Über Miriam Vollmer

Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie vertritt seit 2006 Stadtwerke und andere Unternehmen rund um die Themen Klima, Umwelt und Energie. Frau Dr. Vollmer ist Lehrbeauftragte der Universität Bielefeld, Vortragsrednerin mit breiter Erfahrung von Fortbildungsveranstaltungen bis zur re:publica und Verfasserin zahlreicher Publikationen.

re Advents­ka­lender Tür 2 – Muster­fest­stel­lungs­klage gegen Prima­strom und Voxenergie

Wir öffnen das 2. Türchen unseres virtu­ellen Advents­ka­lenders, mit dem wir unseren Lesern einen kleinen Einblick in unseren diesjäh­rigen Fälle geben.

Wir haben in diesem Jahr den Bundes­verband der Verbrau­cher­zen­tralen vertreten, der zwei Muster­fest­stel­lungs­klagen beim Kammer­ge­richt Berlin gegen die Versorger prima­strom und voxenergie wegen – aus Sicht der Verbrau­cher­zen­trale – unzulässig erhöhten Preisen für Strom und Gas.

Solche Verfahren sind auch für Anwälte etwas Beson­deres, denn sie sind nicht sehr häufig, haben eine große Bedeutung und beginnen direkt auf der Gerichts­ebene der Oberlan­des­ge­richte (das in Berlin Kammer­ge­richt heißt) und wenn es zu einer gericht­lichen Entscheidung kommt, wird damit eine Rechts­frage geklärt, die eine Vielzahl von betrof­fenen Verbrau­chern betrifft. Es handelt sich um eine Art von Sammel­klage. Die Betrof­fenen können sich hierzu in ein öffent­liches Klage­re­gister eintragen. Daher ist es sogar Zuläs­sig­keits­vor­aus­setzung einer solchen Klage, dass der Kläger dem Gericht darlegt, dass hier von viele Verbraucher betroffen sind. Die wohl bekann­teste Muster­fest­stel­lungs­klage betraf den sog. „Diesel­skandal“.

Im vorlie­genden Fall bestand noch die Beson­derheit, dass die Klagen zwar inhaltlich sehr ähnlich waren, aber vor zwei unter­schied­lichen Kammern des Kammer­ge­richts verhandelt wurden – die jeweils eine zentrale Rechts­frage völlig unter­schiedlich beurteilten, als die andere Kammer.

Die vorlie­genden beiden Verfahren konnten am 15. März 2024 durch einen Vergleich gütlich beigelegt werden, so dass es zu keinem Urteil kam. Der Vergleich wirkten sich positiv auf die betrof­fenen Verbraucher aus, da die Betrof­fenen so schneller eine Rückzahlung erhielten und zudem mehr Verbraucher einen Anspruch auf Erstattung zugesi­chert bekamen, als wenn es zu einer Verur­teilung gekommen wäre. Details zum Inhalt des Vergleiches finden sich bei der Verbrau­cher­schutz­zen­trale.

(Christian Dümke)

2024-12-05T12:37:14+01:005. Dezember 2024|Allgemein|

Bye, bye Kunden­anlage? Zum Urteil EuGH, Az. C‑293/23 vom 28.11.2024

Okay. Pauken­schlag: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält die Kunden­anlage nach § 3 Nr. 24a Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) für rechts­widrig (hier finden Sie das Urteil). Sie sei nicht mit der Elektri­zi­täts­bin­nen­markt­richt­linie (EU) 2019/944 vereinbar. Der deutsche Gesetz­geber wäre verpflichtet, alle Strom­lei­tungs­systeme als Vertei­ler­netze zu behandeln, außer, die Richt­linie selbst erlaubt Ausnahmen. Eine entspre­chende Ausnahme für die deutsche Kunden­anlage gibt es aber nicht.

Wieso ist das wichtig?

Strom­netze zu betreiben bedeutet Aufwand. Zum einen müssen Netzbe­treiber einen ganzen Sack voll Pflichten erfüllen. Zum anderen fallen Netzent­gelte und Umlagen an, wenn Strom durch ein Stromnetz trans­por­tiert wird. Im Umkehr­schluss bedeutete dies: Strom, der auf dem Weg von der Erzeu­gungs­anlage zum Kunden kein Stromnetz passierte, sondern in der Kunden­anlage blieb, war günstiger als Strom aus dem Netz. Auf diesem Prinzip beruht die Wirtschaft­lichkeit vieler dezen­traler Strom­ver­sor­gungs­kon­zepte im Quartier. Auch viele Produk­ti­ons­tandorte profi­tierten von der Möglichkeit, in der Kunden­anlage in KWK-Anlagen zu erzeugen und zu verbrauchen.

Was bedeutet die Entscheidung?

Laut EuGH ist diese Ausnahme rechts­widrig. Deutschland ist nicht berechtigt, räumlich zusam­men­hän­gende Leitungs­systeme über mehrere Gebäude mit einigen hundert Letzt­ver­brau­chern und mit bis zu 10.000 qm Fläche und 1.000 MWh/a trans­por­tierter Menge von den Regeln für Vertei­ler­netze auszu­nehmen. Die Betreiber dieser Kunden­an­lagen müssen also künftig alle Regelungen für Vertei­ler­netz­be­treiber erfüllen, von der schieren Geneh­mi­gungs­pflicht angefangen bis zu den Melde- und Publi­ka­ti­ons­pflichten, aber vor allem darf nicht mehr netzentgelt- und umlagefrei geliefert werden.

Neben diesem Mehr an Kosten und Bürokratie hängen am Begriff der Kunden­anlage aber eine Vielzahl weiterer Rechts­folgen. Vom Mieter­strom bis zum StromPBG spielt die Einordnung als Kunden­anlage oder Vertei­lernetz eine oft zentrale Rolle.

