Landgericht Düsseldorf verurteilt Stromio in zwei Klageverfahren zu Schadenersatz für 52 Kunden
Das Landgericht Düsseldorf hat die Stromio GmbH in zwei von uns geführten Klageverfahren am 30. November 2023 zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von11.286,57 EUR und 13.077,34 EUR EUR verurteilt.
Geklagte hatte die VENEKO GmbH, die für 52 ehemalige Stromio Kunden aus abgetretenem Recht Schadenersatzforderungen wegen aus Sicht der Kunden unberechtigter Kündigung der Stromlieferverträge im Jahr 2021 geltend macht.
Es handelt sich bei den Urteilen vom 30.11.2023 zu den Aktenzeichen 14d O 23/23 und 14d O 25/23 um Versäumnisurteile, da die Stromio GmbH es vorgezogen hatte, sich nicht gegen die Klagen zu verteidigen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
(Christian Dümke)
Dreht Habeck nun den Saft ab?
An manchen Tagen wundert man sich. Wie können normale Leute wirklich glauben, Deutschland ginge der Strom aus und nun säße man künftig ab und zu einfach im Dunkeln? Tatsächlich verhält es sich – natürlich – anders:
Zunächst handelt es sich nicht um ein neues Gesetz oder eine Anordnung der Regierung. Sondern die über lange Monate abgestimmte Festlegung der Bundesnetzagentur (BNetzA) über die „Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen“. Die neue Festlegung ist auch keine Maßnahme, die auf einem generellen Mangel an Strom beruhen würde. Es geht vielmehr um die begrenzte Transportkapazität der Verteilnetze, also der lokalen Leitungsverbindungen. Diese müssen künftig mehr Strom transportieren, weil immer mehr Wärmepumpen und E‑Autos zusätzlich Strom benötigen. Diese Netze sollen ausgebaut werden, aber das dauert seine Zeit. Zudem erspart es Ausbaukosten, wenn sich der maximale Verbrauch zeitlich besser verteilt. Für den Laien: Man kann sich das ungefähr so vorstellen wie eine Straßenbahn, mit der auch mehr Passagiere transportiert werden können, wenn nicht alle um 8:45 versuchen, die M 4 nach Mitte zu besteigen. Deswegen bedurfte es einer neuen Regelung: Bisher durften Netzbetreiber nämlich wegen der begrenzten Netzkapazität den Anschluss verzögern oder verweigern. Verbraucher hätten sich deswegen dann keine Wärmepumpe oder kein E‑Auto kaufen können oder lange warten müssen. Das soll nun nicht mehr möglich sein. Jeder darf ans Netz.
Im Gegenzug darf der Netzbetreiber (nur) diejenigen Verbrauchseinrichtungen, die steuerbar sind, steuern, wenn für das lokale Netz ansonsten zu viel bezogen wird. Komplette Abschaltungen sind nicht mehr zulässig, aber er darf den Bezug vorübergehend reduzieren, minimal auf 4,2 kW. Es wird dann immer noch geheizt und immer noch das Auto geladen, aber eben nicht mehr so schnell. Der Verbrauch wird also zeitlich verlagert. Anders als manche Presseartikel suggerieren, geht es dabei nicht um den Haushaltsstrom. Es taut also weder die Tiefkühltruhe ab, noch geht auf einmal das Licht aus. Es gibt auch eine Extraregelung, wenn eigene Erzeuger vorhanden sind wie etwa die eigene PV-Anlage: Prosumer profitieren.
Den Benefit, den die Steuerbarkeit für das Netz – damit auch für die Netzentgelte – hat, darf der Netzbetreiber nicht gratis vereinnahmen. Die Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinheiten zahlen ein abgesenktes Netzentgelt, entweder pauschal oder ein reduzierter Arbeitspreis. Ab 2025 soll ein zeitvariables Netzentgelt möglich sein (die Festlegung der BK 8 hier).
