Landgericht Düsseldorf wertet Kündigung durch gas.de kritisch
Der Gasanbieter gas.de Versorgungsgesellschaft mbH hatte im Dezember des letzten Jahres zahllosen seiner Kunden fristlos den Gasliefervertrag gekündigt und die Belieferung beim Netzbetreiber abgemeldet. Die Folge: Die betroffenen Kunden fielen in die regelmäßig teurere Ersatzversorgung und mussten sich kurzfristig einen neuen Gasanbieter sorgen. Ein Verhalten, dass auch die Verbraucherschutzzentralen kritisch sehen und Kunden zur Geltendmachung von Schadenersatz raten.
Eine auf einer solchen Kündigung beruhende Schadenersatzklage gegen gas.de, gerichtet auf Ersatz der dem Kunden entstandenen Mehrkosten der Ersatzbelieferung, ist derzeit beim Landgericht Düsseldorf anhängig.
Das Landgericht hat in diesem Verfahren am 01. August 2022 den schriftlichen Hinweis erteilt, dass es die Klage nach derzeitiger Rechtsauffassung für zulässig und begründet hält. „Die Klage dürfte nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch in der Sache grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben.“ heißt es in dem Verfahrenshinweis. Soweit gas.de die Kündigung gegenüber dem Gericht mit gestiegenen Kosten der Gasbeschaffung rechtfertigen wollte sieht das Gericht „die Entwicklung des Gaspreises bereits grundsätzlich zum originären und alleinigen Risikobereich der Beklagten“ zugehörig. Dieses Risiko kann ein Versorger demnach also nicht auf die Kunden abwälzen um dann bei gestiegenen Bezugskosten den Vertrag zu beenden.
Mit einem Urteil des Landgerichts Düsseldorf ist Ende des Jahres zu rechnen.
(Christian Dümke)
Die „Zu verschenken“-Box: Wiederverwendung oder illegale Abfallentsorgung?
Ob im Wald oder in der Stadt, illegale Abfallablagerungen sind ein Ärgernis, darüber gibt es wohl kaum Meinungsverschiedenheiten. Wer so etwas tut, macht es heimlich und müsste eigentlich hoffen, dass nicht alle so handeln. Was aber, wenn an der „Müllkippe“ einfach ein Schild „zu verschenken“ angebracht wird?
Nun, grundsätzlich ändert das den Status als illegale Abfallablagerung nicht. Wenn es, wie typischerweise, im öffentlichen Raum stattfindet, läuft so ein „Angebot“ zudem schnell aus dem Ruder, denn wo ein kaputter Fernseher steht, stehen schnell zwei. Insofern ist es völlig verständlich, dass der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) öffentlich Stellung bezieht und darauf hinweist, dass es abfallrechtlich unzulässig ist, gebrauchte Sachen einfach auf die Straße zu stellen, um sie „zu verschenken“. Sogar ein empfindliches Bußgeld kann fällig werden.
Andererseits kommt in § 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) der hohe Stellenwert der Vermeidung von Abfall und insbesondere Wiederverwendung zum Ausdruck. Wenn jemand also in seinem Vorgarten ein kleines Körbchen pflegt, in dem noch ansehnliche Bücher oder Kinderkleider zum Verschenken feilgeboten werden und wenn das Körbchen regelmäßig durchsortiert wird, dann dürfte das nicht als Abfallablagerung verfolgt werden. Denn die Sachen haben ja erkennbar noch einen Wert. Selbst wenn der ursprüngliche Besitzer sie loswerden will, besteht nicht die Gefahr, dass sie am Ende den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger belasten. Auch Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gehen nicht von ihnen aus.
Was aber, wenn jemand keinen Vorgarten hat oder keinen, an dem ausreichend Laufkundschaft vorbeikommt? In dem Fall weist der Verband darauf hin, dass es die Möglichkeit gibt, sich an Sozialläden oder soziale Einrichtungen zu wenden, die Brauchbares oft kostenfrei abholen. Auch Online-Nachbarschafts-Netzwerken oder Repaircafés bieten sich an (Olaf Dilling).
