Die Preis­gleitung im Entwurf der neuen AVBFernwärmeV

Die Novelle der AVBFern­wärmeV, deren Entwurf das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium kürzlich vorge­stellt hat, bringt auch eine komplette Neufassung der Regeln für Preis­än­de­rungs­klauseln mit sich. Die Grund­struktur des Maßstabs für diese Klauseln soll dabei erhalten bleiben. Auch in Zukunft sollen die Kosten­ent­wicklung und die Markt­be­din­gungen im Bereich der Fernwärme die entschei­dende Rolle spielen. Zudem sollen die Klauseln auch zukünftig trans­parent und nachvoll­ziehbar sein. Das Minis­terium plant über den Staus Quo hinaus, den größten Teil des aktuellen Stand der Recht­spre­chung direkt in § 24 aufzu­nehmen und dies mit einem relativ hohen Detailgrad.

Einige der geplanten Änderungen sind naheliegend. Zum Beispiel dürfte klar sein, dass CO₂-Kosten nur dann separat weiter­ge­geben werden dürfen, wenn sie nicht bereits im verwen­deten Preis­index berück­sichtigt wurden. Eine doppelte Weitergabe derselben Kosten wäre schließlich schwer nachvoll­ziehbar. Andere Vorschläge in der Neure­gelung überzeugen dagegen weniger. Der Entwurf verweist für das Markt­element auf den Wärme­preis­index, der dieses Element „angemessen berück­sich­tigen“ soll. Das deutet darauf hin, dass es auch in der Zukunft weiter andere Möglich­keiten geben muss, den Markt abzubilden. Wo der Vorteil für den Rechts­an­wender liegt, ist angesichts dessen fragwürdig.

Eine inter­es­sante Neuerung in § 24 Absatz 2 des Entwurfs ist die Möglichkeit, anstelle eines Indexes die tatsäch­lichen Kosten eines Fernwär­me­ver­sorgers als Basis zu nehmen. Diese Kosten dürfen jedoch nur weiter­ge­geben werden, wenn sie bei wirtschaft­licher Betriebs­führung unver­meidbar waren. Diese Regelung könnte zu Konflikten führen, da unklar bleibt, wie diese Kosten genau ermittelt werden sollen. Am Ende werden wahrscheinlich die Gerichte klären müssen, wie die Regelung genau anzuwenden ist.

Absatz 3 des Entwurfs bringt eine weitere Neuerung: Wenn der Gaslie­ferant des Fernwär­me­ver­sorgers den Preis erhöht, darf der Fernwär­me­ver­sorger innerhalb von zwei Wochen seinen Wärme­preis entspre­chend anpassen, auch wenn im Wärme­lie­fer­vertrag längere Fristen für Preis­än­de­rungen vorge­sehen sind, wie zum Beispiel jährliche oder halbjähr­liche Anpas­sungen. In diesem Fall haben Kunden aller­dings das Recht, den Vertrag außer­or­dentlich zu kündigen. Diese Regelung ist wahrscheinlich eine Reaktion auf die Gaspreis­ent­wicklung der Jahre 2022 und 2023, als die Preise so schnell stiegen, dass viele Fernwär­me­ver­sorger in Schwie­rig­keiten gerieten, weil sie die höheren Kosten erst mit monate­langer Verzö­gerung an ihre Kunden weiter­geben konnten. Die neue Regelung ermög­licht nun eine schnelle Reaktion, birgt aber das Risiko, dass Kunden ihr Kündi­gungs­recht ausüben und so an sich noch langjährige Verträge sprengen. Dabei ist gerade die Fernwärme auf Planungs­si­cherheit angewiesen, weil Versorger sie in aller Regel nicht über Dritte beschaffen, sondern selbst erzeugen.

Positiv ist der neue § 24a Abs. 4 AVB FernwärmeV zu bewerten, der festlegt, dass Preis­än­de­rungs­klauseln bei einem Wechsel des Energie­trägers oder bei Änderungen in der Beschaf­fungs­struktur einseitig angepasst werden können. Diese Regelung ist wichtig, da die meisten Fernwär­me­ver­sorger in den kommenden zehn Jahren erheb­liche Inves­ti­tionen in ihre Erzeu­gungs­an­lagen und Netze tätigen müssen. Die Vorgaben des Wärme­pla­nungs­ge­setzes, die einen steigenden Anteil erneu­er­barer Energien und unver­meid­barer Abwärme vorsehen, werden sich zwangs­läufig auch auf die Verträge auswirken. Dass in diesem Fall die Klauseln einseitig geändert werden müssen und dürfen, hat die Recht­spre­chung schon anerkannt, dass der Verord­nungs­geber hier Sicherheit schaffen will, ist trotzdem unbedingt zu begrüßen.

