Stückwerk oder Puzzle? Schulwegsicherheit und Straßenverkehrsrechtsreform
Damit etwas ins Rollen kommt, braucht es eine „kritische Masse“. Niemand weiß das besser als Mandaten von uns, die sich unter dem Namen Kidical Mass Aktionsbündnis unter anderem für Schulwegsicherheit einsetzen und für die wir ein Gutachten und Leitfaden zu Schulstraßen verfasst haben. Abgeleitet ist dieser Name von dem großen Bruder der Initative, der „Critical Mass“, die regelmäßig Veranstaltungen organisieren, bei denen sie sich auf § 27 Abs. 1 Satz 2 StVO berufen: „Mehr als 15 Rad Fahrende dürfen einen geschlossenen Verband bilden.“
Eine kritische Masse kann es nicht nur aus Personen geben, die in einem Verkehrssystem plötzlich eine relevante Größe werden. Auch im Rechtssystem selbst gibt es solche Phänomene. Normen die reformiert werden und unverbunden nur marginal was ändern würden, können ineinander greifen und plötzlich größere Veränderungen ermöglichen.
Weil es um Kinder und Schulwegsicherheit geht, passt es vielleicht, von Puzzleteilen zu sprechen: Aufgrund verschiedener Detailregeln wird es in manchen Fällen nun möglich, Schulwege im Ganzen verkehrssicher zu planen. Die Puzzleteile fügen sich zu einem größeren Bild zusammen. Das geht nicht immer, denn manchmal bleiben doch noch Lücken. Aber es funktioniert dank der Straßenverkehrsrechtsreform immer öfter!
In Pfaffenhofen, einer oberbayrischen Kommune, in der wir beraten haben, war es möglich, auf dem größten Teil des Vorfahrtsstraßennetzes Tempo 30 anzuordnen. Und das jeweils mit guten Gründen, die auch die Staatsregierung in München akzeptieren muss.
Von was für Puzzleteilen sprechen wir? Im Wesentlichen sind es fünf neue Regelungen:
- Aufwertung der Schulwegeplanung: Die Schulwegeplanung, die in vielen Bundesländern schon fest etabliert wird, wird straßenverkehrsrechtlich inzwischen besser aufgegriffen.
- Dies zeigt sich insbesondere bei hochfrequentierten Schulwegen: Denn an diesen sollen die Straßenverkehrsbehörden nun in der Regel gemäß § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO Tempo 30 anordnen. Dies gilt auch an Landes‑, Bundes- und sonstigen Vorfahrtsstraßen. Die Schulwegeplanung kann gemäß den Richtlinien der VwV-StVO festlegen, welche Routen als hochfrequentiert betrachtet werden. Dies liegt nicht nur im Nahbereich der Schule nahe, sondern unter Umständen auch in Ortsteilen ohne Schule in der Nähe von Bushaltestellen, die von Schulbussen frequentiert werden. Hier der O‑Ton der erst kürzlich überarbeiteten Verwaltungsvorschrift zur StVO:
Hochfrequentierte Schulwege sind Straßenabschnitte, die innerhalb eines Stadt- oder Dorfteils eine Bündelungswirkung hinsichtlich der Wege zwischen Wohngebieten und allgemeinbildenden Schulen haben. Diese Wege können auch im Zusammenhang mit der Nutzung des ÖPNV bestehen. Ihre Lage ist begründet darzulegen. Sie kann sich auch aus Schulwegplänen ergeben, die von den betroffenen Schulen und der zuständigen Straßenverkehrsbehörde sowie gegebenenfalls Polizei und Straßenbaubehörde erarbeitet wurden. Auf den Schulwegen sind bei der Abwägung über die Geschwindigkeitsbeschränkung jedoch auch Querungshilfen und Sicherheitseinrichtungen zu berücksichtigen, z.B. Lichtzeichenanlagen oder Absperrgitter. - Eine besondere Bedeutung im Puzzle bekommen Fußgängerüberwege (Zebrastreifen). Denn neuerdings sind auch sie ein Grund, Tempo 30 anzuordnen, was sich aus § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 10 StVO ergibt. Insbesondere kommt das laut VwV-StVO dort in Betracht, wo der Straßenverlauf unübersichtlich ist oder wo typischerweise damit gerechnet werden muss, dass Kraftfahrer von sich aus nicht mit der Geschwindigkeit herunter gehen, um ihre Bereitschaft, Vorrang zu gewähren, zu signalisieren.
