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Stückwerk oder Puzzle? Schul­weg­si­cherheit und Straßenverkehrsrechtsreform

Damit etwas ins Rollen kommt, braucht es eine „kritische Masse“. Niemand weiß das besser als Mandaten von uns, die sich unter dem Namen Kidical Mass Aktions­bündnis unter anderem für Schul­weg­si­cherheit einsetzen und für die wir ein Gutachten und Leitfaden zu Schul­straßen verfasst haben. Abgeleitet ist dieser Name von dem großen Bruder der Initative, der „Critical Mass“, die regel­mäßig Veran­stal­tungen organi­sieren, bei denen sie sich auf § 27 Abs. 1 Satz 2 StVO berufen: „Mehr als 15 Rad Fahrende dürfen einen geschlos­senen Verband bilden.“

Eine kritische Masse kann es nicht nur aus Personen geben, die in einem Verkehrs­system plötzlich eine relevante Größe werden. Auch im Rechts­system selbst gibt es solche Phänomene. Normen die refor­miert werden und unver­bunden nur marginal was ändern würden, können inein­ander greifen und plötzlich größere Verän­de­rungen ermöglichen.

Zwei Vorschulkinder, die im Herbst Hand in Hand über einen Weg im Park laufen.

Weil es um Kinder und Schul­weg­si­cherheit geht, passt es vielleicht, von Puzzle­teilen zu sprechen: Aufgrund verschie­dener Detail­regeln wird es in manchen Fällen nun möglich, Schulwege im Ganzen verkehrs­sicher zu planen. Die Puzzle­teile fügen sich zu einem größeren Bild zusammen. Das geht nicht immer, denn manchmal bleiben doch noch Lücken. Aber es funktio­niert dank der Straßen­ver­kehrs­rechts­reform immer öfter!

In Pfaffen­hofen, einer oberbay­ri­schen Kommune, in der wir beraten haben, war es möglich, auf dem größten Teil des Vorfahrts­stra­ßen­netzes Tempo 30 anzuordnen. Und das jeweils mit guten Gründen, die auch die Staats­re­gierung in München akzep­tieren muss.

Von was für Puzzle­teilen sprechen wir? Im Wesent­lichen sind es fünf neue Regelungen:

  1. Aufwertung der Schul­we­ge­planung: Die Schul­we­ge­planung, die in vielen Bundes­ländern schon fest etabliert wird, wird straßen­ver­kehrs­rechtlich inzwi­schen besser aufgegriffen.
  2. Dies zeigt sich insbe­sondere bei hochfre­quen­tierten Schul­wegen: Denn an diesen sollen die Straßen­ver­kehrs­be­hörden nun in der Regel gemäß § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO Tempo 30 anordnen. Dies gilt auch an Landes‑, Bundes- und sonstigen Vorfahrts­straßen. Die Schul­we­ge­planung kann gemäß den Richt­linien der VwV-StVO festlegen, welche Routen als hochfre­quen­tiert betrachtet werden. Dies liegt nicht nur im Nahbe­reich der Schule nahe, sondern unter Umständen auch in Ortsteilen ohne Schule in der Nähe von Bushal­te­stellen, die von Schul­bussen frequen­tiert werden. Hier der O‑Ton der erst kürzlich überar­bei­teten Verwal­tungs­vor­schrift zur StVO:
    Hochfre­quen­tierte Schulwege sind Straßen­ab­schnitte, die innerhalb eines Stadt- oder Dorfteils eine Bünde­lungs­wirkung hinsichtlich der Wege zwischen Wohnge­bieten und allge­mein­bil­denden Schulen haben. Diese Wege können auch im Zusam­menhang mit der Nutzung des ÖPNV bestehen. Ihre Lage ist begründet darzu­legen. Sie kann sich auch aus Schul­weg­plänen ergeben, die von den betrof­fenen Schulen und der zustän­digen Straßen­ver­kehrs­be­hörde sowie gegebe­nen­falls Polizei und Straßen­bau­be­hörde erarbeitet wurden. Auf den Schul­wegen sind bei der Abwägung über die Geschwin­dig­keits­be­schränkung jedoch auch Querungs­hilfen und Sicher­heits­ein­rich­tungen zu berück­sich­tigen, z.B. Licht­zei­chen­an­lagen oder Absperrgitter.
  3. Eine besondere Bedeutung im Puzzle bekommen Fußgän­ger­überwege (Zebra­streifen). Denn neuer­dings sind auch sie ein Grund, Tempo 30 anzuordnen, was sich aus § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 10 StVO ergibt. Insbe­sondere kommt das laut VwV-StVO dort in Betracht, wo der Straßen­verlauf unüber­sichtlich ist oder wo typischer­weise damit gerechnet werden muss, dass Kraft­fahrer von sich aus nicht mit der Geschwin­digkeit herunter gehen, um ihre Bereit­schaft, Vorrang zu gewähren, zu signalisieren.
  4. Lücken­schlüsse zwischen Tempo 30-Zonen hat es auch bisher schon gegeben. Inzwi­schen sind diese jedoch auf 500 m ausge­dehnt worden. Da gibt es nun an vielen Orten ganz viele Puzzle­teile, die neu eingefügt werden können und das Bild des verkehrs­si­cheren Schulwegs vervollständigen.
  5. Schließlich gibt es noch das Center­piece: Die Schul­straße. Mit der Straßen­ver­kehr­rechts­reform hat sie nur indirekt was zu tun, auch wenn sie sich fast zeitgleich in Deutschland durch­ge­setzt hat. Es gibt jeden­falls immer mehr entspre­chende Projekte, nicht nur in NRW, wo es sogar einen Erlass dazu gibt. Durch die Bereit­stellung von angemes­senen Flächen für den Fuß- und Radverkehr, die neuer­dings gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 StVO möglich ist, gibt es aber auch eine weitere Grundlage für ihre Anordnung. Demnächst werden wir die Details in einer Neuauflage des Gutachtens oder Leitfadens hier vorstellen. (Olaf Dilling)

