments) erfor­derlich, damit sich das Projekt wirtschaftlich trägt. Der Erfolg bzw. die Wirtschaft­lichkeit hängt stark ab von Faktoren wie: Stand­ort­qua­lität (Windauf­kommen, Volllast­stunden), Finan­zie­rungs­kosten, Technik- und Indus­trie­lern­kurven, Netzan­schluss­kosten etc.

Trotz dieser positiven Beispiele ist das derzeit aber noch nicht automa­tisch der Standardfall —Förder­mo­delle spielen weiterhin eine große Rolle im Ausbau der Windenergie.

(Christian Dümke)

2025-11-07T15:48:27+01:007. November 2025|Allgemein|

Wie weiter mit dem ETS II?

Der Europäische Rat – also das Organ der Mitglied­staaten der EU – will den EU ETS II um ein Jahr verschieben (siehe hier). Er soll also erst 2028 starten und nicht 2027. Der Grund ist banal: Manchen EU-Regie­rungen ist der CO2-Preis, der vor allem Erdgas, Heizöl, Diesel‘ und Benzin verteuert, schlicht zu hoch. Sie hoffen teilweise, dass es entweder gar nicht zu den teilweise prognos­ti­zierten hohen Preisen kommt oder der ETS II so spät starte, dass der Aufwuchs an klima­freund­lichen Techno­logien wie Wärme­pumpe und E‑Auto quasi von selbst zu niedri­geren Preisen führt, um den Volkszorn nicht zu provozieren.

Doch was bedeutet das für die Praxis? Klar ist jeden­falls, dass die aus deutscher Perspektive wünschens­werte Verein­heit­li­chung sich verzögert. Doch womit müssen deutsche Versorger und Verbraucher rechnen?

Eine mögliche Antwort geben Treib­hausgas-Emissi­ons­han­dels­gesetz (TEHG) und Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­gesetz (BEHG). Denn der Fall einer Verschiebung ist hier durchaus bereits mitge­dacht, aber nicht als letztlich politische Entscheidung, sondern für den Fall, dass die Kommission wegen außer­ge­wöhnlich hoher Energie­preise den Start­schuss um ein Jahr verschiebt. Dieser – in Art. 30k Emissi­ons­han­dels­richt­linie sehr klar umrissene – Fall liegt nicht vor, deswegen kann die Kommission nicht einfach eine Bekannt­ma­chung vornehmen, aber die Situa­tionen sind so ähnlich, dass ein Rückgriff sich anbietet. In diesem Fall suspen­diert § 56 TEHG die Abgabe­pflicht – nicht aber die Berichts­pflicht – für Inver­kehr­bringer nach dem TEHG für das Jahr 2027.

Doch sind die Inver­kehr­bringer dann aller Sorgen ledig? Mitnichten – denn es gibt ja auch noch das BEHG. Dessen § 24 Abs. 1 BEHG sieht vor, dass nur dann die Verpflich­tungen nach dem BEHG zurück­treten, wenn das TEHG greift. Ist das nicht der Fall, gilt das BEHG also weiter.

Doch wie sieht dann die Bepreisung konkret aus? Gibt es feste Preise? Hier sieht § 10 BEHG an sich eine Verstei­gerung vor, ab 2027 ohne Preis­ober­grenze. § 10 Abs. 3 Nr. 5 BEHG erlaubt der Bundes­re­gierung aber (wie im Restan­wen­dungs­be­reich des BEHG) eine abwei­chende Rechts­ver­ordnung mit einem Festpreis­verkauf zum Preis von TEHG-Zertifikaten.

Dies wirft aller­dings die Frage auf, wie in diesem Fall mit der Diskrepanz zwischen dem Budget für diesen Sektor und den verkauften Zerti­fi­katen umzugehen ist. Ein weiterer Zukauf würde mindestens sehr teuer, es ist auch fraglich, ob eine solche Regelung wirklich einen wahrnehm­baren Minde­rungs­anreiz ausüben würde. Zudem bereiten DEHSt und EEX schon jetzt die Verstei­gerung für 2026 vor, die in einem Preis­kor­ridor zwischen 55 und 65 EUR statt­finden soll. Ob angesichts dessen nicht eher ein zweites Jahr natio­naler Verstei­ge­rungen naheliegt, mögli­cher­weise mit einer realis­ti­scheren Obergrenze?

Alle diese Fragen müsste der deutsche Gesetz­geber beant­worten. Bevor dies aller­dings eintreten kann, muss nun erst einmal auf EU-Ebene geklärt werden, wie es weitergeht. Denn bekanntlich macht der Rat Regelungen nicht allein. Um hier kurzfristig etwas zu ändern, müssen auch Europäi­sches Parlament und Kommission aktiv werden, die bereits bei der letzten Novelle der Emissi­ons­han­dels­richt­linie ihren eigenen Kopf bewiesen haben. Es bleibt also bei einer ärger­lichen Unsicherheit, gerade für Zweijah­res­ver­träge, die diese Risiken nun abbilden müssen (Miriam Vollmer).

2025-11-07T14:38:59+01:007. November 2025|Allgemein, Emissionshandel|