- Lückenschlüsse zwischen Tempo 30-Zonen hat es auch bisher schon gegeben. Inzwischen sind diese jedoch auf 500 m ausgedehnt worden. Da gibt es nun an vielen Orten ganz viele Puzzleteile, die neu eingefügt werden können und das Bild des verkehrssicheren Schulwegs vervollständigen.
- Schließlich gibt es noch das Centerpiece: Die Schulstraße. Mit der Straßenverkehrrechtsreform hat sie nur indirekt was zu tun, auch wenn sie sich fast zeitgleich in Deutschland durchgesetzt hat. Es gibt jedenfalls immer mehr entsprechende Projekte, nicht nur in NRW, wo es sogar einen Erlass dazu gibt. Durch die Bereitstellung von angemessenen Flächen für den Fuß- und Radverkehr, die neuerdings gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 StVO möglich ist, gibt es aber auch eine weitere Grundlage für ihre Anordnung. Demnächst werden wir die Details in einer Neuauflage des Gutachtens oder Leitfadens hier vorstellen. (Olaf Dilling)
Wie geht es weiter – der Koalitionsvertrag zu Energie & Klima
Nun haben sie sich also auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, die Spitzen von Union und SPD. Was hat die Regierung Merz/Klingbeil also in den nächsten vier Jahren vor?
Schwarz-Rot und das Klima
Interessant zunächst, was nicht drin steht: Weder will die nächste Bundesregierung die Klimaziele abschaffen oder abschwächen. Noch kommt die Atomkraft wieder. Hier hatte es im Vorfeld vor allem aus der Union auch andere Stimmen gegeben, diese haben sich nicht durchgesetzt. Es bleibt also bei den 65% 2030, 88% 2040 und Nettonull 2045. Die Koalition würde sogar eine Erhöhung im EU-Rahmen auf 90% 2040 unterstützen, aber nur, wenn es für die Deutschen bei 88% bleibt.
Gleichwohl, auch wenn die Ziele bleiben, den Weg stellt die nächste Bundesregierung sich bequemer vor, als die Ampel es vorgesehen hatte. So sollen 3% des 2040-Zwischenziels durch Zertifikate aus dem Ausland erfüllt werden können. Veteranen des Emissionshandels erinnern sich an die CER und ERU aus internationalen Klimaschutzprojekten. Ob es so kommt, kann der Bund allerdings nicht entscheiden, nur sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die EU von Art. 6 des Paris Agreements Gebrauch macht.
Emissionshandel
Überhaupt sind die Spielräume Deutschlands beim Klimaschutz bekanntlich begrenzt. Anders als auch viele Medien vermuten, steht es schlicht nicht in Friedrich Merz‘ Macht, den Transformationsdruck auf die Deutschen zu verringern: Für fossile Emissionen brauchen Industrie, Energiewirtschaft und ab 2027 auch die Verkäufer von Erdgas, Benzin, Diesel und Heizöl Emissionsberechtigungen, die in Brüssel budgetiert worden sind. Die Bundesregierung kann diesen finanziellen Anreiz, Gasheizung, Verbrenner oder Kohlekraftwerke auszurangieren, nur sehr begrenzt kompensieren, beispielsweise durch ein Klimageld, das wiederum aber nur als den guten Vorsatz, Einnahmen aus dem Emissionshandel zurückzugeben, im Koalitionsvertrag auftaucht. Damit ist klar: Egal, wer regiert, fossile Technologien werden immer teurer. Nur für die Landwirtschaft soll dies nicht gelten, denn hier bestimmen die Mitgliedstaaten selbst, ob die Landwirte einbezogen werden.
Erneuerbare Energien
Etwas richtig greifbar Neues ist für die Erneuerbaren Energien nicht geplant. Diffus scheint auf, dass die neuen Herren nicht so intensiv auf Wind und Sonne fokussieren wollen, ohne allerdings auszusprechen, wie dann der Ausbaupfad aussehen soll. Wie schon die Ampel will auch die GroKo Genehmigungen und Planungen erleichtern, Verfahren straffen und vereinfachen, auch vor Gericht, die Netzdienlichkeit beim Ausbau mehr berücksichtigen und perspektivisch komplett von der Einspeisevergütung zu Marktfinanzierungen kommen. Wirklich neu ist das aber nicht.