 

Wie geht es weiter – der Koali­ti­ons­vertrag zu Energie & Klima

Nun haben sie sich also auf einen Koali­ti­ons­vertrag geeinigt, die Spitzen von Union und SPD. Was hat die Regierung Merz/Klingbeil also in den nächsten vier Jahren vor?

Schwarz-Rot und das Klima

Inter­essant zunächst, was nicht drin steht: Weder will die nächste Bundes­re­gierung die Klima­ziele abschaffen oder abschwächen. Noch kommt die Atomkraft wieder. Hier hatte es im Vorfeld vor allem aus der Union auch andere Stimmen gegeben, diese haben sich nicht durch­ge­setzt. Es bleibt also bei den 65% 2030, 88% 2040 und Nettonull 2045. Die Koalition würde sogar eine Erhöhung im EU-Rahmen auf 90% 2040 unter­stützen, aber nur, wenn es für die Deutschen bei 88% bleibt.

Gleichwohl, auch wenn die Ziele bleiben, den Weg stellt die nächste Bundes­re­gierung sich bequemer vor, als die Ampel es vorge­sehen hatte. So sollen 3% des 2040-Zwischen­­ziels durch Zerti­fikate aus dem Ausland erfüllt werden können. Veteranen des Emissi­ons­handels erinnern sich an die CER und ERU aus inter­na­tio­nalen Klima­schutz­pro­jekten. Ob es so kommt, kann der Bund aller­dings nicht entscheiden, nur sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die EU von Art. 6 des Paris Agree­ments Gebrauch macht.

Emissi­ons­handel

Überhaupt sind die Spiel­räume Deutsch­lands beim Klima­schutz bekanntlich begrenzt. Anders als auch viele Medien vermuten, steht es schlicht nicht in Friedrich Merz‘ Macht, den Trans­for­ma­ti­ons­druck auf die Deutschen zu verringern: Für fossile Emissionen brauchen Industrie, Energie­wirt­schaft und ab 2027 auch die Verkäufer von Erdgas, Benzin, Diesel und Heizöl Emissi­ons­be­rech­ti­gungen, die in Brüssel budge­tiert worden sind. Die Bundes­re­gierung kann diesen finan­zi­ellen Anreiz, Gasheizung, Verbrenner oder Kohle­kraft­werke auszu­ran­gieren, nur sehr begrenzt kompen­sieren, beispiels­weise durch ein Klimageld, das wiederum aber nur als den guten Vorsatz, Einnahmen aus dem Emissi­ons­handel zurück­zu­geben, im Koali­ti­ons­vertrag auftaucht. Damit ist klar: Egal, wer regiert, fossile Techno­logien werden immer teurer. Nur für die Landwirt­schaft soll dies nicht gelten, denn hier bestimmen die Mitglied­staaten selbst, ob die Landwirte einbe­zogen werden.

