An und für sich ist es simpel: Im § 3 Abs. 2 Bundes-Klimagesetz steht, dass Deutschland 2045 treibhausgasneutral sein soll. Erdgas ist kein treibhausgasneutraler Brennstoff, damit hat die Erdgasverbrennung ein natürliches Verfallsdatum: Nach dem 31.12.2044 ist sie verboten.
Statt dessen hoffen viele Verbraucher auf Wasserstoff. Grüner Wasserstoff entspricht gem. § 71 Abs. 3 Nr. 5 Gebäudeneenergiegesetz (GEG) der Verpflichtung, mindestens 65% Erneuerbare einzusetzen, die bis 2045 natürlich auf 100% steigen muss, denn ansonsten haut das mit der THG-Neutralität ja gar nicht hin. Manche Verbraucher hoffen, dass dann eines Tages das vorhandene Erdgasnetz einfach und sozusagen hinter den Kulissen mit Wasserstoff statt Erdgas befüllt wird, und für sie alles bleibt, wie es ist.
Dies allerdings scheitert schon daran, dass auch H2-ready-Heizungen nicht mit 100% Wasserstoff befeuert werden können. Aber gut, bis 2045 mag das anders aussehen. Der Grund, wieso Verbraucher sich nicht auf eine solche Lösung verlassen sollten, ist ein ganz anderer: Es ist extrem unwahrscheinlich, dass der örtliche Verteilnetzbetreiber für Erdgas eine solche Umstellung vornehmen kann. Das hat zum einen sachliche und zum anderen rechtliche Gründe.
Der sachliche Grund ist simpel: Voraussichtlich ist nicht genug grüner Wasserstoff da. Denn um Wasserstoff herzustellen braucht man elektrischen Strom, der das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet und damit elektrische in chemische Energie umwandelt. Mit anderen Worten: Die verfügbare Menge an Erneuerbarem Strom begrenzt die Kapazität für Wasserstoff. Entweder braucht man also viel mehr Solar- und Windkraftanlagen in Deutschland. Oder in anderen Ländern entstehen diese Kapazitäten und werden nicht vor Ort verbraucht, sondern in einer Elektrolyse verarbeitet und nach Deutschland exportiert. Dass die gesamten – oder auch nur wesentliche Teile – der zuletzt rund 360 TWh Erdgas, die in Gebäuden abgenommen wurden, durch auf diese Weise produzierten Wasserstoff ersetzt werden, erwartet niemand ernsthaft, auch nicht die Bundesregierung. Diese plant in ihrer aktuellen Wasserstoffstrategie zwar mit einer Explosion der Elektrolysekapazität auf das 125-fache der heutigen Kapazität. Sie rechnet auch damit, dass Deutschland darüber hinaus auch im Ausland im großen Stil kauft. Aber selbst mit so erheblichen Anstrengungen plant sie nur mit 90 – 130 TWh im Jahr 2030. Diese Mengen benötigt die Industrie aber deutlich dringender als Verbraucher, weil sie Wasserstoff teilweise stofflich nutzt, teilweise auf direkte Verbrennungsvorgänge angewiesen ist. Dieses Maß an Alternativlosigkeit besteht im Gebäudesektor nicht.
Neben diesem sachlichen Grund gibt es aber einen handfesten rechtlichen Grund, wieso die Umwidmung des bestehenden Netzes in ein Wasserstoffnetz die Ausnahme bleiben wird: Der einzelne Gasverteilnetzbetreiber ist in seiner Entscheidung nicht frei. Das versteht sich eigentlich von selbst, denn der Wasserstoff kommt ja in aller Regel vom Produzenten aus nur zu ihm, wenn er mit einem Wasserstofffernleitungsnetz verbunden ist. Er muss also in der Nähe einer solchen geplanten Netzstruktur liegen, oder es gibt Elektrolysekapazitäten vor Ort. Ohne eine solche Struktur kann es keinen Fahrplan für die Umstellung des Netzes geben, wie er in § 71k Abs. 1 Nr. 2 GEG vorgesehen ist. Hier ist auch vorgesehen, dass der Netzbetreiber die Finanzierung nachweist, und dass der Plan mit den Klimaschutzzielen und den Zwischenzielen vereinbar ist. Dieser Plan muss zum 30.06.2028 vorliegen. Er ist zudem genehmigungsbedürftig, zuständig die BNetzA. Vorgesehen sind fortlaufende Revisionen alle drei Jahre.
Nun kommt’s: Wenn die Behörde im Zuge ihrer turnusmäßigen Überprüfungen feststellt, dass die Umstellung des Erdgasnetzes nicht so läuft, wie der Betreiber es geplant hat, so stellt die Behörde das Scheitern fest. Indes scheitert der Netzbetreiber nicht einfach so. Sondern er schuldet nach § 71k Abs. 6 GEG in diesem Fall den Gebäudeeigentümern die Mehrkosten, die entstehen, weil sie sich in guten Glauben an das Wasserstoffnetz eine Heizung haben einbauen lassen, die nun nach drei Jahren durch eine andere, klimaneutrale Lösung ersetzt werden muss, es sei denn, er hat dies nicht zu vertreten. Damit kostet ein Scheitern des Versorgers nicht nur die Entwicklungskosten, sondern auch möglicherweise erhebliche Verpflichtungen gegenüber den enttäuschten Letztverbrauchern.
Damit ist klar: Die allermeisten Gasverteilnetzbetreiber können von vornherein keinen Umstellungsfahrplan vorlegen, weil sie weder an einer Fernleitung liegen noch eine Elektrolyse vor Ort produziert. Ist das anders, haften sie aber nach dem Gesetz für einen Erfolg, dessen Eintritt sie nur sehr peripher beeinflussen können. Dazu werden nur wenige Unternehmen bereit sein, wenn die Unsicherheiten so groß sind wie aktuell.
Insofern ist es konsequent, wenn die Bundesregierung in ihrer Wasserstoffstretagie schreibt:
„Allgemein wird der Einsatz von Wasserstoff in der dezentralen Wärmeerzeugung nach derzeitigem Erkenntnisstand eine eher nachgeordnete Rolle spielen.“
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