Immerhin: Auch wenn bekannt ist, dass der künftige Kanzler selbst Windkraftanlagen hässlich findet, bleibt es bei den Zwischenzielen des Windflächenbedarfsgesetzes für 2027, also den 1,4% bundesweit und offenbar auch bei den Landeszielen. Das Ziel von 2% bundesweit 2032 soll noch einmal evaluiert werden. Verbessern will die nächste Bundesregierung offenbar die regionalen Steuerungsmöglicheiten und Onsite PPA, begrenzen will sie Flächenpachten und die Einbindung von Offshore-Windparks in auch grenzüberschreitende Infrastrukturen soll sich verbessern. Und: Das Geothermie-Gesetz soll nun doch kommen. Für Strom bringt das wohl kaum etwas, aber für Wärme ist der Plan interessant.
Energiepreise
Strom soll mindestens 5 Ct/kWh günstiger werden. Dafür soll die Stromsteuer abgesenkt werden und die Umlagen und Netzentgelte reduziert. Die Stromsteuersenkung war schon ein Plan der Ampel, aber wie genau die Netze nun subventioniert werden sollen, bleibt unklar. Sofern dies aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert werden soll, stellt sich die Frage, ob die überhaupt eine Infrastrukturausgabe darstellt und nicht doch eine simple Konsumausgabe.
Diffus bleibt auch der Industriestrompreis, den die Koalitionäre planen. Die Bandlastausnahme soll – obwohl nicht netzdienlich – nun doch bleiben, die Gaspeicherumlage abgeschafft werden. Ansonsten will man die Quadratur des Kreises: Gas soll günstig eingekauft werden, aber die Klimaziele sollen eingehalten werden, was wegen des Emissionshandels, der gas zwangsläufig verteuert, einigermaßen schwer vorzustellen ist, aber vielleicht setzen Union und SPD darauf, dass es bis zu den nächsten Wahlen noch keine wirklich schmerzhaften Effekte gibt.
Netze
Immerhin: Hoch lebe die Monstertrasse; es wird auf Freileitungen gesetzt, die deutlich günstiger und schneller zu errichten sind. Netzanschlüsse sollen günstiger werden, was derzeit allerdings ein deutlich kleineres Problem darstellt als die schiere Verfügbarkeit für große Letztverbraucher. Direktleitungen sollen offenbar künftig nicht auf 5 km begrenzt sein, und trotz der Bedenken vieler Ökonomen soll es bei einer einheitlichen Stromgebotszone bleiben. Netzdienliche Baumaßnahmen werden forciert, etwa die Genehmigung von Speichern, denen wie EE-Anlagen überragendes öffentliches Interesse zukommen soll.
GroKo <3 Erdgas
Die künftige Bundesregierung setzt auf Erdgas. Bis 2030 sollen 20 GW Gaskraftwerke entstehen, also deutlich mehr als die Ampel sich vor allem aus finanziellen Gründen zugetraut hat. Sie dienen vor allem der Netzstabilisierung, aber anders als die Regierung Scholz es wollte, sollen sie nicht nur Residuallast abdecken, sondern auch die Preise senken, also marktorientiert erzeugen. Das bedeutet natürlich: Es wird mehr emittiert, in der Tendenz steigen die CO2-Preise im ETS I, zumal nicht mehr die Rede davon ist, dass die Kraftwerke H2-ready sein sollen, wobei dies auch in der Kraftwerksstrategie der Ampel zumindest kurzfristig mehr in die Abteilung frommer Wunsch als reale Erwartung gefallen sein dürfte.
Wasserstoff kommt zwar eine wichtige Rolle zu. Die neuen Gaskraftwerke sollen aber offenbar durch CCS/CCU dekarbonisiert werden, um sie nicht direkt noch in den Dreißigern mangels Emissionsberechtigungen wieder einmotten zu müssen. Das KSpG war ja bereits im Gesetzgebungsverfahren, auch die nächste Bundesregierung will hier die Basis für Abschiebung und Verpressung von CO2 schaffen, und dies sowohl an Land als auch unter dem Meer.