Die Gasumlage
Jetzt liegt der Entwurf einer Verordnung nach § 26 EnSiG auf dem Tisch. Was hat das Wirtschaftsministerium danach nun vor? Wir haben die wichtigsten 10 Fakten über die Umlage, die den Ruin der Gasimporteure und den Zusammenbruch der Gaswirtschaft verhindern soll, zusammengetragen:
1. Juristische Grundlage der Gasumlage ist § 26 EnSiG und eine Verordnung, deren Entwurf gerade kursiert.
2. Die Gasumlage soll die Mehrkosten der Erdgasimporteure für die Gasbeschaffung gleichmäßig auf alle in Deutschland verkauften Erdgasmengen verteilen. Andere Kosten, auch die Indexentwicklung der letzten Monate, können je nach Preisgleitklausel und Versorgungsverhältnis unabhängig hiervon an Kunden gewälzt werden. Diese beiden Posten schließen sich nicht aus.
3. Die Umlage gilt zwischen dem 01.10.2022 und dem 01.04.2024.
4. Laut Entwurf gilt sie für alle Abnehmer unterschiedslos, es ist kein Rabatt für Großkunden vorgesehen.Wer also auf eine besondere Ausgleichsregelung gehofft hat, die für manche Abnehmer die Umlage begrenzt, wird zumindest in diesem Entwurf enttäuscht.
5. Im Entwurf sind geschätzte Beträge zwischen 1 und 5 Cent/kWh angegeben, aber es gilt kein Höchstbetrag. Wenn die Importeure deutlich höhere Summen melden als erwartet, kann die Umlage nach dem aktuellen Entwurf also auch deutlich höher ausfallen.
6. Die Importeure sollen ihre Mehrkosten an die THE melden, die berechnet die Gasumlage und veröffentlicht sie erstmals laut Entwurf zum 15.08.22. Ob das auf der Zeitschiene realistisch ist? Wir sind gespannt.
7. Die Höhe kann angepasst werden, aber zwischen zwei Anpassungen sollen immer mindestens 3 Monate liegen. Versorger und Letztverbraucher müssen also fortlaufend am Ball bleiben.
8. Die Umlage wird auf alle Gaskunden über die Bilanzkreisverantwortlichen verteilt, die die Umlage an die Letztverbraucher mit der Gasrechnung weiterverteilen.
9. Die Berechnungsgrundlagen sollen von Trading Hub Europe als Marktgebietsverantwortlichem im Internet publiziert werden.
10. Zur groben Orientierung: Bei einer Gasumlage von 3 ct/kWh würde auf ein Einfamilienhaus mit 30.000 kWh ein Zusatzbetrag von 900 EUR entfallen. Auf BASF entfielen 1.440.000.000 EUR.
Wie die endgültige Version aussieht, die nun greifen soll, werden die nächsten Wochen zeigen. Auch die Frage, welche Höhe die Umlage initial erreicht, wird sich schon bald herausstellen. Generell bleibt festzuhalten: Immerhin verteilen sich die Kosten nach dem Entwurf auf alle Gaskunden. Gleichwohl muss jeder Einzelne mit erheblichen Belastungen rechnen (Miriam Vollmer).
Gedanken zum neuen § 27 EnSiG – Genehmigungspflicht von Leistungsverweigerungsrechten
Über das Energiesicherungsgesetz im Allgemeinen und das darin enthaltene „Superpreisanpassungsrecht“ hatten wir bereits mehrfach berichtet. Heute wenden wir uns noch einmal einer weiteren besonderen Vorschrift dieses Gesetzes zu, die Aufmerksamkeit verdient – den § 27 EnSiG (lesen Sie dazu auch hier)
Der Wortlaut der Norm lautet:
§ 27 Beschränkung von Leistungsverweigerungsrechten aufgrund des Ausfalls kontrahierter Liefermengen
(1) Die Ausübung eines gesetzlichen oder vertraglichen Leistungsverweigerungsrechtes durch ein Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nummer 18 des Energiewirtschaftsgesetzes aus einem Vertrag über die Lieferung von Erdgas setzt, soweit es mit dem Ausfall oder der Reduzierung von Gaslieferungen unter von dem Energieversorgungsunternehmen abgeschlossenen Lieferverträgen begründet wird, die Genehmigung der Bundesnetzagentur voraus. Das Erfordernis der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur gilt nicht, wenn das Energieversorgungsunternehmen gegenüber der Bundesnetzagentur nachweist, dass eine Ersatzbeschaffung, unabhängig von den Kosten, unmöglich ist oder der Handel mit Gas für das deutsche Marktgebiet an der European Energy Exchange ausgesetzt ist. Sonstige Leistungsverweigerungsrechte bleiben unberührt.