Erneu­erbare Energien

Etwas richtig greifbar Neues ist für die Erneu­er­baren Energien nicht geplant. Diffus scheint auf, dass die neuen Herren nicht so intensiv auf Wind und Sonne fokus­sieren wollen, ohne aller­dings auszu­sprechen, wie dann der Ausbaupfad aussehen soll. Wie schon die Ampel will auch die GroKo Geneh­mi­gungen und Planungen erleichtern, Verfahren straffen und verein­fachen, auch vor Gericht, die Netzdien­lichkeit beim Ausbau mehr berück­sich­tigen und perspek­ti­visch komplett von der Einspei­se­ver­gütung zu Markt­fi­nan­zie­rungen kommen. Wirklich neu ist das aber nicht.

Immerhin: Auch wenn bekannt ist, dass der künftige Kanzler selbst Windkraft­an­lagen hässlich findet, bleibt es bei den Zwischen­zielen des Windflä­chen­be­darfs­ge­setzes für 2027, also den 1,4% bundesweit und offenbar auch bei den Landes­zielen. Das Ziel von 2% bundesweit 2032 soll noch einmal evaluiert werden. Verbessern will die nächste Bundes­re­gierung offenbar die regio­nalen Steue­rungs­mög­licheiten und Onsite PPA, begrenzen will sie Flächen­pachten und die Einbindung von Offshore-Windparks in auch grenz­über­schrei­tende Infra­struk­turen soll sich verbessern. Und: Das Geothermie-Gesetz soll nun doch kommen. Für Strom bringt das wohl kaum etwas, aber für Wärme ist der Plan interessant.

Energie­preise

Strom soll mindestens 5 Ct/kWh günstiger werden. Dafür soll die Strom­steuer abgesenkt werden und die Umlagen und Netzent­gelte reduziert. Die Strom­steu­er­senkung war schon ein Plan der Ampel, aber wie genau die Netze nun subven­tio­niert werden sollen, bleibt unklar. Sofern dies aus dem Sonder­ver­mögen Infra­struktur finan­ziert werden soll, stellt sich die Frage, ob die überhaupt eine Infra­struk­tur­ausgabe darstellt und nicht doch eine simple Konsumausgabe.

Diffus bleibt auch der Indus­trie­strom­preis, den die Koali­tionäre planen. Die Bandlast­aus­nahme soll – obwohl nicht netzdienlich – nun doch bleiben, die Gaspei­cher­umlage abgeschafft werden. Ansonsten will man die Quadratur des Kreises: Gas soll günstig einge­kauft werden, aber die Klima­ziele sollen einge­halten werden, was wegen des Emissi­ons­handels, der gas zwangs­läufig verteuert, einiger­maßen schwer vorzu­stellen ist, aber vielleicht setzen Union und SPD darauf, dass es bis zu den nächsten Wahlen noch keine wirklich schmerz­haften Effekte gibt.

Netze

Immerhin: Hoch lebe die Monster­trasse; es wird auf Freilei­tungen gesetzt, die deutlich günstiger und schneller zu errichten sind. Netzan­schlüsse sollen günstiger werden, was derzeit aller­dings ein deutlich kleineres Problem darstellt als die schiere Verfüg­barkeit für große Letzt­ver­braucher. Direkt­lei­tungen sollen offenbar künftig nicht auf 5 km begrenzt sein, und trotz der Bedenken vieler Ökonomen soll es bei einer einheit­lichen Strom­ge­botszone bleiben. Netzdien­liche Baumaß­nahmen werden forciert, etwa die Geneh­migung von Speichern, denen wie EE-Anlagen überra­gendes öffent­liches Interesse zukommen soll.