Doch auch wenn Erdgas wieder auf mehr Gegenliebe stößt als in den letzten Jahren: Kohle kommt nicht wieder. Es bleibt beim Ausstieg 2038, so, wie derzeit gesetzlich vorgesehen.
Effizienz und Wärme
Auch bei der Wärmeversorgung will die GroKo länger am Gas festhalten und die Netze konservieren, während sie durch eine Verstetigung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze den Ausbau der Fernwärme fördert. Immerhin soll auch das KWKG novelliert werden, die durch das Ende der Ampel unterbrochenen Neuregelungen von AVBFernwärmeV und WärmeLV sollen fortgesetzt werden, und das EnEfG soll offenbar auf das EU-Mindestmaß zurückgeschnitten werden.
Das „Heizungsgesetz“ soll abgeschafft werden, was insofern überrascht, als dass ein Gesetz dieses Namens nicht existiert. Bisher wurde der Begriff stets als Synonym für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) genutzt, das aber keineswegs abgeschafft werden soll, sondern nur novelliert. Es soll technologieoffener, flexibler und einfacher werden, was insofern herausfordernd sein dürfte, als dass die umstrittenen § 71 GEGff. bereits heute keine technologische Festlegung enthalten. Immerhin soll der Heizungstausch künftig auch gefördert werden, und energetische Sanierungen von der Steuer abgesetzt werden können. Hier wird man sehen, was angesichts der demnächst umzusetzenden Gebäuderichtlinie (EPBD) überhaupt möglich ist. Gut denkbar, dass das Nebeneinander von EPBD und Emissionshandel dazu führt, dass in der Praxis sich gar nicht so viel ändert oder der faktische Druck zum Heizungstausch sogar wächst.
Was halten wir davon?
Nach einem Wahlkampf, in dem es verhältnismäßig viel um Energiepolitik ging, hätte man mehr Neues erwartet. Statt dessen werden viele Ideen und Vorhaben der Ampel schlicht weitergeführt. Es verschieben sich angesichts der hochgespannten Erwartungen vieler Anhänger – und der Befürchtungen mancher Gegner – eher Akzente, denn die treibenden Instrumente der Transformation kommen aus Brüssel und können von den Deutschen nicht einfach abgeändert werden (Miriam Vollmer).
BGH zur Ersatzversorgung in der Mittelspannung: Zuordnungspflicht des Netzbetreibers an den leistungsfähigsten Lieferanten
Über das Wesen der gesetzlichen Ersatzversorgung, die immer dann greift, wenn eine Letztverbraucher Strom oder Gas entnimmt, diese aber keiner vertraglichen Lieferung zugeordnet werden kann, hatten wir bereits hier schon einmal grundsätzlich geschrieben.
Allerdings gilt der Rechtsrahmen der gesetzlichen Ersatzversorgungspflicht durch den örtlichen Grundversorger ausdrücklich nur im Bereich der Niederspannung (Strom) bzw. des Niederdrucks (Gas). Für Kunden auf einer höheren Anschlussstufe (Mittelspannung) war die Zuordnung der Energienentnahme im Ersatzversorgungsfall daher oft fraglich. Eine analoge Anwendung der Ersatzversorgung auf die Mittelspannung scheidet jedenfalls nach einer aktuellen Entscheidung des BGH aus (BGH, 17.09.2024, EnZR 57/23).
Aber wer muss dann für den Energieverbrauch des vertragslosen Mittelspannungskunden bilanziell einstehen, wenn nicht der Ersatzversorger? Wir hätten jetzt nach dem Ausschlussprinzip auf den Netzbetreiber getippt, aber der BGH löst das in einer Entscheidung aus September 2024 anders.
