Kinder im Berliner Verkehr
Die Zahl der Kinder, die in Berlin im Verkehr verletzt werden, ist in den letzten Monaten stark angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr sind 50 % mehr Kinder verletzt worden, insgesamt dieses Jahr 730. Offenbar wird in Berlin aktuell zu wenig für Verkehrssicherheit getan. Das passt dazu, dass in den letzten Wochen vom Berliner Senat laut darüber nachgedacht wurde, Tempo 30 vor Schulen und Altenheimen auf den Prüfstand zu stellen. Allerdings ist dieser Vorschlag nach Protesten der SPD nun wohl wieder vom Tisch.
Stattdessen macht die Verkehrssenatorin Ute Bonde eine Werbe-Kampagne für 300.000 Euro, die an das „Monster“ im Verkehrsteilnehmer appelliert. Alle sollen ein bisschen weniger emotional und aggressiv unterwegs sein. Ob das die Eltern von Grundschulkindern beruhigen wird?
Es bleibt jedenfalls weiter bei der wohl einzigen Schulstraße in Berlin, in der Kfz-Verkehr zugunsten des Rad- und Fußverkehrs ausgesperrt bleibt. Und Geld für den Bau von bereits geplanten Fußgängerampeln ist oft nicht da, so dass Schulkinder oft zum Teil über mehrspurige Straßen ohne sichere Querungshilfen gehen müssen.
Immerhin hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin nun die Poller in der Fahrradstraße, die in der Tucholskystraße eingerichtet wurde, vor dem Abbau gerettet. Dort hatten Anwohner, Geschäftsleute und Gastronomen geklagt und einen Eilantrag gestellt, weil der Durchgangsverkehr gestoppt worden war. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin hatten sie zunächst recht bekommen. Das OVG entschied nun, dass wegen des gemeinsamen Rad- und Kfz-Verkehr eine qualifizierte Gefahrenlage bestanden hatte. Eine Fahrradstraße, die nicht nur von Anliegern, sondern auch von anderen Kfz-Führern ungehindert durchfahren werden kann, würde tatsächlich keine zusätzliche Sicherheit bieten. (Olaf Dilling)
THG-Quoten: Aussetzung der Übererfüllungen bis 2026
Das THG-Quotensystem nach § 37a ff. Bundes-Immissionschutzgesetz (BImSchG) ist ins Gerede gekommen: Durch den Zufluss von Upstream-Emissions-Reduktions-Projekten (UER) aus China wurde der Markt mit angeblichen Emissionsminderungen überschwemmt, die nicht einmal stattgefunden haben. Der Preisverfall für THG-Quoten im laufenden Jahr wird vor allem mit diesen Betrugsfällen in Verbindung gebracht.
Doch nicht nur die schwer überprüfbaren Auslandsprojekte beeinträchtigen die Wirksamkeit dieses Systems. Das Bundesumweltministerium (BMUV) sieht auch die Möglichkeit, Übererfüllungen in einem Verpflichtungsjahr ins nächste Jahr zu übertragen, als Hindernis für die Effizienz des Systems an. Zudem verbietet die dem Quotensystem zugrunde liegende EU-Richtlinie 2018/2001 zwar die Flexibilisierung durch Überträge ins Folgejahr im Verhältnis zwischen Unternehmen und Mitgliedstaat nicht, aber auf der Ebene der Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der EU findet der Übertrag nicht statt, so dass die Fehlmenge durch Zukäufe aus Steuermitteln im Ausland ausgeglichen werden muss. Deswegen will das Ministerium nun die 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung (38. BImSchV) kurzfristig ändern. Eine grundlegende Neuordnung des Quotensystems ist damit nicht verbunden, denn im nächsten Jahr steht ohnehin eine Reform an, weil die geänderte Richtlinie umgesetzt werden muss.
Die Lösung des Ministeriums ist simpel: Für zwei Jahre soll die Übertragung von Übererfüllungen ausgesetzt werden. Für 2025 und 2026 sollen nur Quoten des jeweiligen Jahres verwendet werden können. Damit tritt eine schnelle Verknappung ein, die den aktuellen Preisverfall stoppen soll. Doch verloren gehen sollen die Übererfüllungen nicht: Sie sollen auf Antrag für 2027 angerechnet werden. Offenbar hofft das Ministerium, dass die Verschiebung in die Zukunft durch die in der Richtlinie angelegte Steigerung der Verpflichtungen soweit kompensiert wird, dass der Preis nicht direkt wieder in den Keller geht (Miriam Vollmer).