GroKo <3 Erdgas 

Die künftige Bundes­re­gierung setzt auf Erdgas. Bis 2030 sollen 20 GW Gaskraft­werke entstehen, also deutlich mehr als die Ampel sich vor allem aus finan­zi­ellen Gründen zugetraut hat. Sie dienen vor allem der Netzsta­bi­li­sierung, aber anders als die Regierung Scholz es wollte, sollen sie nicht nur Residu­allast abdecken, sondern auch die Preise senken, also markt­ori­en­tiert erzeugen. Das bedeutet natürlich: Es wird mehr emittiert, in der Tendenz steigen die CO2-Preise im ETS I, zumal nicht mehr die Rede davon ist, dass die Kraft­werke H2-ready sein sollen, wobei dies auch in der Kraft­werks­stra­tegie der Ampel zumindest kurzfristig mehr in die Abteilung frommer Wunsch als reale Erwartung gefallen sein dürfte.

Wasser­stoff kommt zwar eine wichtige Rolle zu. Die neuen Gaskraft­werke sollen aber offenbar durch CCS/CCU dekar­bo­ni­siert werden, um sie nicht direkt noch in den Dreißigern mangels Emissi­ons­be­rech­ti­gungen wieder einmotten zu müssen. Das KSpG war ja bereits im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren, auch die nächste Bundes­re­gierung will hier die Basis für Abschiebung und Verpressung von CO2 schaffen, und dies sowohl an Land als auch unter dem Meer. 

Doch auch wenn Erdgas wieder auf mehr Gegen­liebe stößt als in den letzten Jahren: Kohle kommt nicht wieder. Es bleibt beim Ausstieg 2038, so, wie derzeit gesetzlich vorgesehen.

Effizienz und Wärme

Auch bei der Wärme­ver­sorgung will die GroKo länger am Gas festhalten und die Netze konser­vieren, während sie durch eine Verste­tigung der Bundes­för­derung für effiziente Wärme­netze den Ausbau der Fernwärme fördert. Immerhin soll auch das KWKG novel­liert werden, die durch das Ende der Ampel unter­bro­chenen Neure­ge­lungen von AVBFern­wärmeV und WärmeLV sollen fortge­setzt werden, und das EnEfG soll offenbar auf das EU-Mindestmaß zurück­ge­schnitten werden.

Das „Heizungs­gesetz“ soll abgeschafft werden, was insofern überrascht, als dass ein Gesetz dieses Namens nicht existiert. Bisher wurde der Begriff stets als Synonym für das Gebäu­de­en­er­gie­gesetz (GEG) genutzt, das aber keineswegs abgeschafft werden soll, sondern nur novel­liert. Es soll techno­lo­gie­of­fener, flexibler und einfacher werden, was insofern heraus­for­dernd sein dürfte, als dass die umstrit­tenen § 71 GEGff. bereits heute keine techno­lo­gische Festlegung enthalten. Immerhin soll der Heizungs­tausch künftig auch gefördert werden, und energe­tische Sanie­rungen von der Steuer abgesetzt werden können. Hier wird man sehen, was angesichts der demnächst umzuset­zenden Gebäu­de­richt­linie (EPBD) überhaupt möglich ist. Gut denkbar, dass das Neben­ein­ander von EPBD und Emissi­ons­handel dazu führt, dass in der Praxis sich gar nicht so viel ändert oder der faktische Druck zum Heizungs­tausch sogar wächst.

Was halten wir davon?

Nach einem Wahlkampf, in dem es verhält­nis­mäßig viel um Energie­po­litik ging, hätte man mehr Neues erwartet. Statt dessen werden viele Ideen und Vorhaben der Ampel schlicht weiter­ge­führt. Es verschieben sich angesichts der hochge­spannten Erwar­tungen vieler Anhänger – und der Befürch­tungen mancher Gegner – eher Akzente, denn die treibenden Instru­mente der Trans­for­mation kommen aus Brüssel und können von den Deutschen nicht einfach abgeändert werden (Miriam Vollmer).

BGH zur Ersatz­ver­sorgung in der Mittel­spannung: Zuord­nungs­pflicht des Netzbe­treibers an den leistungs­fä­higsten Lieferanten

Über das Wesen der gesetz­lichen Ersatz­ver­sorgung, die immer dann greift, wenn eine Letzt­ver­braucher Strom oder Gas entnimmt, diese aber keiner vertrag­lichen Lieferung zugeordnet werden kann, hatten wir bereits hier schon einmal grund­sätzlich geschrieben.