„Besteht für eine Entnahmestelle kein Lieferverhältnis (mehr) und droht deshalb eine Versorgungslücke, ist eine diskriminierungsfreie Zuordnung nach sachlichen Kriterien erforderlich. Die Zuordnung beinhaltet für den betreffenden Lieferanten eine Erwerbschance. Sie führt zwar zunächst nur zur wirtschaftlichen Einstandspflicht des Lieferanten der an solchen Lieferstellen entnommenen Strommengen. Er muss sie unabhängig davon, ob er sich bei dem Nutzer der Lieferstelle schadlos halten kann oder nicht, auf eigene Kosten beschaffen oder dem Übertragungsnetzbetreiber als Ausgleichsenergie vergüten“
Das bedeudet, dass ein Lieferant für diese „außergesetzliche Ersatzversorgung“ einstehen muss – aber nicht zwingend der Ersatzversorger. Vielmehr muss eine „diskriminierungsfreie Zuordnung nach sachlichen Kriterien“ erfolgen. Und diese Zuordnung muss der Netzbetreiber treffen, denn die Marktlokation auch während eines vertragslosen Zustands zwingend einem Bilanzkreis zuzuordnen. Der BGH führt aus:
„Jedenfalls für eine zur Umsetzung der Sperrung erforderliche Übergangszeit bedarf es einer Bilanzkreiszuordnung der betroffenen Lieferstellen. Die Zuordnung muss der Netzbetreiber diskriminierungsfrei nach sachlichen Kriterien vornehmen, wobei er insbesondere die Netzstabilität, die Versorgungssicherheit und sonstige Interessen der betroffenen Letztverbraucher berücksichtigen muss. Es ist daher sachlich gerechtfertigt, wenn ein Netzbetreiber sie einem Energieversorgungsunternehmen zuordnet, das aus seiner Sicht nach den vorstehenden Kriterien voraussichtlich am besten in der Lage ist, die Versorgung kurzfristig sicherzustellen.“
(Christian Dümke)
Koalitionsvertrag 2025: Was ist mit der Kreislaufwirtschaft?
„Verantwortung für Deutschland“ – hiermit ist der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD überschrieben. Die neue Koalition legt damit ihre Leitlinien für die 21. Legislaturperiode fest. Doch ob hier wirklich ein zukunftsweisender Wandel eingeleitet wird – wie allenthalben beschworen – bleibt abzuwarten. Im Folgenden werfen wir einen detaillierten Blick auf die Positionen der neuen Regierung mit Blick auf das Kreislaufwirtschaftsrecht, beleuchten die Stärken und kritisieren deutliche Defizite.
Das Thema Kreislaufwirtschaft wird als zentraler Pfeiler der Ressourceneffizienz dargestellt. Das ist für sich genommen nicht innovativ. Konkret jedoch sollen auf Basis der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ein Eckpunktepapier mit kurzfristig realisierbaren Maßnahmen entwickelt und konkrete Reformen – etwa am § 21 Verpackungsgesetz – in die Wege geleitet werden. Außerdem wird das chemische Recycling in die bestehende Abfallhierarchie integriert und der Einsatz von Rezyklaten gefördert. Diese Ansätze passen in das heutige Verständnis einer ressourcenschonenden, zirkulären Wirtschaft, die nicht nur Abfall minimiert, sondern auch neue Geschäftsmodelle wie Shared Economy und innovative Recyclingtechnologien unterstützt.
Doch so schön das Bekenntnis klingt: Der Koalitionsvertrag selbst bleibt naturgemäß in vielen Punkten vage. Doch wie die Reise vonstattengehen soll ist ungewiss. Es wird zwar eine grundsätzliche Modernisierung (auch ja und natürlich auch Maßnahmen zur Beschleunigung von Verfahren) und Ambition in der Umweltpolitik signalisiert – doch konkrete Maßnahmen, messbare Ziele und zeitliche Vorgaben fehlen bislang größtenteils. Verbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. kritisieren, dass der notwendige „Impuls“ für einen echten Hochlauf zirkulärer Prozesse und den Aufbau marktwirksamer Anreizsysteme zu wünschen übriglässt. Die legislativ vorgesehenen Reformen im Verpackungsbereich sind begrüßenswert, wenn man bedenkt, dass sie Potenziale zur Einsparung von Rohstoffen, zur Senkung von Treibhausgasemissionen und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bieten. Doch geht es auch darum, die EU-Verpackungsverordnung richtig und vor allem nicht überschießend umzusetzen.