Wem diese Regelungen bekannt vorkommen, der hat recht: Ganz ähnliche Regelungen gibt es schon lange für Industrieunternehmen. Hier honoriert § 19 Abs. 2 StromNEV neben der Bandlast auch die atypische Netznutzung, also dann zu beziehen, wenn die Netzlast ansonsten niedrig ist. Nichts Neues also unter der Sonne, aber eine Kombination aus der Ausnutzung von Vorteilen der Digitalisierung, um die Netzkosten zu reduzieren, und einer Reaktion auf die Elektrifizierung. Denn wenn bislang der Energieverbrauch eines Haushalts auch an der Tankstelle und über das Gasnetz gedeckt wurde, ist klar, dass das Netz reagieren muss, wenn auf einmal der gesamte Energiebedarf vieler Verbraucher übers Stromnetz kommt (Miriam Vollmer).
„Verkehrssicherheit ODER Klimaschutz“ – seriously?
Letzten Freitag sollte im Bundesrat über die geplante Reform von Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung abgestimmt werden. Leider kam, entgegen dem Votum des Fachausschusses, schon für die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes als Grundlage der Reform keine Mehrheit zustande. Die Begründung dafür ist einigermaßen verblüffend, denn es wurde unterstellt, dass die Maßnahmen der Verkehrswende, die durch die Reform ermöglicht werden sollen, sich zuungunsten der Verkehrssicherheit auswirken könnten.
Um zu verstehen, was passiert ist, ist es ausnahmsweise durchaus angezeigt sich mit einem politischen Modewort zu beschäftigen: Dem „Framing“. Gemeint ist ein sprachlicher Rahmen, der in einer politischen Debatte vorgegeben wird. Eine seit jeher beliebte diskursive Strategie ist es dabei, abwegige, unattraktive Alternativen zu konstruieren, um dann die eigene Lösung als allein seligmachend darzustellen. Ein Beispiel für eine solche manipulative rhetorische Strategie ist die Einteilung aller Mitmenschen in aktive Unterstützer oder Feinde, um indifferente Personen vor die Wahl zu stellen: Wer will sich gegenüber Anwesenden, denen man zuzuhören geneigt ist, schon als Feind outen? Also bleibt nur die Wahl, sie aktiv zu unterstützen, oder nicht? Nun, selbstverständlich gibt es immer auch die Möglichkeit, sich neutral zu verhalten oder differenzierend zu erwidern, dass man z.B. die Ziele einer politischen Unternehmung teilt, nicht aber deren Mittel. Logiker nennen dies auch eine „falsche Disjunktion“ und meinen damit einen Unterfall des Fehlschlusses. Was politische Akteure nicht davon abhält, sich dieser Strategie auf allen möglichen Politikfeldern ausgiebig zu bedienen.
Es ist also kaum verwunderlich, dass es eine solches, offensichtlich falsches Dilemma aktuell auch in der Verkehrspolitik gibt: Seit langem fordern viele deutsche Kommunen parteiübergreifend, dass Länder und Kommunen mehr Spielräume im Straßenverkehrsrecht brauchen, insbesondere bei der Ausweisung von Tempo 30-Zonen. Dies wurde im Koalitionsvertrag der Ampel aufgegriffen. Unter anderem sollten Beschränkungen des Verkehrs auch aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes, insbesondere des Klimaschutzes möglich sein. Inzwischen hatte der Bundestag einen Gesetzesentwurf für das StVG vorgelegt, dass die Regierung ermächtigt, die StVO entsprechend zu überarbeiten.
Dass dies bei Verfechtern einer uneingeschränkten Automobilität Besorgnisse erweckt, ist noch nachvollziehbar. Daher haben inzwischen die unionsregierten Bundesländer kalte Füße bekommen. Weniger nachvollziehbar ist, dass sie nun die Verkehrssicherheit ins Feld führen. Denn die Maßnahmen, die Umwelt- und Gesundheitsschutz im Verkehr befördern, dienen eigentlich ausnahmslos auch der Verkehrssicherheit. Wie gesagt, geht es zentral um die Möglichkeit, mehr 30er Tempolimits auszuweisen. Es ist bekannt, dass dies, insbesondere im Zusammenhang mit einer Verstetigung des Verkehrsflusses sowohl dem Klimaschutz als auch der Verkehrssicherheit dient. Die vermeintliche Alternative ist also gar keine.