Aller­dings gilt der Rechts­rahmen der gesetz­lichen Ersatz­ver­sor­gungs­pflicht durch den örtlichen Grund­ver­sorger ausdrücklich nur im Bereich der Nieder­spannung (Strom) bzw. des Nieder­drucks (Gas). Für Kunden auf einer höheren Anschluss­stufe (Mittel­spannung) war die Zuordnung der Energien­ent­nahme im Ersatz­ver­sor­gungsfall daher oft fraglich. Eine analoge Anwendung der Ersatz­ver­sorgung auf die Mittel­spannung scheidet jeden­falls nach einer aktuellen Entscheidung des BGH aus (BGH, 17.09.2024, EnZR 57/23).

Aber wer muss dann für den Energie­ver­brauch des vertrags­losen Mittel­span­nungs­kunden bilan­ziell einstehen, wenn nicht der Ersatz­ver­sorger? Wir hätten jetzt nach dem Ausschluss­prinzip auf den Netzbe­treiber getippt, aber der BGH löst das in einer Entscheidung aus September 2024 anders.

 

Besteht für eine Entnah­me­stelle kein Liefer­ver­hältnis (mehr) und droht deshalb eine Versor­gungs­lücke, ist eine diskri­mi­nie­rungs­freie Zuordnung nach sachlichen Kriterien erfor­derlich. Die Zuordnung beinhaltet für den betref­fenden Liefe­ranten eine Erwerbs­chance. Sie führt zwar zunächst nur zur wirtschaft­lichen Einstands­pflicht des Liefe­ranten der an solchen Liefer­stellen entnom­menen Strom­mengen. Er muss sie unabhängig davon, ob er sich bei dem Nutzer der Liefer­stelle schadlos halten kann oder nicht, auf eigene Kosten beschaffen oder dem Übertra­gungs­netz­be­treiber als Ausgleichs­en­ergie vergüten“

Das bedeudet, dass ein Lieferant für diese „außer­ge­setz­liche Ersatz­ver­sorgung“ einstehen muss – aber nicht zwingend der Ersatz­ver­sorger. Vielmehr muss eine „diskri­mi­nie­rungs­freie Zuordnung nach sachlichen Kriterien“ erfolgen. Und diese Zuordnung muss der Netzbe­treiber treffen, denn die Markt­lo­kation auch während eines vertrags­losen Zustands zwingend einem Bilanz­kreis zuzuordnen. Der BGH führt aus:

Jeden­falls für eine zur Umsetzung der Sperrung erfor­der­liche Übergangszeit bedarf es einer Bilanz­kreis­zu­ordnung der betrof­fenen Liefer­stellen. Die Zuordnung muss der Netzbe­treiber diskri­mi­nie­rungsfrei nach sachlichen Kriterien vornehmen, wobei er insbe­sondere die Netzsta­bi­lität, die Versor­gungs­si­cherheit und sonstige Inter­essen der betrof­fenen Letzt­ver­braucher berück­sich­tigen muss. Es ist daher sachlich gerecht­fertigt, wenn ein Netzbe­treiber sie einem Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen zuordnet, das aus seiner Sicht nach den vorste­henden Kriterien voraus­sichtlich am besten in der Lage ist, die Versorgung kurzfristig sicherzustellen.“

(Christian Dümke)

Von |11. April 2025|Kategorien: Allgemein|0 Kommentare

Koali­ti­ons­vertrag 2025: Was ist mit der Kreislaufwirtschaft?

Verant­wortung für Deutschland“ – hiermit ist der Koali­ti­ons­vertrag von CDU/CSU und SPD überschrieben. Die neue Koalition legt damit ihre Leitlinien für die 21. Legis­la­tur­pe­riode fest. Doch ob hier wirklich ein zukunfts­wei­sender Wandel einge­leitet wird – wie allent­halben beschworen – bleibt abzuwarten. Im Folgenden werfen wir einen detail­lierten Blick auf die Positionen der neuen Regierung mit Blick auf das Kreis­lauf­wirt­schafts­recht, beleuchten die Stärken und kriti­sieren deutliche Defizite.

