Über Miriam Vollmer

Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie vertritt seit 2006 Stadtwerke und andere Unternehmen rund um die Themen Klima, Umwelt und Energie. Frau Dr. Vollmer ist Lehrbeauftragte der Universität Bielefeld, Vortragsrednerin mit breiter Erfahrung von Fortbildungsveranstaltungen bis zur re:publica und Verfasserin zahlreicher Publikationen.

Landge­richt Berlin zum Anwen­dungs­be­reich des § 102 EnWG

Wir hatten hier schon einmal abstrakt erklärt , wonach sich die Sonder­zu­stän­digkeit der Landge­richte für energie­recht­liche Strei­tig­keiten i.S.d. § 102 EnWG nach Vorstellung des Gesetz­gebers bemisst.

In der Praxis ist diese Abgrenzung jedoch regel­mäßig nicht ganz einfach, wenn beispiels­weise das angerufene Landge­richt der Meinung ist, der Fall behan­delte doch eigentlich keine Rechts­fragen des EnWG sondern nur „ganz normales Zivilrecht“.

So wie aktuell das Landge­richt Berlin in einem von uns geführten Verfahren in Gestalt einer Feststel­lungs­klage, bei der die gericht­liche Feststellung begehrt wird, dass zwischen den Parteien kein Vertrag der Grund­ver­sorgung i.S.d. § 36 EnWG besteht (negative Feststel­lungs­klage). Hier ist das Landge­richt Berlin derzeit der Rechts­auf­fassung, dass die für § 102 EnWG erfor­der­liche Anknüpfung der Rechts­fragen an das EnWG nicht gegeben sei und begründet dies wie folgt:

Es wird darauf hinge­wiesen, dass das Landge­richt Berlin mit der Kammer für Handelssachen unzuständig ist, und zwar sowohl sachlich als auch funktionell. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um eine energie­recht­liche Strei­tigkeit im Sinne des § 102 EnWG und des Geschäfts­ver­tei­lungs­planes des Landge­richts Berlin. Der Kläger macht geltend, dass zwischen ihnen kein Vertrags­ver­hältnis über die Grund­ver­sorgung mit Energie besteht. Das sind rein zivil­recht­liche Fragen. Dass diese im weiteren Sinne mit Energie­ver­sorgung im Zusam­menhang stehen, vermag keine Strei­tigkeit nach § 102 EnWG zu begründen. Jede Kunden­be­ziehung in der Energie­ver­sorgung hat im weiteren Sinne mit den Vorschriften des EnWG und den aufgrund des EnWG erlas­senen Verord­nungen zu tun. Das wird von § 102 EnWG nicht umfasst. Folge­richtig erfasst die Kompe­tenz­zu­weisung zugunsten der Landge­richte gem. Abs. 1 S. 1 ausschließlich Rechts­strei­tig­keiten, die die Anwendung des EnWG betreffen. Dabei kommt es in Überein­stimmung mit § 87 GWB nicht darauf an, ob der Kern des Streit­ver­hält­nisses in den materi­ellen Vorgaben des EnWG gründet, oder ob es lediglich um die Beurteilung einer energie­wirt­schafts­recht­lichen Vorfrage im Rahmen eines Zivil­pro­zesses zu tun ist. Vielmehr genügt es gem. Abs. 1 S. 2, wenn die Entscheidung eines Rechts­streits „ganz oder teilweise“ von der Beurteilung energie­wirt­schafts­recht­licher Fragen abhängig ist.

(LG Berlin, Hinweis­be­schluss, Az. 91 O 75/24)

Wir sehen diese vorläufige Rechts­auf­fassung kritisch. Wenn die Feststellung ob ein Rechts­ver­hältnis der gesetz­lichen Grund­ver­sorgung besteht oder nicht besteht, welches vom Gesetz­geber spezi­al­ge­setzlich in § 36 EnWG und der zugehö­rigen Grund­ver­sor­gungs­ver­ordnung geregelt wurde, nach Ansicht des Landge­richtes keinen Rechts­streit darstellt, der nach dem EnWG zu entscheiden ist, bleibt für den Anwen­dungs­be­reich der energie­recht­lichen Sonder­zu­stän­digkeit nach § 102 EnWG nicht mehr viel Raum.

Wir werden über den Fortgang des Verfahrens berichten.

(Christian Dümke)

2024-10-04T19:34:43+02:004. Oktober 2024|Allgemein|

Achtung: Doppel­be­richt­erstattung im ETS II/BEHG

Im Jahr 2027, so heißt es überall, wird der ETS II den bishe­rigen natio­nalen Emissi­ons­handel nach dem Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­gesetz (BEHG) ablösen. Technisch gesehen ist das aber nicht ganz richtig. Zum einen gibt es eine Reihe von Emissionen, die vom ETS II nicht erfasst werden, so dass die Bundes­re­gierung abwartet, ob die Europäische Kommission das Opti-In dieser Emissionen in den ETS II genehmigt. Zum anderen geht dem Jahr 2027 eine Phase voraus, in der der ETS II noch nicht zu Abgabe­pflichten führt, aber bereits die Bericht­erstat­tungs­pflicht gilt.