Was ist also die Lösung? Wenn wir einen Rat geben könnten, dann wäre es einfach, die Rhetoriker beim Wort zu nehmen: Verkehrssicherheit und insb. „Vision Zero“, also die Vermeidung von Toten und Schwerverletzten, sollte möglichst prominent in das Straßenverkehrsgesetz und dann in die StVO aufgenommen werden. Falls es dann doch zu unvorhergesehenen Konflikten mit dem Klimaschutz käme, fiele die Verkehrssicherheit stark genug in die Waagschale. Selbst wenn sich die Länder im Bundesrat davon nicht überzeugen ließen, würde zumindest der Manipulationsversuch deutlich, wenn es am Ende doch um freie Fahrt für Kraftfahrer geht, nicht um die Sicherheit von Schulkindern im Verkehr. (Olaf Dilling)
Ende der Preisbremsen zum 31.12.2023!
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse zeigt erste praktische Auswirkungen: Nachdem Bundesregierung und Bundestag die Verordnung zur Verlängerung der Preisbremsen bis zum 31.03.2024 erst beschlossen hatten, soll es nun doch nicht dazu kommen: Am Freitag, den 24.11.2024 teilte der Finanzminister mit, dass der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds geschlossen würde, es ist also kein Geld zum Verteilen mehr da.
Was die Preisbremse 2024 angeht, so wäre es den Versorgern ohnehin schwer gefallen, die Verlängerung noch umzusetzen. Doch auch die Senkung der Netzentgelte sollte aus dem WSF fließen. Nun entfällt wohl auch diese.
Für die Praxis bedeutet das: Zum 01.01.2024 steht in jedem Fall eine Änderung der Preise für Letztverbraucher an, die umgesetzt werden muss. Auch die Netzbetreiber müssen die Änderung umsetzen. Die Fortsetzung der Absenkung der Umsatzsteuer ist wohl nicht betroffen. Genaueres ist noch nicht bekannt: Bisher gibt es nur ein Interview mit Lindner, was zu einem Rechtsinstitut, das zum nicht unerheblichen Teil per FAQ „geregelt“ wurde, einerseits passt, andererseits Ende November der allgemeinen Unübersichtlichkeit natürlich die Krone aufsetzt (Miriam Vollmer).
Verhandlungsbericht zu Musterfeststellungsklagen primastrom und voxenergie : „Kammergericht – andere Ansicht Kammergericht“
„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ – der Verfasser dieses Beitrages mag diesen geläufigen Spruch eigentlich nicht so gerne, da er eine Beliebigkeit der Rechtsprechung suggeriert die so nicht besteht.
Gestern allerdings fühlten auch wir uns dann zeitweise doch ein wenig wie auf hoher See, als wir nämlich faktisch direkt nacheinander zwei Verhandlungstermine am Kammergericht zu zwei Musterfeststellungsklagen wahrnahmen, bei denen es exakt um die selben Rechtsfragen ging – und zwei davon vom 16. Senat und vom 27. Senat des Kammergerichtes nach vorläufiger Einschätzung völlig unterschiedlich bewertet werden. Und das obwohl – wie man uns glaubhaft versicherte – beide Senate dazu vorab in kollegialem Austausch standen.
Dabei ging es zum Einen um die Frage, ob der § 313 BGB rechtlich ein „einseitiges gesetzliches Preisanpassungsrecht“ darstellt, auf das sich ein Energieversorger bei vorliegen der dortigen Tatbestandsvoraussetzungen berufen könne (Wegfall der Geschäftsgrundlage). Wir meinen nein und beriefen uns dazu auf eine entsprechende Entscheidung des OLG Düsseldorf , dessen Rechtsauffassung sich auch der 27. Senat des Kammergerichtes (vorläufig) anschließt – während der 16. Senat des Kammergerichtes vorläufig dazu neigt, diese Frage gegenteilig zu beurteilen.