Das Thema Kreis­lauf­wirt­schaft wird als zentraler Pfeiler der Ressour­cen­ef­fi­zienz darge­stellt. Das ist für sich genommen nicht innovativ. Konkret jedoch sollen auf Basis der Natio­nalen Kreis­lauf­wirt­schafts­stra­tegie ein Eckpunk­te­papier mit kurzfristig reali­sier­baren Maßnahmen entwi­ckelt und konkrete Reformen – etwa am § 21 Verpa­ckungs­gesetz – in die Wege geleitet werden. Außerdem wird das chemische Recycling in die bestehende Abfall­hier­archie integriert und der Einsatz von Rezyklaten gefördert. Diese Ansätze passen in das heutige Verständnis einer ressour­cen­scho­nenden, zirku­lären Wirtschaft, die nicht nur Abfall minimiert, sondern auch neue Geschäfts­mo­delle wie Shared Economy und innovative Recycling­tech­no­logien unterstützt.

Doch so schön das Bekenntnis klingt: Der Koali­ti­ons­vertrag selbst bleibt natur­gemäß in vielen Punkten vage. Doch wie die Reise vonstat­ten­gehen soll ist ungewiss. Es wird zwar eine grund­sätz­liche Moder­ni­sierung (auch ja und natürlich auch Maßnahmen zur Beschleu­nigung von Verfahren) und Ambition in der Umwelt­po­litik signa­li­siert – doch konkrete Maßnahmen, messbare Ziele und zeitliche Vorgaben fehlen bislang größten­teils. Verbände wie der Bundes­verband Nachhaltige Wirtschaft e.V. kriti­sieren, dass der notwendige „Impuls“ für einen echten Hochlauf zirku­lärer Prozesse und den Aufbau markt­wirk­samer Anreiz­systeme zu wünschen übrig­lässt. Die legis­lativ vorge­se­henen Reformen im Verpa­ckungs­be­reich sind begrü­ßenswert, wenn man bedenkt, dass sie Poten­ziale zur Einsparung von Rohstoffen, zur Senkung von Treib­haus­gas­emis­sionen und zur Schaffung neuer Arbeits­plätze bieten. Doch geht es auch darum, die EU-Verpa­­ckungs­­­ver­­­ordnung richtig und vor allem nicht überschießend umzusetzen.

Kritisch fällt insbe­sondere auf, dass der Koali­ti­ons­vertrag – trotz vieler Versprechen – dann irgendwie doch den Mut zur Moder­ni­sierung der Wirtschaft (und auch der Kreis­lauf­wirt­schaft) vermissen lässt. Berech­tigte Zweifel säht hier aus Praxis­sicht insbe­sondere das Bekenntnis zur Abschaffung der Bestellung von Betriebs­be­auf­tragten und dazu, den Schulungs‑, Weiter­­bil­­dungs- und Dokumen­ta­ti­ons­aufwand signi­fikant reduzieren. Über den Dokumen­ta­ti­ons­aufwand können wir reden, alles andere ist jedoch Symbol­po­litik aus Schilda (wir berich­teten hier) und gerade kein Bürokratieabbau.

Konkrete Zielvor­gaben wie Inves­ti­ti­ons­vo­lumina oder Innova­ti­ons­an­reize bleiben offen. Da ist auch in der Natio­nalen Kreis­lauf­wirt­schafts­stra­tegie noch Luft nach oben. Wird die neue Regierung konkrete, messbare Maßnahmen definieren, ausrei­chende finan­zielle Mittel bereit­stellen und die Zusam­men­arbeit mit der Industrie und den Kommunen in die Wege leiten? Die kommenden Monate werden zeigen, ob Deutschland mit der neuen schwarz-roten Koalition in Sachen Kreis­lauf­wirt­schaft wirklich zukunfts­fähig wirtschaften kann – oder ob das Thema erneut politisch schön geredet, aber praktisch zu wenig umgesetzt wird. Schöne neue Regelungen bringen schließlich auch nichts, wenn sie in der Praxis nur noch mehr Probleme machen (hallo EBV!) Die neue Regierung steht also vor einer großen Heraus­for­derung: Zwischen politi­schen Bekennt­nissen und der Realität der Umsetzung muss ein echter Trans­for­ma­ti­ons­prozess gestartet werden. Nur dann kann sicher­ge­stellt werden, dass Deutschland nicht nur ökolo­gisch, sondern auch wirtschaftlich nachhaltig aufge­stellt ist. (Dirk Buchsteiner)