(2) Die Bundesnetzagentur entscheidet auf Antrag über die Genehmigung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Marktes. Sie teilt ihre Entscheidung dem antragstellenden Energieversorgungsunternehmen mit. § 29 sowie Teil 8 des Energiewirtschaftsgesetzes sind entsprechend anzuwenden.
(3) Die Absätze 1 und 2 sind nur anzuwenden, solange die Alarmstufe oder die Notfallstufe nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 in Verbindung mit dem Notfallplan Gas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom September 2019, der auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlicht ist, besteht.
Während der Alarmstufe oder der Notfallstufe des Gasnotfallplans sollen Energieversorger demnach Leistungsverweigerungsrechte nur ausüben dürfen, wenn dies zuvor durch die Bundesnetzagentur genehmigt wurde. Die Genehmigung soll nicht erforderlich sein in Fällen der Unmöglichkeit – diese muss allerdings wiederum gegenüber der Behörde „nachgewiesen“ werden.
Die Regelung wirft einige Fragen auf: Was ist Prüfungsmaßstab der genehmigenden Behörde? Die Vorgabe „nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Marktes“ ist hier wenig erhellend. Unklar auch, ob die Behörde in diesem Zusammenhang auch zivilrechtlich prüft, ob rechtlich überhaupt ein Leistungsverweigerungsrecht besteht oder sich die Prüfung allein auf die Folgen der Ausübung für den Markt beschränkt.
Aus Sicht des Adressaten einer (genehmigten) Leistungsverweigerung stellt sich die Frage, ob man im Fall einer genehmigten aber gleichwohl unberechtigten Leistungsverweigerung zunächst die Genehmigung als Verwaltungsakt angreift oder zivilgerichtlich direkt auf Erbringung der Leistung klagen sollte. Möglich erscheint beides um die Leistungsverweigerung erfolgreich anzugreifen.
(Christian Dümke)
Die Anschlussleistung im Entwurf der AVBFernwärmeV
Oft, wenn auch nicht immer, besteht die Vergütung des Fernwärmeversorgers aus zwei selbständigen Preisbestandteilen: Dem Arbeitspreis, der die bezogene Wärme vergütet. Und dem Leistungspreis, der sich auf die Anschlussleistung bezieht, also das Maß an Wärmekapazität, die der Versorger für den Kunden bereitstellt.
Bis zur Neufassung der AVBFernwärmeV im Oktober 2021 blieb es nach dem damaligen § 3 AVBFernwärmeV während der gesamte Laufzeit eines Fernwärmeliefervertrags bei der vereinbarten Anschlussleistung. Ausnahmen gab es, wenn ein Kunde den Fernwärmebedarf reduzieren wollte, weil er auf regenerative Energieträger umsteigen wollte. Ansonsten galt: Vertrag ist Vertrag.
Seit 2021 ist die Anschlussleistung variabel. Sie kann einmal pro Jahr bis zu 50% verringert werden. Eine Begründung ist dafür nicht erforderlich. Für Versorger ist dies natürlich ein Problem: Wie viel Leistung insgesamt abgesichert werden muss, steht so nicht fest, was angesichts der hohen und langfristigen Investitionen riskant sein kann.
