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Fahrrad­straße in Mannheim auch von VGH gehalten

Wir hatten hier kürzlich schon einmal über eine Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts (VG) Mannheim zu einer örtlichen Fahrrad­straße berichtet. Das Gericht hatte eine Klage von Verkehrs­teil­nehmern abgewiesen, die bestritten hatten, dass die Fahrrad­straße ausrei­chend durch Gefahren für Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs begründet sei. Das VG hatte die Klage abgewiesen. Denn es gäbe ein Bündel von Gründen, die in der Zusam­men­schau zu einer erheb­liche Gefährdung der Fahrrad­fahrer führen würden. Zudem hätten Fahrrad­straßen eine Bünde­lungs­wirkung für Radfah­rende und eine Verdrän­gungs­wirkung für Kraft­fahr­zeuge. Sie erfüllten dadurch eine Art „gefah­ren­ab­wehr­be­zo­gener Verkehrssteuerungsfunktion“.

doppelseitig befahrbarer Fahrradstreifen

Diese Entscheidung wurde nun auch vom baden-württem­ber­gi­schen Verwal­tungs­ge­richtshof (VGH) in Karlsruhe bestätigt. Von den Klägern war in dem Fall zum einen weiterhin das Bestehen einer quali­fi­zierten Gefah­renlage bestritten worden. Insbe­sondere habe das Gericht fehlerhaft aus dem Umstand, dass es sich um eine Straße mit erheb­lichem Durch­gangs­verkehr handele, auf eine Gefah­renlage geschlossen. Dem hat der VGH wider­sprochen. Das VG habe vielmehr in Überein­stimmung mit der Recht­spre­chung die Gefah­renlage auf dem Zusam­men­treffen mehrerer gefah­ren­träch­tiger Umstände begründet (unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 13.12.1979 – 7 C 46.78, Rn. 18 und Beschluss vom 03.04.1996 – 11 C 3.96, Rn. 3).

Weiterhin hatten die Kläger bestritten, dass die Anordnung der Fahrrad­straße nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO auf Grund beson­derer Umstände zwingend erfor­derlich sei. Auch hier hält der VGH dagegen: Nach der neueren Recht­spre­chung sei eine Anordnung bereits dann zwingend erfor­derlich, wenn die allge­meinen und beson­deren Verhal­tens­regeln der Straßen­ver­kehrs-Ordnung nicht ausreichen, um die mit der Anordnung bezweckten Wirkungen zu erreichen (wie BVerwG, Beschluss vom 01.09.2017 – 3 B 50.16, Rn. 7).

Schließlich stecken in der Entscheidung des VGH noch ganz spezi­fische Lehren für Fahrradstraßen:

  • in Überein­stimmung mit der Verwal­tungs­vor­schrift zur StVO setzt eine hohe Radver­kehrs­dichte nicht voraus, dass der Radverkehr die vorherr­schende Verkehrsart ist, zudem kann sie auch durch die Anordnung bewirkt werden;
  • alter­nativ (d.h. dies ist nicht zusätzlich zur hohen Radver­kehrs­dichte erfor­derlich) sind Fahrrad­straßen auch in Straßen von lediglich unter­ge­ord­neter Bedeutung für den Kraft­fahr­zeug­verkehr möglich;
  • die Anordnung einer Fahrrad­straße mit Freigabe für den Kraft­fahr­zeug­verkehr in einer Fahrt­richtung kann auch dann zulässig sein, wenn die Fahrbahn nur 4,00 m breit ist.

Mit dem letzten Punkt wendet sich der baden-württem­ber­gische VGH ausdrücklich gegen das Verwal­tungs­ge­richt Hannover. Das hatte darauf beharrt, dass für Kfz freige­gebene Fahrrad­straßen, um ein geeig­netes Mittel zur Gefah­ren­abwehr zu sein, eine relativ großzügig bemessene Mindest­breite haben müssten. Denn nur dann sei das gefahrlose Überholen und Passieren von Kfz an (ggf. neben­ein­an­der­fah­renden) Fahrrädern mit dem gebotenen Sicher­heits­ab­stand möglich. Der VGH hält dagegen, dass Überholen in diesem Fall nicht zulässig sei und im Begeg­nungs­verkehr unter Berück­sich­tigung von § 1 StVO gewisse Abstriche vom Sicher­heits­ab­stand von 1,5 m zulässig seien.

Die Entscheidung erleichtert es Kommunen, Fahrrad­straßen einzu­richten. Aller­dings sollte dennoch weiter beachtet werden, dass für Fahrrad­fahrer aus der Einrichtung ein objek­tiver Vorteil resul­tiert. Ansonsten dürfte die Anordnung weiterhin unver­hält­nis­mäßig, weil ungeeignet zur Gefah­ren­abwehr sein. (Olaf Dilling)

2023-09-20T18:48:20+02:0020. September 2023|Allgemein, Rechtsprechung, Verkehr|

Kein Bestands­schutz für zerstörten Camping­platz an der Ahr

Vermutlich ist dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Koblenz die Entscheidung nicht leicht gefallen: Ein Inhaber eines Camping­platzes an der Ahr wurde die Anlage in der Hochwas­ser­ka­ta­strophe 2021 zerstört. Zerstört ist jetzt auch die Aussicht auf den Wieder­aufbau. Denn das VG hat der Baube­hörde recht gegeben, die den Wieder­aufbau des Camping­platzes nicht zulässt.