Weitere Möglich­keiten für Parkraumbewirtschaftung

Die Straßen­ver­kehrs­rechts­reform von letztem Jahr hat nicht nur mehr Spiel­räume für Kommunen beim Anordnen von T 30 gebracht. Dahinter tritt in der öffent­lichen Aufmerk­samkeit manchmal etwas zurück, dass sich auch die Möglich­keiten für Parkraum­be­wirt­schaftung erweitert haben. Nachdem bisher nur dort Bewoh­ner­parken angeordnet werden konnte, wo bereits erheb­licher Parkdruck herrscht, gibt es nun weitere Möglichkeiten:

  • Erstens betrifft das nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO Quartiere, in denen aktuell zwar kein erheb­licher Parkdruck vorhanden ist, dieser aber für die Zukunft droht,
  • Zweitens ist es nun nach § 45 Abs. 1b Satz 2 StVO auch zur Vermeidung von schäd­lichen Auswir­kungen auf die Umwelt oder zur Unter­stützung der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung möglich.

Die Voraus­set­zungen ergeben sich aus der neuen Fassung der Verwal­tungs­vor­schrift zur StVO. Diese ist inzwi­schen von Regierung und Bundesrat beschlossen worden, wurde nur noch nicht im Bundes­an­zeiger verkündet. Für die Erwei­te­rungs­mög­lich­keiten ergeben sich konkrete Details:

Ein erheb­licher Parkraum­mangel droht, wenn aufgrund konkre­ti­sierter städte­­baulich- verkehrs­pla­ne­ri­scher Erwägungen zu erwarten ist, dass diese Schwelle in den nächsten Jahren überschritten werden wird (z. B. aufgrund der Einführung von Parkraum­be­wirt­schaf­tungs­maß­nahmen in angren­zenden Gebieten, abseh­barer Bauvor­haben, Reduktion von Parkmöglichkeiten)

Bemer­kenswert ist daran, dass der Parkraum­mangel aus Gründen drohen kann, die auch in der Hand der Verwaltung liegen, etwa eine Reduktion von Parkmög­lich­keiten. Beispiels­weise kann die Verwaltung bei der Einrichtung einer Fahrrad­straße vorher vorhandene Parkplätze streichen, um die Mindest­breite sicher­zu­stellen. Da dadurch Parkdruck in der betref­fenden und benach­barten Straßen droht, lässt sich eine Bewoh­ner­parkzone ausweisen oder erweitern.

Zu den neuen Zielen des Umwelt­schutzes und der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung findet sich in der aktua­li­sierten Verwal­tungs­vor­schrift Folgendes:

Werden Bewoh­ner­park­vor­rechte zur Vermeidung von schäd­lichen Auswir­kungen auf die Umwelt oder zur Unter­stützung der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung angeordnet, müssen sie auf einem Parkraum­konzept beruhen, aus dem sich die verfolgten städte­bau­lichen Ziele oder zu vermei­denden schäd­lichen Umwelt­aus­wir­kungen ergeben. Die Parkraum­kon­zepte können sich auch auf räumliche Teilge­biete beschränken.

Eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs ist dann nicht mehr Voraus­setzung. Aller­dings muss die Leich­tigkeit des Verkehrs weiter berück­sichtigt werden. Das kann auch dadurch geschehen, dass sie bereits in die Abwägung bei der Erstellung des Parkraum­kon­zepts einbe­zogen wird.

Insgesamt ergeben sich aus der Verwal­tungs­vor­schrift nun einige neue Möglich­keiten zur Einrichtung und Erwei­terung von Bewoh­ner­park­zonen, die Kommunen mehr Möglich­keiten geben. Durch die Privi­le­gierung der Bewohner und die Bewirt­schaftung des öffent­liche Straßenraum können Nutzungs­kon­kur­renzen besser gelöst werden. Dies betrifft die Verkehrs­arten des Umwelt­ver­bunds als auch blau-grüne Infra­struktur. (Olaf Dilling)

Von |9. April 2025|Kategorien: Allgemein|0 Kommentare

Preis­bremsen: Letzte Runde zum 31. Mai 2025

Haben Sie auch das Gefühl, die Geschichte hätte gerade einen Turbo angeworfen? Dann geht es Ihnen wie uns. Doch auch wenn sich die Energie­preis­krise 2022/2023 anfühlt, als sei sie schon richtig lange her, die Preis­bremse beschäf­tigen Versorger immer noch. Immerhin: Die hoffentlich letzte Runde steht bevor.

