Landgericht Berlin zum Anwendungsbereich des § 102 EnWG
Wir hatten hier schon einmal abstrakt erklärt , wonach sich die Sonderzuständigkeit der Landgerichte für energierechtliche Streitigkeiten i.S.d. § 102 EnWG nach Vorstellung des Gesetzgebers bemisst.
In der Praxis ist diese Abgrenzung jedoch regelmäßig nicht ganz einfach, wenn beispielsweise das angerufene Landgericht der Meinung ist, der Fall behandelte doch eigentlich keine Rechtsfragen des EnWG sondern nur „ganz normales Zivilrecht“.
So wie aktuell das Landgericht Berlin in einem von uns geführten Verfahren in Gestalt einer Feststellungsklage, bei der die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass zwischen den Parteien kein Vertrag der Grundversorgung i.S.d. § 36 EnWG besteht (negative Feststellungsklage). Hier ist das Landgericht Berlin derzeit der Rechtsauffassung, dass die für § 102 EnWG erforderliche Anknüpfung der Rechtsfragen an das EnWG nicht gegeben sei und begründet dies wie folgt:
„Es wird darauf hingewiesen, dass das Landgericht Berlin mit der Kammer für Handelssachen unzuständig ist, und zwar sowohl sachlich als auch funktionell. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um eine energierechtliche Streitigkeit im Sinne des § 102 EnWG und des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Berlin. Der Kläger macht geltend, dass zwischen ihnen kein Vertragsverhältnis über die Grundversorgung mit Energie besteht. Das sind rein zivilrechtliche Fragen. Dass diese im weiteren Sinne mit Energieversorgung im Zusammenhang stehen, vermag keine Streitigkeit nach § 102 EnWG zu begründen. Jede Kundenbeziehung in der Energieversorgung hat im weiteren Sinne mit den Vorschriften des EnWG und den aufgrund des EnWG erlassenen Verordnungen zu tun. Das wird von § 102 EnWG nicht umfasst. Folgerichtig erfasst die Kompetenzzuweisung zugunsten der Landgerichte gem. Abs. 1 S. 1 ausschließlich Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung des EnWG betreffen. Dabei kommt es in Übereinstimmung mit § 87 GWB nicht darauf an, ob der Kern des Streitverhältnisses in den materiellen Vorgaben des EnWG gründet, oder ob es lediglich um die Beurteilung einer energiewirtschaftsrechtlichen Vorfrage im Rahmen eines Zivilprozesses zu tun ist. Vielmehr genügt es gem. Abs. 1 S. 2, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits „ganz oder teilweise“ von der Beurteilung energiewirtschaftsrechtlicher Fragen abhängig ist.“
(LG Berlin, Hinweisbeschluss, Az. 91 O 75/24)
Wir sehen diese vorläufige Rechtsauffassung kritisch. Wenn die Feststellung ob ein Rechtsverhältnis der gesetzlichen Grundversorgung besteht oder nicht besteht, welches vom Gesetzgeber spezialgesetzlich in § 36 EnWG und der zugehörigen Grundversorgungsverordnung geregelt wurde, nach Ansicht des Landgerichtes keinen Rechtsstreit darstellt, der nach dem EnWG zu entscheiden ist, bleibt für den Anwendungsbereich der energierechtlichen Sonderzuständigkeit nach § 102 EnWG nicht mehr viel Raum.
Wir werden über den Fortgang des Verfahrens berichten.
(Christian Dümke)