Kritisch fällt insbesondere auf, dass der Koalitionsvertrag – trotz vieler Versprechen – dann irgendwie doch den Mut zur Modernisierung der Wirtschaft (und auch der Kreislaufwirtschaft) vermissen lässt. Berechtigte Zweifel säht hier aus Praxissicht insbesondere das Bekenntnis zur Abschaffung der Bestellung von Betriebsbeauftragten und dazu, den Schulungs‑, Weiterbildungs- und Dokumentationsaufwand signifikant reduzieren. Über den Dokumentationsaufwand können wir reden, alles andere ist jedoch Symbolpolitik aus Schilda (wir berichteten hier) und gerade kein Bürokratieabbau.
Konkrete Zielvorgaben wie Investitionsvolumina oder Innovationsanreize bleiben offen. Da ist auch in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie noch Luft nach oben. Wird die neue Regierung konkrete, messbare Maßnahmen definieren, ausreichende finanzielle Mittel bereitstellen und die Zusammenarbeit mit der Industrie und den Kommunen in die Wege leiten? Die kommenden Monate werden zeigen, ob Deutschland mit der neuen schwarz-roten Koalition in Sachen Kreislaufwirtschaft wirklich zukunftsfähig wirtschaften kann – oder ob das Thema erneut politisch schön geredet, aber praktisch zu wenig umgesetzt wird. Schöne neue Regelungen bringen schließlich auch nichts, wenn sie in der Praxis nur noch mehr Probleme machen (hallo EBV!) Die neue Regierung steht also vor einer großen Herausforderung: Zwischen politischen Bekenntnissen und der Realität der Umsetzung muss ein echter Transformationsprozess gestartet werden. Nur dann kann sichergestellt werden, dass Deutschland nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich nachhaltig aufgestellt ist. (Dirk Buchsteiner)
Weitere Möglichkeiten für Parkraumbewirtschaftung
Die Straßenverkehrsrechtsreform von letztem Jahr hat nicht nur mehr Spielräume für Kommunen beim Anordnen von T 30 gebracht. Dahinter tritt in der öffentlichen Aufmerksamkeit manchmal etwas zurück, dass sich auch die Möglichkeiten für Parkraumbewirtschaftung erweitert haben. Nachdem bisher nur dort Bewohnerparken angeordnet werden konnte, wo bereits erheblicher Parkdruck herrscht, gibt es nun weitere Möglichkeiten:
- Erstens betrifft das nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO Quartiere, in denen aktuell zwar kein erheblicher Parkdruck vorhanden ist, dieser aber für die Zukunft droht,
- Zweitens ist es nun nach § 45 Abs. 1b Satz 2 StVO auch zur Vermeidung von schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt oder zur Unterstützung der geordneten städtebaulichen Entwicklung möglich.
Die Voraussetzungen ergeben sich aus der neuen Fassung der Verwaltungsvorschrift zur StVO. Diese ist inzwischen von Regierung und Bundesrat beschlossen worden, wurde nur noch nicht im Bundesanzeiger verkündet. Für die Erweiterungsmöglichkeiten ergeben sich konkrete Details:
Bemerkenswert ist daran, dass der Parkraummangel aus Gründen drohen kann, die auch in der Hand der Verwaltung liegen, etwa eine Reduktion von Parkmöglichkeiten. Beispielsweise kann die Verwaltung bei der Einrichtung einer Fahrradstraße vorher vorhandene Parkplätze streichen, um die Mindestbreite sicherzustellen. Da dadurch Parkdruck in der betreffenden und benachbarten Straßen droht, lässt sich eine Bewohnerparkzone ausweisen oder erweitern.
Zu den neuen Zielen des Umweltschutzes und der geordneten städtebaulichen Entwicklung findet sich in der aktualisierten Verwaltungsvorschrift Folgendes:
Eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs ist dann nicht mehr Voraussetzung. Allerdings muss die Leichtigkeit des Verkehrs weiter berücksichtigt werden. Das kann auch dadurch geschehen, dass sie bereits in die Abwägung bei der Erstellung des Parkraumkonzepts einbezogen wird.