BGH mit zwei neuen Entscheidungen zum Preiswiderspruch gegen Wärmepreisabrechnungen
Es gibt zwei neue Entscheidungen des BGH, die sich mit der Geltendmachung von unwirksamen Preisanpassungen des Wärmelieferanten durch den belieferten Kunden befasst.
Preisanpassungen bei Wärmelieferungen können unwirksam sein, wenn die dahinter stehende vertragliche Preisregelung gegen die gesetzlichen Vorgaben (insbesondere § 24 AVBFernwärmeV) verstößt. Der BGH hat hierzu im Rahmen der von ihm entwickelten Widerspruchslösung festgelegt, dass der Kunde in diesem Fall drei Jahre Zeit hat, einer Abrechnung die unzulässige Preiserhöhungen enthält zu widersprechen, andernfalls wird der dort abgerechnete Preis wirksam.
In einer neuen Entscheidung hat der BGH diese Widerspruchslösung noch um einen weiteren Gesichtspunkt ergänzt: Der für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Fällen entschieden, dass ein fristgerechter innerhalb von drei Jahren nach Erhalt der ersten Jahresabrechnung erhobener Widerspruch eines Fernwärmekunden gegen eine Preiserhöhung seine Wirkung wieder verliert, wenn der Kunde nicht spätestens innerhalb von drei Jahren nach dem Widerspruch klarstellt, dass er weiterhin an seiner Beanstandung festhält. (BGH, Urteile vom 25. September 2024, VIII ZR 165/21, VIII ZR 176/21 und VIII ZR 20/22).
Kunden können sich also nicht auf vorsorglich eingelegten Widersprüchen ausruhen sondern müssen diese entweder erneuern oder die daraus resultierenden Ansprüche rechtzeitig geltend machen.
(Christian Dümke)
Weniger Grillgeruch in Mannheim
Die Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg beschäftigen sich derzeit mit den Rauch- und Geruchsimmissionen von Grillrestaurants in der Mannheimer Innenstadt. Anwohner hatten sich seit Jahren belästigt gefühlt, so dass ein Gutachten erstellt wurde, aus dem sich ergab, dass die Werte der TA-Luft überschritten wurden. Daraufhin gab die zuständige Behörde aufgrund von § 24 Satz 1 BImSchG den Betreibern der Restaurants auf, binnen 6 Monaten die durch Abluftanlagen erfassten Rauch- und Geruchsemissionen um 90 % zu reduzieren. Dabei wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
Eines der Restaurants beantragte beim Verwaltungsgericht Karlsruhe die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und bekam zunächst Recht. Denn das VG sah es nach summarischer Prüfung nicht als erwiesen an, dass eine entsprechende Reduktion technisch möglich sei. Die Entscheidung wurde nun vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemburg auf Beschwerde der Antragsgegnerin revidiert. Denn zum einen konnte der Gerichtshof eine Firma ermitteln, die bereit war, mit einem Abgasfilter eine 90%ige Reduktion der Emissionen zuzusichern. Zum anderen kam der VGH zur Auffassung, dass das Interesse der Anwohner, die seit Jahren durch erhebliche Geruchsbelästigungen in ihrem Eigentum und bzw. oder Besitz beeinträchtigt werden, höher zu bewerten sei als das Suspensivinteresse der Antragssteller. Diese könnten der Anordnung der Behörde auf unterschiedliche Weise nachkommen. (Olaf Dilling)
Naturschutzrechtliche Ersatzmaßnahmen für Windenergieanlagen
Der dringend benötigte Ausbau von erneuerbaren Energien insbesondere auch von Windkraftanlagen – hakt und er bekommt an vielen Stellen umweltrechtlichen Gegenwind. Neben dem generellen Problem der Bewältigung von Vogelschutzanforderungen bewirken Windkraftanlagen Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds. Ob und wie diese ersetzt werden können, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 12. September 2024 – BVerwG 7 C 3.23 –) nun näher konturiert.