Insgesamt wird das Recht zur Preis­an­passung in Fernwär­me­lie­fer­ver­trägen durch die Novelle komplexer – sowohl für die Kunden als auch für die Versorger. Wie bei komplexen Regelungen üblich, können sie zwar mehr Gerech­tigkeit im Einzelfall ermög­lichen, gleich­zeitig steigt jedoch das Risiko von Anwen­dungs­fehlern. Unter­nehmen sollten daher nach Inkraft­treten der neuen AVB ihre Fernwär­me­ver­träge und Preis­gleit­klauseln genau überprüfen (Miriam Vollmer).

2024-08-16T17:49:50+02:0016. August 2024|Wärme|

Raus aus der Fernwärme? Was sagt die neue AVBFernwärmeV‑E?

Fernwär­me­lie­fer­ver­träge waren Jahrzehnte bombenfest. Als praktisch letzte Dauer­schuld­ver­hält­nisse werden sie regel­mäßig mit zehnjäh­rigen Laufzeiten abgeschlossen und verlängern sich um jeweils fünf Jahre, Kündigung ausge­schlossen, Anpas­sungen der Anschluss­leistung – also der Wärme­menge, die der Versorger für einen Kunden bereit­stellt und nicht ander­weitig anbieten kann – waren 2021 praktisch ausgeschlossen.

Das ist heute anders. Man kann derzeit nach § 3 Abs. 2 AVBFern­wärmeV jedes Jahr die Anschluss­leistung um 50% kürzen, und ganz kündigen, wenn man auf Erneu­erbare umsatteln will. Für den wechsel­wil­ligen Kunden ist das komfor­tabel, aber für die anderen Kunden und den Versorger erhöht es die Unsicherheit, auf wie viele Kunden sich die Festkosten der Infra­struktur verteilen, was zu schwer prognos­ti­zier­baren Grund­preisen führt.

Der Entwurf für eine neue AVBFern­wärmeV, den das BMWK kürzlich vorgelegt hat, reagiert auf diesen Umstand. Das Recht, eine Anpassung der Anschluss­leistung zu verlangen, soll abgeändert werden. Der neue § 3 Abs. 2 soll die Anpassung nur noch in zwei Fällen erlauben: Wenn ein Kunde auf eine neue, GEG-konforme Wärme­ver­sorgung umsteigt, und das bestehende Wärmenetz nicht die Anfor­de­rungen der §§ 29ff. Wärme­pla­nungs­gesetz erfüllt, also insbe­sondere grund­sätzlich 30% Erneu­erbare ab 2030, die dann progressiv steigen, es sei denn, es gelten Ausnahmen. Aktuell bis 2030 dürfte danach keine Anpassung nach dieser Alter­native möglich sein. Kann der Kunde so seinen kompletten Bedarf decken, darf er ganz kündigen.

Anpas­sungen sind auch vorge­sehen, wenn der Kunde durch energe­tische Sanie­rungen, Betriebs­op­ti­mie­rungen oder geänderte Nutzungs­be­dürf­nisse weniger Wärme braucht. Damit ist klar, dass der in manchen Foren kursie­rende Trick, ohne Änderung des Bedarfs und des Bezugs die Grund­preis­be­lastung zu senken, um nach einigen Jahren praktisch nur noch Arbeits­preise zu bezahlen, nicht mehr möglich sein soll.

Zwei wichtige Detail­re­ge­lungen befinden sich in den Absätzen 5 und 6 des Entwurfs: Bei kleinen Netzen unter 20 MW darf der Versorger in der Erstlaufzeit die noch nicht abgeschrie­benen Vermö­gens­werte und die durch die Kündigung bzw. Anpassung bestehenden Kosten anteilig in Gestalt einer Ausgleichs­zahlung verlangen. Und bei Contracting-Lösungen oder in Kleinst­netzen kann der Kunde auch dann nicht auf eine GEG-konforme Lösung umsteigen, wenn der Versorger noch nicht so weit ist. Wenn die Anlage – oft ein BHKW – auf ihn zugeschnitten ist, kann er also nicht in die Wärme­pumpe flüchten.

Doch noch ist die neue AVBFern­wärmeV noch nicht durch. Warten wir also ab, was die nächsten Monate nach der Sommer­pause bringen (Miriam Vollmer).