Insgesamt ergeben sich aus der Verwaltungsvorschrift nun einige neue Möglichkeiten zur Einrichtung und Erweiterung von Bewohnerparkzonen, die Kommunen mehr Möglichkeiten geben. Durch die Privilegierung der Bewohner und die Bewirtschaftung des öffentliche Straßenraum können Nutzungskonkurrenzen besser gelöst werden. Dies betrifft die Verkehrsarten des Umweltverbunds als auch blau-grüne Infrastruktur. (Olaf Dilling)
Preisbremsen: Letzte Runde zum 31. Mai 2025
Haben Sie auch das Gefühl, die Geschichte hätte gerade einen Turbo angeworfen? Dann geht es Ihnen wie uns. Doch auch wenn sich die Energiepreiskrise 2022/2023 anfühlt, als sei sie schon richtig lange her, die Preisbremse beschäftigen Versorger immer noch. Immerhin: Die hoffentlich letzte Runde steht bevor.
Endabrechnung Gas & Wärme
Erdgaslieferanten und Wärmeversorger müssen bis zum 31.05.2025 ihre Endabrechnung vorlegen. Wer Vorauszahlungen erhalten hat, muss diese ausweisen, wer keine oder zu wenig Vorauszahlungen vereinnahmen konnte, stellt nun einen letzten Antrag auf Prüfung und Auszahlung. Wurde zu viel Vorauszahlung geleistet, muss der überschüssige Betrag zurückgezahlt werden. Die Antragsformulare sind so selbsterklärend, dass das BMWK vor einigen Tagen ein weiteres Mal neue FAQ vorgelegt hat, in dem es Punkt für Punkt erklärt, wie vorzugehen ist. Es gibt auch eine veröffentlichte Präsentation aus März 2025. Neu hier unter anderem: Ausdrückliche Ausführungen, nach denen Eigen- und Regiebetriebe „ihre“ Körperschaft nicht entlasten durften. Diese Fragestellung tauchte bereits bei der Soforthilfe 2022 auf, es gibt auch bei der Gas- und Wärmepreisbremse gute Argumente, dies durchaus auch anders zu sehen.
Wirklich keine Nachzahlung bei Strom?
Immer noch ungeklärt ist die Frage, ob es wirklich keine Nachzahlungen nach dem StromPBG gibt. Dies betrifft Unternehmen, die bei der Ermittlung ihrer Höchstgrenzen in den vorläufigen Selbsterklärungen für die Hilfen eher konservativ vorgegangen sind, und im Nachhinein bei der finalen Selbsterklärung 2024 feststellten, dass ihnen mehr zugestanden hätte. An sich hätte man erwartet, dass es sich schon aus dem vorläufigen Charakter der zuerst abgegebenen Selbsterklärungen ergibt, dass am Ende alles auch ganz anders aussehen kann. Aber BMWK und Prüfbehörde beharren darauf, dass es keinen Nachschlag geben soll. Dabei liegt es nahe, dass der Gesetzgeber schnelle, dafür nicht abschließende Zahlungen ermöglichen wollte, es aber nicht bestrafen wollte, wenn ein Unternehmen dabei vorsichtig vorgegangen ist.
Hier haben wir betroffenen Unternehmen regelmäßig empfohlen, Zahlungsansprüche gegen ihre Versorger geltend zu machen, die diese dann über die Übertragungsnetzbetreiber an den Bund weiterreichen sollten. Diese etwas umwegige Kette ist im StromPBG angelegt. Sofern dies noch nicht geschehen ist, sollten die betroffenen Letztverbraucher nun eine Entscheidung treffen, wie mit der Sache umzugehen ist, denn auch hier gibt es eine Frist für eine Endabrechnung für die Versorger, die noch nicht zum 31.05.2024 – dies sah das StromPBG vor – endabrechnen konnten: Sie sollen zum 31.05.2025 die Endabrechnung einreichen, wie das BMWK im März 2024 erklärt hat. Da Versorger kaum Entlastungen gewähren werden, die sie nicht weiterreichen können, ist dieser Termin der wohl letzte, zu dem der Anspruch sinnvollerweise geltend gemacht werden kann, um dann im Verhältnis zwischen Kunde und Versorger bzw. Versorger und ÜNB geklärt zu werden.
Okay, zumindest die letztgenannte Klärung legt es nahe, dass zumindest für einige Unternehmen die Strompreisbremse auch nach dem 31.05.2025 ein Thema bleibt. (Miriam Vollmer)