BGH entscheidet zur Gestaltung des „Markt­ele­mentes“ in Wärmepreisklauseln

Die Preis­ge­staltung in Fernwär­me­lie­fer­ver­trägen im Sinne der AVBFern­wärmeV ist immer wieder Gegen­stand recht­licher und gericht­licher Ausein­an­der­setzung. § 24 AVBFern­wärmeV verlangt für die Gestaltung von Preis­an­pas­sungs­klauseln durch den Wärme­lie­fe­ranten die Verwendung eines sogenannten Kosten­ele­mentes, dass die Kosten­ent­wicklung des zur Wärme­er­zeugung einge­setzten Brenn­stoffes wider­spiegelt und zusätzlich ein Markt­element, dass die allge­meine Preis­ent­wicklung auf dem Wärme­markt wider­spiegelt. Kosten­element und Markt­element sind dabei von gleicher Bedeutung, sollten also mit gleicher Gewichtung in die Preis­be­stimmung eingehen. Fehlt eines dieser beiden Elemente ist die Klausel unwirksam.

Dabei war in der Vergan­genheit nie eindeutig geklärt, wie genau das Markt­element denn aussehen muss. Der BGH hatte lediglich entschieden, dass der darin zu berück­sich­ti­gende Wärme­markt sich dabei auf andere Energie­träger, als den tatsächlich im Rahmen des Kosten­ele­mentes einge­setzten Brenn­stoff erstreckt (BGH, 13.07.2011, VIII ZR 339/10; BGH, 01.06.2022, VIII ZR 287/20). Hierdurch soll  dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die Gestaltung der Fernwär­me­preise „nicht losgelöst von den Preis­ver­hält­nissen am Wärme­markt vollziehen kann“ (BR-Drucks. 90/80, S. 56 [zu § 24 Abs. 3 AVBFern­wärmeV aF]).

Nun jedoch hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 27.09.2023, Az. VIII ZR 263/22 festge­stellt, dass eine Preis­klausel, die auf den Wärme­preis­index des Statis­ti­schen Bundes­amtes Bezug nimmt das gesetzlich gefor­derte Markt­element in ausrei­chendem Maße abbildet. Für viele Fernwär­me­ver­sorger herrscht damit ein wenig mehr Rechts­klarheit, was die Umsetzung der gesetz­lichen Forde­rungen angeht. In der Vergan­genheit waren öfter Preis­klauseln durch Gericht für unwirksam erklärt worden, weil das Markt­element fehlte.

(Christian Dümke)

2024-01-26T12:06:24+01:0026. Januar 2024|Rechtsprechung, Wärme|

Endschafts­re­gelung nicht vergessen: BGH zu Fernwär­menetz Stuttgart

Das Urteil des BGH-Kartell­senats (Urt. v. 5.12.2023 – KZR 101/20) hat im langjäh­rigen Streit der Landes­haupt­stadt Stuttgart mit der EnBW um das Fernwär­menetz eins geklärt: Eigen­tü­merin des Netzes ist die EnBW. Die Landes­haupt­stadt kann keine Übereignung oder gar den Rückbau des Netzes fordern. Damit ist zumindest ein möglicher Ausgang des Verfahrens, den beide Parteien wohl nicht gewollt hätten, vom Tisch: Das zwischen 1994 und 2013 bis auf 218 km ausge­baute Fernwär­menetz mit einer Versor­gungs­ka­pa­zität für rund 25.000 Haushalte, ca. 1.300 Unter­nehmen und 300 öffent­liche Gebäude zu beseitigen.
Andere Facetten des Urteils dürften aller­dings weiterhin zu Heraus­for­de­rungen auf dem Weg zur einver­nehm­lichen Gestaltung der Stutt­garter Fernwär­me­ver­sorgung führen, denn zugleich hat die EnBW für die Zukunft keinen kartell­recht­lichen Anspruch auf die erneute Einräumung von Wegenut­zungs­rechten zum Betrieb des Fernwär­me­netzes. Diesen hatte sie im Wege der Wider­klage verfolgt.

Rückblick – Konzes­si­ons­vertrag ohne Endschaftsregelung

Was bisher geschah: 1994 wurde – noch zwischen Stadt und kommu­nalem Versorger, der später die Betei­ligung der Stadt verlor und seit nunmehr rund 20 Jahren Teil des EnBW-Konzerns ist – ein Konzes­si­ons­vertrag geschlossen: Bis zum Ende der Vertrags­laufzeit 2013 räumte dieser dem Versor­gungs­un­ter­nehmen Wegenut­zungs­rechte für die Verlegung und den Betrieb des Fernwär­me­netzes ein. Nicht geregelt wurde, wer nach dem Ausbau und dem Ende der Vertrags­laufzeit das Eigentum an den Anlagen erhalten sollte.

Nun ist diese sogenannte Endschafts­re­gelung – sozusagen und juris­tisch ganz und gar unsauber – der Ehevertrag der langfris­tigen Vertrags­be­zie­hungen. Eine Endschafts­re­gelung kann Konflikte nicht verhindern. Aber jeden­falls haben alle Seiten die Sicherheit, dass man über das Einge­machte schonmal ehrlich gesprochen hat, als noch alles gut war. Endschafts­re­ge­lungen gehören in jeden Betrei­ber­vertrag, wenn eine Vertrags­partei über lange Zeit teure Infra­struktur aufbaut. Das kann in nahezu allen Versor­gungs­be­reichen der Fall sein, wenn neue Netze errichtet werden müssen.