Weiterhin war streitig, wie tief der Senat bei einer Musterfeststellungsklage in die Einzelfallprüfung der jeweiligen Kunden, die sich im Klageregister als Betroffene eingetragen haben, einsteigen muss. Wir meinen: gar nicht, weil alleine die ausreichende Anzahl von mindestens 50 Eintragungen in dieses Register eine formale Zulässigkeitsvoraussetzung der Musterfeststellungsklage ist. Dieser Auffassung ist auch der 27. Senat des Kammergerichtes. Der 16. Senat tendiert allerdings zu der Rechtsauffassung, dass das Feststellungsinteresse der Musterfeststellungsklage entfällt, wenn sämtliche registrierten Verbraucher bereits klaglos gestellt wurden. Und um diese Frage zu klären, müsse das Gericht sich im Zweifel diese Einzelfälle anschauen und damit inzident bereits eine Leistungsanspruchsprüfung der einzelnen Betroffenen vornehmen.
Wie gesagt, handelt es sich dabei nur um vorläufige Einschätzungen der Senate. Wir werden weiter berichten.
(Christian Dümke)
Das neue Klimaanpassungsgesetz
Der Klimawandel ist schon da und setzt sich weiter fort. Es ist nur noch offen, wie viel wärmer es in Deutschland wird. Manche sprechen sogar schon von 6°C, um die Deutschland wärmer wird, wenn weltweit die Temperatur um 3° C zunimmt. Deswegen kann Klimaschutzpolitik sich nicht nur darauf beschränken, die Emissionen zu senken. Sondern auch Anpassungsstrategien an eine veränderte Umwelt zu entwickeln. Um dies zu gewährleisten hat der Bundestag am 16.11.2023 ein Bundesklimaanpassungsgesetz verabschiedet (wir haben über den Entwurf schon berichtet).
Wer eine konkrete Strategie sucht, wird aber nicht fündig. Diese soll erst entwickelt werden, und zwar durch die Bundesregierung bis zum 30.09.2025, also einige Tage nach der voraussichtlich nächsten Bundestagswahl. Diese Strategie soll ausgesprochen breit ausfallen, und außer naheliegenden Themen wie Küstenschutz oder Stadtentwicklung auch Aspekte wie Gesundheitsschutz oder Finanzwirtschaft umfassen. Entwickelt werden sollen Ziele, Indikatoren und Maßnahmen.
§ 4 sieht eine Klimarisikoanalyse vor, die rollierend alle acht Jahre überarbeitet wird. Fortschritte sollen in regelmäßigen Monitoring-Berichten alle vier Jahre dokumentiert und veröffentlicht werden. Auf Basis des Monitorings wird dann die Anpassungsstrategie fortgeschrieben. In jedem Fall will der Bund mit seinen eigenen Liegenschaften mit gutem Vorbild vorangehen.
Ein wichtiger Punkt: Das Gesetz enthält ein Berücksichtigungsgebot bei Planungen und Entscheidungen durch die öffentliche Hand. Viele dieser Punkte sind bereits in anderen Fachgesetzen berücksichtigt, wie etwa der Hochwasserschutz oder der Schutz des Grundwassers. Neu ist aber vor allem der übergreifende Charakter: Bei allem, was Behörden tun, müssen sie mitbedenken, dass es wärmer wird und die Umwelt sich verändert. In diesen Kontext gehört auch ein – allerdings recht weiches – Entsiegelungsgebot.
Doch nicht nur der Bund soll aktiv werden: Auch die Länder müssen einen Umgang mit der Erderwärmung finden. Sie müssen eigene Strategien entwickeln und bis 2027 dem Bund vorlegen. Auch diese Strategien werden regelmäßig fortgeschrieben und Fortschritte berichtet. Auch die Pflicht zur Konzeptentwicklung gilt auch für die Länder.
Ausdrücklich gewährt das Gesetz keine individuellen Rechte. Es sollen also weder Bürger auf einen (besseren) Plan klagen können, noch Schadensersatz geltend machen können, wenn der Plan versagt und sie spezifisch durch den Klimawandel bedingte Schäden erleiden. In diesem Fall hätte vielleicht der Planungsträger versagt. Doch Bürger oder Unternehmen nützt das nichts (Miriam Vollmer).