Hintergrund ist ein Rechtsstreit aus Brandenburg. Die Klägerinnen, die hier fünf Windenergieanlagen betreiben, wehren sich gegen die Seitens des Landesamts für Umwelt (LfU) geforderten Ersatzzahlungen für Eingriffe in das Landschaftsbild. Die vorgesehenen landschaftspflegerischen Begleitmaßnahmen, wie der Abriss leerstehender Stallgebäude und die Anlage neuer Gehölz- bzw. Heckenpflanzungen reichten dem LfU nicht. Grundlage ist hierfür die Erlasslage in Brandenburg, wonach Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen (nur) durch einen Rückbau von mastartigen Beeinträchtigungen oder Hochbauten (Mindesthöhe 25 Meter) ersetzt werden. Wenn man nicht also noch ein paar große Schornsteine findet, die man abreißen kann, wird es nichts mit dem Ersatz, auch nicht als Teilkompensation. Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg blieben erfolglos. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht brachte nun Erfolg. Aus Sicht der Leipziger Bundesrichter geht der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte rechtliche Maßstab über die Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinaus. Hiernach genügt für den Ersatz von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes in seiner Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie seines Erholungswerts eine gleichwertige Herstellung der betroffenen Funktionen. Anders als bei Ausgleichsmaßnahmen ist eine gleichartige Herstellung nicht erforderlich. Dem werden bei Windenergieanlagen nicht von vornherein nur Ersatzmaßnahmen gerecht, die auf die Beseitigung vertikaler Strukturen zielen. Auch Maßnahmen, die auf anderem Wege Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder Erholungswert einer Landschaft in dem betroffenen Naturraum steigern, kommen zur Kompensation in Betracht. Das BVerwG zeigt nun, dass nach dem BNatSchG eben doch mehr möglich ist. Es muss also nicht immer nur das Ersatzgeld sein. Die Entscheidung wird die Praxis mit Dank quittieren. Zu hoffen ist, dass dies in Brandenburg und auch in anderen Bundesländern zum Umdenken führt. (Dirk Buchsteiner)
Totgesagte leben länger: Die Rückkehr des Anschluss- und Benutzungszwangs
Die letzten Jahre galt er als hoffnungslos unmodern: Der Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärme. Zwar erlauben ihn mit nur leicht unterschiedlichen Voraussetzungen alle Bundesländer in ihren Gemeindeordnungen oder Kommunalverfassungen. Doch die meisten Gemeinden waren davon überzeugt, dass eine Verpflichtung, sich ans Fernwärmenetz anzuschließen und mit Fernwärme zu heizen nicht dem liberalen Zeitgeist entsprach. Es entstanden ja sowieso kaum mehr neue Netze.
Das jedenfalls ist vorbei. Das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) gibt vor, dass die Öl- oder Gasheizungen in den meisten Fällen durch Wärmepumpen oder Fernwärme ersetzt werden. Damit wächst die Bedeutung der Fernwärme. Konsequenterweise erlaubt es die Rechtslage heute, zur Begründung des Anschluss- und Benutzungszwanges auf den überörtlichen Belang „Klimaschutz“ abzustellen.
Doch Klimaschutzsatzungen, die den Fernwärmebezug vorgeben, sind vielfach weniger verbindlich als für den netzhydraulisch sinnvollen flächendeckenden Bezug erforderlich und sichern auch nur bedingt attraktive Preise durch Verteilung der Fixkosten auf möglichst viele Anschlüsse. Denn nach verbreiteter Rechtsprechung haben Eigentümer, die eine genauso klimafreundliche Heizung betreiben, Anspruch auf einen Dispens (vgl. VG Freiburg Urteil vom 16.06.2021 – 1 K 5140/18). Allerdings ist dies keineswegs alternativlos, insbesondere in Hinblick auf die beliebten Holzheizungen, die schon wegen der erheblichen lokalen Emissionen zu Unrecht als besonders umweltfreundlich gelten. Hier ist also Feinarbeit bei der Satzungsgestaltung gefragt.
Doch auch wenn manche Fernwärmesatzungen nicht so verbindlich sind wie viele glauben: Sie schaffen in vielen Kommunen die Grundlage für ein flächendeckendes Angebot, die Dekarbonisierung der Fernwärme als örtliche Gemeinschaft zu schultern. Dass nach langer Pause viele Kommunalpolitiker über dieses Instrument wieder nachdenken, ist insofern nur konsequent (Miriam Vollmer).