Stuttgart hatte 2011, 2 Jahre vor Vertragsende, mit der Infor­mation über die Bestre­bungen, die Wegenut­zungs­rechte erneut zu vergeben – oder aber, das Wärmenetz zu rekom­mu­na­li­sieren – begonnen.

Rechts­streit

Nach Zwischen­schritten, stockenden Verhand­lungen und dem sich anschlie­ßenden Rechts­streit erging 2019 ein erstes Urteil des LG Stuttgart (Urt. v. 14.02.2019 – 11 O 225/16). Die Landes­haupt­stadt hatte erstmals auf Übereignung des Fernwär­me­netzes, die EnBW in Wider­klage auf einen neuen Wegenut­zungs­vertrag geklagt. Das Landge­richt verneinte einen Anspruch der Stadt auf Übereignung – sowie den Hilfs­antrag auf Besei­tigung – der Leitungen und gab der Wider­klage statt.
Die 2020 nachfol­gende Entscheidung des OLG Stuttgart (Urt. v. 26.3.2020 − 2 U 82/19) führte ins Patt: Zwar bestä­tigte das OLG die erstin­stanz­liche Auffassung, dass weder das Eigentum an den Anlagen automa­tisch an die Stadt übergangen, noch ein Anspruch hierauf entstanden sei. Es sah anders als das Landge­richt aller­dings einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB – die Leitungen auf und in den Grund­stücken der Stadt müssten durch die EnBW entfernt werden. Auch hinsichtlich des Wider­kla­ge­an­trags änderte das OLG das Urteil: Entgegen der Auffassung in erster Instanz stehe der EnBW keine Abgabe eines Angebots für einen neuen Wegenut­zungs­vertrag durch die Landes­haupt­stadt zu. Das mögliche Ergebnis, tatsächlich einen Rückbau des mittler­weile weitläu­figen und umfas­senden Wärme­netzes zu erwirken, konnte jedoch beiden Parteien nicht recht sein.
Das nun ergangene Urteil des BGH (dessen Volltext­ver­öf­fent­li­chung Stand 12.12.2023 noch aussteht) stellt sich nun als neue Kombi­nation dar. Kein Anspruch der Landes­haupt­stadt Stuttgart auf Übereignung (wie LG, OLG) oder Besei­tigung ( wie LG, gegen OLG) der Fernwär­me­lei­tungen. Kein Anspruch der EnBW auf ein Angebot der Stadt, einen neuen Wegenut­zungs­vertrag abzuschließen (gegen LG, wie OLG).

Zentrale Entschei­dungs­gründe

Die Entscheidung stützte das Gericht zentral auf drei Normen und deren Auslegung:

1. Um den Eigen­tums­übergang von Versor­gungs­lei­tungen (sogenannten Schein­be­stand­teilen) an die Stadt nach § 95 BGB zu bestä­tigen, fehlte es dem BGH zufolge an der erfor­der­lichen Willens­ent­schließung des Eigen­tümers der Netzlei­tungen (EnBW).

2. Hinsichtlich des Besei­ti­gungs­an­spruchs sei die „Störung“ in diesem Fall nach § 1004 Abs. 2 BGB aufgrund nachver­trag­licher Rücksicht­nah­me­pflichten in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 241, 242 BGB) durch die Stadt zu dulden.

3. Umgekehrt bejahte das Gericht zwar eine markt­be­herr­schende Stellung der Stadt bei der Vergabe von Wegenut­zungs­rechten – die sei hier aber nicht missbräuchlich ausge­nutzt worden, sodass ein Anspruch auf Nutzungs­rechts­ein­räumung nach § 19 GWB entfiel.

Einordnung & Ausblick

Die Landes­haupt­stadt Stuttgart verfolgt das Ziel, bis 2035 klima­neutral zu werden. Dafür zieht sie zunehmend Versor­gungs­fragen an sich – im Rahmen der städti­schen Energie­leit­planung auch den kommu­nalen Wärmeplan. Das Fernziel der Rekom­mu­na­li­sierung des Wärme­netzes hat die Landes­haupt­stadt in ihrer Presse­mit­teilung zur Entscheidung entspre­chend bekräftigt. In ihrer Presse­mit­teilung haben die EnBW zumindest den fortbe­stehenden Willen zur Zusam­men­arbeit formuliert.

Daneben fällt auf: Parteien und Gerichte haben im Streit mehrfach auf Regelungen des EnWG zurück­ge­griffen. So hat sich das Landge­richt in erster Instanz mit der Bedeutung der Entflech­tungs­regeln des EnWG ausein­an­der­ge­setzt (BeckRS 2019, 11063, Rn. 191f.), und der BGH sich an § 46 EnWG angelehnt. Prinzi­piell reguliert das EnWG nur Strom- und Gasnetze. Die steigende Bedeutung von (Fern-)Wärmenetzen könnte hier in Zukunft gesetz­ge­be­ri­sches Tätig­werden erfordern.
Und allen Versor­gungs­un­ter­nehmen sowie den versorgten Kommunen, die Betrei­ber­ver­träge über Infra­struktur schließen, sei nachdrücklich ans Herz gelegt: Treffen Sie eine Endschafts­re­gelung für die wertvolle Infra­struktur (Dr. Miriam Vollmer/Friederike Pfeifer).

2023-12-20T01:08:12+01:0020. Dezember 2023|Konzessionsrecht, Wärme|