Endab­rechnung Gas & Wärme

Erdgas­lie­fe­ranten und Wärme­ver­sorger müssen bis zum 31.05.2025 ihre Endab­rechnung vorlegen. Wer Voraus­zah­lungen erhalten hat, muss diese ausweisen, wer keine oder zu wenig Voraus­zah­lungen verein­nahmen konnte, stellt nun einen letzten Antrag auf Prüfung und Auszahlung. Wurde zu viel Voraus­zahlung geleistet, muss der überschüssige Betrag zurück­ge­zahlt werden. Die Antrags­for­mulare sind so selbst­er­klärend, dass das BMWK vor einigen Tagen ein weiteres Mal neue FAQ vorgelegt hat, in dem es Punkt für Punkt erklärt, wie vorzu­gehen ist. Es gibt auch eine veröf­fent­lichte Präsen­tation aus März 2025. Neu hier unter anderem: Ausdrück­liche Ausfüh­rungen, nach denen Eigen- und Regie­be­triebe „ihre“ Körper­schaft nicht entlasten durften. Diese Frage­stellung tauchte bereits bei der Sofort­hilfe 2022 auf, es gibt auch bei der Gas- und Wärme­preis­bremse gute Argumente, dies durchaus auch anders zu sehen.

Wirklich keine Nachzahlung bei Strom?

Immer noch ungeklärt ist die Frage, ob es wirklich keine Nachzah­lungen nach dem StromPBG gibt. Dies betrifft Unter­nehmen, die bei der Ermittlung ihrer Höchst­grenzen in den vorläu­figen Selbst­er­klä­rungen für die Hilfen eher konser­vativ vorge­gangen sind, und im Nachhinein bei der finalen Selbst­er­klärung 2024 feststellten, dass ihnen mehr zugestanden hätte. An sich hätte man erwartet, dass es sich schon aus dem vorläu­figen Charakter der zuerst abgege­benen Selbst­er­klä­rungen ergibt, dass am Ende alles auch ganz anders aussehen kann. Aber BMWK und Prüfbe­hörde beharren darauf, dass es keinen Nachschlag geben soll. Dabei liegt es nahe, dass der Gesetz­geber schnelle, dafür nicht abschlie­ßende Zahlungen ermög­lichen wollte, es aber nicht bestrafen wollte, wenn ein Unter­nehmen dabei vorsichtig vorge­gangen ist.

Hier haben wir betrof­fenen Unter­nehmen regel­mäßig empfohlen, Zahlungs­an­sprüche gegen ihre Versorger geltend zu machen, die diese dann über die Übertra­gungs­netz­be­treiber an den Bund weiter­reichen sollten. Diese etwas umwegige Kette ist im StromPBG angelegt. Sofern dies noch nicht geschehen ist, sollten die betrof­fenen Letzt­ver­braucher nun eine Entscheidung treffen, wie mit der Sache umzugehen ist, denn auch hier gibt es eine Frist für eine Endab­rechnung für die Versorger, die noch nicht zum 31.05.2024 – dies sah das StromPBG vor – endab­rechnen konnten: Sie sollen zum 31.05.2025 die Endab­rechnung einreichen, wie das BMWK im März 2024 erklärt hat. Da Versorger kaum Entlas­tungen gewähren werden, die sie nicht weiter­reichen können, ist dieser Termin der wohl letzte, zu dem der Anspruch sinnvol­ler­weise geltend gemacht werden kann, um dann im Verhältnis zwischen Kunde und Versorger bzw. Versorger und ÜNB geklärt zu werden.

Okay, zumindest die letzt­ge­nannte Klärung legt es nahe, dass zumindest für einige Unter­nehmen die Strom­preis­bremse auch nach dem 31.05.2025 ein Thema bleibt. (Miriam Vollmer)

 

Von |4. April 2025|Kategorien: Strom|Schlag­wörter: |0 Kommentare