2024-08-09T09:38:22+02:009. August 2024|Allgemein, Wärme|

Beschleu­nigung des Ausbaus von Solarenergie

Die Bundes­re­gierung hat am 24. Juli 2024 den Entwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der EU Erneu­erbare-Energien-Richt­linie (EU) 2023/2413 (Renewable Energy Direc­tives, RED III) in den Bereichen Windenergie an Land und Solar­energie sowie für Energie­spei­cher­an­lagen am selben Standort beschlossen (Presse­mit­teilung hier). Nach der RED III müssen für Erneu­erbare-Energien-Vorhaben sogenannte „Beschleu­ni­gungs­ge­biete“ ausge­wiesen werden, in denen ein beson­deres, beschleu­nigtes Geneh­mi­gungs­ver­fahren gelten soll. Diese Beschleu­ni­gungs­ge­biete sind daher zentraler Baustein des Gesetz­ent­wurfs. Klar: Die Nutzung erneu­er­barer Energien ist ein zentraler Bestandteil der Energie­wende und der Bekämpfung des Klima­wandels. Hier soll es mal nicht um Windenergie gehen: Zur Energie­wende gehört auch die Nutzung von solarer Strahlungsenergie.

Dass die Energie­wende bisher vor allem eine Strom­wende ist (und noch keine Wärme­wende ist), zeigt die bisher holperige und unsichere Geneh­mi­gungs­praxis solar­ther­mi­scher Freiflä­chen­an­lagen. Der Praxis fehlt die Erfahrung im Umgang mit dieser Techno­logie, die im großen Maßstab solare Strah­lungs­en­ergie in Heizwärme umwandelt, vorwiegend für die Einspeisung in Nah- und Fernwär­me­netze. Dies wiederum schlägt sich in einer unein­heit­lichen und zeitauf­wän­digen Geneh­mi­gungs­praxis nieder. PV und Solar­thermie werden oft in einen Topf geworfen und Solar­thermie erscheint dabei eher so am Rande mitge­dacht als tatsächlich berück­sichtigt. Zu bedenken aller­dings, dass die Anfor­de­rungen an den Standort im Hinblick auf solar­ther­mische Freiflä­chen­an­lagen klar von der Photo­voltaik zu unter­scheiden. Dies gilt insbe­sondere bei der Stand­ort­suche. Während PV eigentlich überall hin kann, kommt es für die Freiflä­chen­so­lar­ther­mie­anlage auf die Nähe zu Wärme­ver­brau­chern und dem Netz an und damit verdichtet sich der Anwen­dungs­be­reich. Der Solar­thermie bringt daher beispiels­weise die Privi­le­gierung im Außen­be­reich nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b BauGB im Grunde gar nichts. Der neue § 249b BauGB soll nun bewirken, dass es für die Errichtung auch von Solar­ther­mie­an­lagen im (bishe­rigen) Außen­be­reich nur einer Darstellung in einem Flächen­nut­zungsplan, nicht aber einer Festsetzung im Bebau­ungsplan bedarf. Spannend wird auch die Abschichtung natur­schutz­recht­licher Fragen sein. Ob diese Beschleu­ni­gungs­ge­biete dann im Ergebnis so viel bringen, bleibt abzuwarten. Man könnte es einfacher haben. So privi­le­giert § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB auch ortsge­bundene Anlagen für die Wärme­er­zeugung, wenn für diese (im Rückgriff auf die Recht­spre­chung zu PV) nur dieser Standort in Frage kommt. Dies dürfte in vielen Fällen für die Solar­thermie greifen, da in der Regel tatsächlich nur eine einzige Fläche des Gemein­de­ge­biets in Betracht kommt, weil diese nicht nur am Fernwär­menetz anliegen muss, was angesichts der regel­mäßig im Innen­be­reich belegenen Fernwär­me­ver­sor­gungs­ge­biete nur für wenige Außen­be­reichs­grund­stücke gilt. Und zusätzlich die Fläche geogra­fisch geeignet sein muss, also exponiert, unver­schattet und nicht bereits ander­weitig genutzt. Über diese Privi­le­gierung ließe sich auch eine ander­weitige Festsetzung im Flächen­nut­zungsplan (wie beispiels­weise „Flächen für die Landwirt­schaft“) überwinden und man käme auch um ein zeitauf­wen­diges B‑Plan-Verfahren herum. Vielleicht müssen wir einfach viel mutiger werden. (Dirk Buchsteiner)

2024-08-02T14:18:56+02:002. August 2024|Erneuerbare Energien, Solarthermie, Wärme|