An sich wäre eine Camping­anlage nach der typischen Definition der Bauord­nungen der Länder auch keine – jeden­falls keine einheit­liche – bauliche Anlage im baurecht­lichen Sinne. Denn bauliche Anlagen sind demnach mit dem Erdboden verbundene, aus Baupro­dukten herge­stellte Anlagen, so auch § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO RP. Aller­dings gibt es nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 LBauO RP eine gesetz­liche Fiktion, nach der auch Camping­plätze bauliche Anlagen sind.

Dies war zum Zeitpunkt der Errichtung des Camping­platzes an der Ahr noch nicht der Fall. Denn aus dieser Zeit gibt es keine Bauge­neh­migung für die gesamte Anlage, sondern nur für zwei Funkti­ons­ge­bäude. Für den Camping­platz insgesamt gibt es nur eine gewer­be­recht­liche Zulassung aus dem Jahr 1969. Dass der Camping­platz bis unmit­telbar vor der Katastrophe zulässig war, lag insofern am Bestands­schutz. Die Recht­spre­chung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts besagt nämlich, dass eine Anlage, die in der Vergan­genheit dem Baurecht entsprach, aufgrund der Eigen­tums­freiheit in ihrem Bestand geschützt ist. Nachträglich geänderte Anfor­de­rungen wie das Erfor­dernis einer Bauge­neh­migung spielen insofern keine Rolle.

Voraus­setzung für diesen Bestand ist jedoch der Fortbe­stand der Anlage. Im Fall des Camping­platzes war die Infra­struktur der Anlage durch das Wasser und Sedimente vollkommen zerstört worden. Auch von den beiden geneh­migten Gebäuden standen nur noch die Mauern. Daher konnte, wie das VG Koblenz beschlossen hat, der Eigen­tümer sich nicht mehr auf den Bestand­schutz berufen. Was für den Kläger eine indivi­duelle Härte darstellt, ist aller­dings vor dem Hinter­grund öffent­licher Belange nachvoll­ziehbar. Bei einer Neuerrichtung sollte zumindest geprüft werden, ob die Anlage angesichts des Risikos einer weiteren Flut unter baurecht­lichen Gesichts­punkten sicher zu errichten ist. (Olaf Dilling)

 

2023-09-13T20:43:50+02:0013. September 2023|Umwelt, Verwaltungsrecht|

BFH bestätigt: Keine Umsatz­steuer auf „fiktive“ Stromlieferungen

Wir hatten es Ende letzten Jahres schon einmal kurz mitge­teilt: Die Finanz­ge­richts­barkeit geht – anders als bislang die Finanz­ämter – davon aus, dass bei dezentral gelie­fertem Strom, der nie physisch in das Netz einge­speist wurde, keine Umsatz­steuer anfällt. Inzwi­schen wurde diese Auffassung des Bundes­fi­nanzhofs (BFH) durch eine weitere Entscheidung bestätigt. Nunmehr vertritt neben dem XI. Senat auch der V. Senat diese Auffassung.

Eigentlich klingt es nach einer Selbst­ver­ständ­lichkeit, dass Strom­lie­fe­rungen, die nie in einem physi­ka­li­schen Sinn geflossen sind, auch nicht besteuert werden können. Aber die Finanz­ver­waltung, die ihre Auffassung sogar im Umsatz­steu­er­an­wen­dungs­erlass (unter Punkt 2.5 Absatz 2) festgelegt hat, geht wohl von dem Prinzip aus, dass jemand, der aus einem Grund bestimmte Rechte hat, auch die Pflichten tragen soll. Und immerhin war es im zu entschei­denden Fall so, dass gemäß § 4 Absatz 3a Satz 2 KWKG 2009 ein KWK-Zuschlag auch dann fällig war, wenn der Strom dezentral verbraucht und nicht ins Versor­gungsnetz einge­speist wird. Insofern spricht man von einer fiktiven Strom­lie­ferung oder von kaumän­nisch-bilan­zi­eller Einspeisung.

Aller­dings hat der BFH in seiner Begründung festge­stellt, dass die Zahlung des KWK-Zuschlags nicht zu einer Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG führen würde. Auch eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG läge nicht vor. Er verweist in dieser Frage auf die Entscheidung des XI. Senats.

Letztlich ergab sich nämlich aus dem KWKG nur eine gesetz­liche Zahlungs­pflicht für den Netzbe­treiber. Der Zuschlag hat den Charakter einer energie­po­li­tisch bedingten Förderung, die über den Netzbe­treiber abgewi­ckelt wird. Daraus folgt weder, dass der Zahlende tatsächlich der Empfänger einer Lieferung ist und schon gar nicht, dass der Zahlende auch die sonstigen Pflichten einer solchen Lieferung tragen muss. Daher gilt für das Steuer­recht, dass eine Lieferung nur für Strom angenommen werden kann, der tatsächlich einge­speist und vom Netzbe­treiber vergütet wurde. (Olaf Dilling)

2023-09-08T14:59:37+02:008. September 2023|Energiepolitik, Rechtsprechung, Strom, Wärme|