Was ist nun zu tun?

Unter­nehmen, die Kunden­an­lagen betreiben, müssen nun erst einmal prüfen, welche Konse­quenzen sich für sie konkret ergeben. Zwar gelten Urteile an sich nur zwischen den Parteien des entschie­denen Rechts­streits. Aber nachdem der EuGH gesprochen hat, müssen und werden sich Behörden, Gerichte, auch Übertra­gungs­netz­be­treiber, daran orientieren.

Viele Fragen sind noch offen. Wie sieht es mit der betrieb­lichen Eigen­ver­sorgung aus? Macht es generell einen Unter­schied, ob Dritte versorgt werden? Wie ist mit der Vergan­genheit umzugehen? Teilweise müssen sicherlich Verträge geändert werden. Teilweise ändern sich ganze Kalku­la­tionen. Viele Unter­nehmen werden prüfen, ob Anträge nach § 110 EnWG Sinn ergeben. Aber klar ist auch: Viele dezen­trale Erzeu­gungs­pro­jekte rechnen sich so nicht mehr. Hier ist die Politik gefragt, von den Möglich­keiten der Richt­linie durch Änderung des EnWG Gebrauch zu machen, um zumindest für einen Teil der Fälle Befrei­ungen von der Netzre­gu­lierung zu ermög­lichen. Die politische Lage spricht aber eher dafür, dass eine solche zumindest partielle Lösung mindestens auf sich warten lassen wird (Miriam Vollmer).

Wenn Sie Fragen haben oder einen schnellen Check brauchen: Melden Sie sich bei uns.

2024-11-30T00:51:02+01:0030. November 2024|Allgemein|

Nun doch: Weiter­ver­teiler sind Versorger im StromPBG

Gefühlt ist der Gaspreis­schock 2022 länger her als die Eiszeit, aber zumindest die gericht­liche Aufar­beitung ist noch nicht abgeschlossen. Wer als Letzt­ver­braucher gilt, der Anspruch auf Entlastung hat, ist immer noch Gegen­stand diverser Gerichts­ver­fahren. Inzwi­schen gibt es einige erstin­stanz­liche Urteile und auch ein Urteil des OLG Nürnberg in zweiter Instanz (auch wir haben eins der Urteile erwirkt und führen weitere Verfahren). Bisher waren alle Gerichte davon überzeugt, dass es abwei­chend von der bishe­rigen Praxis der Übertra­gungs­netz­be­treiber nicht darauf ankommt, ob ein Energie­ver­sorger selbst einen Liefe­ran­ten­rah­men­vertrag abgeschlossen hat, oder ob er als Weiter­ver­teiler die Abwicklung der Lieferung als Leistung auf einen Dritten übertragen hat.

Vor diesen Entschei­dungen waren die Übertra­gungs­netz­be­treiber einig: In diesen Fällen sei der Energie­ver­sorger als Letzt­ver­braucher anzusehen, der eigent­liche Letzt­ver­braucher dagegen hätte keinen Entlas­tungs­an­spruch, denn er liefere nicht „über ein Netz“, was das StromPBG voraus­setzt. Entlas­tungs­ver­pflichtet und erstat­tungs­be­rechtigt gegenüber dem Übertra­gungs­netz­be­treiber wäre der Vorver­sorger. Ausgangs­punkt für die Berechnung des Entlas­tungs­an­spruchs sei damit der Strom­preis im Verhältnis Vorver­sorger – Energie­ver­sorger, was für viele Unter­nehmen eine empfind­liche Einbuße bedeutet, selbst wenn der Energie­ver­sorger die Entlastung weitergibt.

Nun kommt – mal wieder FAQ – die Kehrt­wendung. Das BMWK schließt sich der Rechts­auf­fassung der Gerichte an. Auch Weiter­ver­teiler liefern Strom über ein Netz – und sind damit entlas­tungs­ver­pflichtet und erstat­tungs­be­rechtigt – wenn

  • ein schuld­recht­licher Strom­lie­fer­vertrag zwischen dem Strom­ver­sorger und dem
    belie­ferten Endkunden besteht,
  • die belie­ferte Entnah­me­stelle mit einer Marktlokations-Identifikationsnummer
    regis­triert ist und
  • ein Netznut­zungs­vertrag zwischen dem jewei­ligen Endkunden oder einem
    vertraglich mit dem Strom­ver­sorger verbun­denen Dienst­leister und dem Netzbe­treiber besteht.

Erste Signale der Übertra­gungs­netz­be­treiber lassen erkennen, dass bisher zurück­ge­haltene Zahlungen an Strom­ver­sorger nun schnell fließen sollen, wenn die Prüfbe­hörde bestätigt, dass die drei genannten Kriterien vorliegen. Gleich­zeitig bedeutet das für Unter­nehmen, die sich an die bisherige Praxis der Übertra­gungs­netz­be­treiber gehalten haben: Beeilen Sie sich, hier gelten nun neue Fristen. Insbe­sondere, wenn die Höchst­grenzen noch durch die Prüfbe­hörde festge­stellt werden müssen, müssen die begüns­tigten Unter­nehmen sich beeilen: Schon zum 20.12.2024 muss beantragt werden, finale Selbst­er­klä­rungen müssen zum 31.01.2025 vorliegen. Die Versorger müssen zum 28.02.2025 abrechnen

Bitte melden Sie sich schnell, wenn hier vor Weihnachten noch etwas veran­lasst werden muss (Miriam Vollmer).

2024-11-29T21:53:49+01:0029. November 2024|Allgemein|