Mit einem neuen Regelungsvorschlag im aktuellen Entwurf der AVBFernwärmeV versucht das Ministerium nun einen Spagat. Nach Gutdünken soll der Kunde die Anschlussleistung nicht ändern können. Aber er soll auch nicht für hohe Anschlussleistungen zahlen, wenn er diese wegen energetischer Sanierungen längst nicht mehr braucht. Gegenüber der Fassung bis 2021 ebenfalls neu aufgenommen werden soll auch ein Anpassungsrecht im Anschluss- und Benutzungszwang bei überdimensionierten Anschlussleistungen (Miriam Vollmer).
Lenkungsfunktion und soziale Abfederung von Bewohnerparkgebühren
Die Gebühren für das Bewohnerparken werden in vielen Kommunen derzeit relativ stark angehoben. Davor waren sie vielerorts so lange stabil geblieben, dass die Kosten für das Parken in den letzten 15 – 20 Jahren wie ein Fels in der Brandung von Inflation erschienen. Im Vergleich dazu sind die Kosten für den ÖPNV im gleichen Zeitraum erheblich gestiegen. Das lag nicht an dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Stellplätze bzw. Verkehrsmittel. Vielmehr war bisher in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) eine Deckelung von gut 30 Euro pro Fahrzeug und Jahr vorgesehen. Diese Regelung ist nun aus guten Gründen aufgehoben worden, auch um die Wettbewerbsfähigkeit des ÖPNV zu sichern.
In Kommunen, die die Verkehrswende aktiv betreiben, wie z.B. Freiburg, wurden Gebührensatzungen erlassen, die die Gebühren nicht nur erheblich anheben, sondern auch ökologische Lenkungswirkung entfalten sollen und einen sozialen Ausgleich herstellen sollen. So soll dort für die Mehrheit der Kfz eine durchschnittliche Gebühr von 360,- EUR pro Jahr gezahlt werden. Je nach Länge der Fahrzeuge können jedoch auch Gebühren von 240,- EUR bzw. 480,- EUR fällig werden. Außerdem spielt für die Berechnung der Gebühr eine Rolle, ob ein Bewohner oder Haushalt bereits einen Bewohnerparkausweis für ein anderes Kfz beantragt hat. Unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. Bezug von Sozialleistungen oder eine mindestens 50% Behinderung, können die Gebühren auch reduziert werden.
Gegen diese Satzung hat ein Bewohner einer Freiburger Bewohnerparkzone einen Normenkontrollantrag verbunden mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Denn er war neben formalen Einwänden gegen die Satzung der Auffassung, dass die Parkgebühren auf unzulässige Weise umweltpolitisch instrumentalisiert würden, um Leuten das Autofahren zu verleiden. Außerdem sei auch die soziale Komponente der Gebührenberechnung nicht rechtens. Dadurch würden bestimmte Autofahrer privilegiert, was Grundsätzen des Verkehrsrechts widersprechen würde.
Das Gericht hat den Eilantrag in einem Beschluss abgelehnt. Die umweltpolitische Lenkungswirkung sei zulässig. Zwar seien Klimaschutz oder andere umweltrechtliche Zielsetzungen in der gesetzlichen Grundlage, § 6a Abs. 5a StVG nicht aufgeführt. Es handele sich hier jedoch auch nur um einen beispielhaften, offenen Katalog von Kriterien, die für die Bemessung der Gebühren eine Rolle spielen könnten. Im Übrigen habe der Gesetzgeber an anderer Stelle verschiedentlich zum Ausdruck gebracht, dass diese Zielsetzungen ein legitimer Zweck des Verwaltungshandelns sei.
Außerdem sei auch unter Äquivalenzgesichtspunkten, also unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für die Allgemeinheit und des wirtschaftlichen Nutzens für die Bewohner die Regelung nicht zu beanstanden. Dies zeigen vergleichbare Preise für private Stellplätze und der Nutzen, den die Bewohner aus den Parkmöglichkeiten ziehen können.
Auch was die sozialen Härtefallregelungen angeht, sei die Ausgestaltung der Gebühren rechtskonform. Dabei verweist das Gericht unter anderem auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit und Angewiesenheit bestimmer Nutzergruppen, die dadurch ausgeglichen werde (Olaf Dilling).