Beginn für die Bericht­erstattung ist das laufende Jahr. 2025 muss also ein Emissi­ons­be­richt im ETS II für die Brenn­stoff­emis­sionen des Jahres 2024 einge­reicht werden. Für diesen gilt noch keine Verifi­zie­rungs­pflicht, aber wenn das neue Treib­haus­gas­emis­si­ons­han­dels­gesetz (TEHG) so, wie derzeit geplant, in Kraft tritt, ist es eine Ordnungs­wid­rigkeit, keinen Emissi­ons­be­richt abzugeben.

Für diesen Emissi­ons­be­richt gelten bereits die neuen Abgabe­fristen, die sich aus der geänderten Emissi­ons­han­dels­richt­linie ergeben, die derzeit im neuen Treib­hausgas-Emissi­ons­han­dels­gesetz umgesetzt wird. Grundlage wird auch ein neuer Überwa­chungsplan sein, der mit einem Ebenen­konzept komplexer sein wird, als es heute im BEHG der Fall ist.

Was vielen nicht klar ist: BEHG und neues TEHG inklusive ETS II werden in den nächsten Jahren für Inver­kehr­bringer vo Brenn- und Treib­stoffen parallel gelten. Es sind also zwei Emissi­ons­be­richte für die Jahre 2024 und 2025 abzugeben, jeweils mit Bußgeld bewehrt! Betroffene sollten, sofern das TEHG mit dieser etwas unprak­ti­schen Verpflichtung zum doppelten Bericht also inklusive beider Abgabe­termine  – 30.04. und 31.07. – im Auge behalten, sonst droht Ärger (Miriam Vollmer).

2024-10-04T16:21:42+02:004. Oktober 2024|Emissionshandel|

THG-Quoten: Aussetzung der Übererfül­lungen bis 2026

Das THG-Quoten­system nach § 37a ff. Bundes-Immis­si­onschutz­gesetz (BImSchG) ist ins Gerede gekommen: Durch den Zufluss von Upstream-Emissions-Reduk­tions-Projekten (UER) aus China wurde der Markt mit angeb­lichen Emissi­ons­min­de­rungen überschwemmt, die nicht einmal statt­ge­funden haben. Der Preis­verfall für THG-Quoten im laufenden Jahr wird vor allem mit diesen Betrugs­fällen in Verbindung gebracht.

Doch nicht nur die schwer überprüf­baren Auslands­pro­jekte beein­träch­tigen die Wirksamkeit dieses Systems. Das Bundes­um­welt­mi­nis­terium (BMUV) sieht auch die Möglichkeit, Übererfül­lungen in einem Verpflich­tungsjahr ins nächste Jahr zu übertragen, als Hindernis für die Effizienz des Systems an. Zudem verbietet die dem Quoten­system zugrunde liegende EU-Richt­linie 2018/2001 zwar die Flexi­bi­li­sierung durch Überträge ins Folgejahr im  Verhältnis zwischen Unter­nehmen und Mitglied­staat nicht, aber auf der Ebene der Verpflich­tungen Deutsch­lands gegenüber der EU findet der Übertrag nicht statt, so dass die Fehlmenge durch Zukäufe aus Steuer­mitteln im Ausland ausge­glichen werden muss. Deswegen will das Minis­terium nun die 38. Bundes-Immis­si­ons­schutz­ver­ordnung (38. BImSchV) kurzfristig ändern. Eine grund­le­gende Neuordnung des Quoten­systems ist damit nicht verbunden, denn im nächsten Jahr steht ohnehin eine Reform an, weil die geänderte Richt­linie umgesetzt werden muss.

Die Lösung des Minis­te­riums ist simpel: Für zwei Jahre soll die Übertragung von Übererfül­lungen ausge­setzt werden. Für 2025 und 2026 sollen nur Quoten des jewei­ligen Jahres verwendet werden können. Damit tritt eine schnelle Verknappung ein, die den aktuellen Preis­verfall stoppen soll. Doch verloren gehen sollen die Übererfül­lungen nicht: Sie sollen auf Antrag für 2027 angerechnet werden. Offenbar hofft das Minis­terium, dass die Verschiebung in die Zukunft durch die in der Richt­linie angelegte Steigerung der Verpflich­tungen soweit kompen­siert wird, dass der Preis nicht direkt wieder in den Keller geht (Miriam Vollmer).

2024-09-27T23:27:28+02:0027. September 2024|Allgemein, Klimaschutz, Verkehr|