CDI Summer Summit 2024

Praxis­naher Erfah­rungs­aus­tausch auf Führungs­ebene: Vom 11. bis 13.09.2024 trafen sich nun zum dritten Mal Vertreter der energie­in­ten­siven Industrie zum „Summer Summit“ des Clusters der Dekar­bo­ni­sierung der Industrie (CDI). Jakob Flechtner, Leiter des Kompe­tenz­zentrum Klima­schutz in energie­in­ten­siven Indus­trien (KEI) und Andreas Findeisen, Leiter der CDI Koordi­nie­rungs­stelle, konnten so über 80 Teilnehmer aus dem breiten Partner­kreis auf dem Siemens Energy Innova­ti­ons­campus in Görlitz begrüßen. An inten­siven anderthalb Tagen (und einem gesel­ligen Auftakt­dinner am Vorabend) gab es Vorträge, inter­aktive Workshops zum aktuellen Stand der Dekar­bo­ni­sierung rund um die Kernthemen des Clusters und Zeit für das Netzwerken und den fachlichen Austausch. „Kurs zu halten auf dem Pfad zur indus­tri­ellen Dekar­bo­ni­sierung“ war das Motto. Hierauf stimmte auch Tobias Panse, Senior Vice President Steam Turbines and Generators von Siemens Energy, in seiner Funktion als Gastgeber in seinem Grußwort ein.

Grüne Märkte

Das Programm war spannend und vielseitig. Stela Ivanova (BMWK) sprach über Leitmärkte für klima­freund­liche Grund­stoffe. In diese Richtung ging auch der Workshop 1, der sich mit der Zukunft der grünen Märkte befasste und eine holis­tische Betrachtung wagte. Ausgehend von der Prämisse, dass es 2045 grüne Leitmärkte geben wird, wurde disku­tiert, wie weit sich Wirtschafts­wachstum mit grünen Märkten verträgt, ob also grüne Märkte mit einem Wachs­tums­be­griff einher­gehen oder es einer Neude­fi­nition des Wachs­tums­be­griffs bedarf, berich­teten Arne Müller (CDI) und Sven Johannssen (Corporate Strategy Sustaina­bility Siemens Energy). Auch im Diskurs zwischen den Teilneh­menden zeigte sich der inter­es­sante Aspekt, dass man einer­seits mehr Regulierung und anderer­seits weniger Regulierung brauche. Wenn man über grüne Produkte spricht, ist zudem zu fragen, wie man das global mit einheit­lichen Werten etablieren kann und mit Chancen­gleichheit global umgehen soll. Gegebe­nen­falls gibt es regionale grüne Leitmärkte.

Bilan­zierung und Bewertung von Treibhausgasen 

Den Auftakt zum Workshop 2 lieferte Dr. Alexander Tunnat (evety GmbH) mit einem Input­re­ferat. Deutlich wurde hierbei insbe­sondere das Problem der Infor­ma­ti­ons­be­schaffung, gerade auch zu Scope 3 Emissionen, also allen indirekten Treib­hausgas-Emissionen aus Quellen, die das bilan­zie­rende Unter­nehmen nicht besitzt oder direkt kontrol­liert. Diese machen in der Regel den größten Teil der Emissionen aus und damit bekommt das Liefe­ran­ten­ma­nagement eine große Bedeutung, erläu­terte Markus Will (Hochschule Zittau/Görlitz). Im nächsten Schritt muss man u.a. schauen, wer wie gerechnet und bewertet hat und wenn ja, auf welcher Rechen­grundlage. Deutlich wurde, dass standar­di­sierte Methoden zur Bilan­zierung und Bewertung vorhanden sind. Die Experten machten jedoch deutlich, dass noch Normungs­arbeit nötig ist, sowie ein Erfah­rungs­aus­tausch, beispiels­weise unter dem Dach des CDI.

Energie­kon­zepte für Industrieanlagen 

Aufhänger für den Workshop 3 war die Frage, wie die Trans­for­mation nachhaltig und wirtschaftlich erfolgen kann. Hierbei ist zu schauen, was man heute schon erreichen kann, von der Effizi­enz­stei­gerung, über den fuel shift und der Hybri­di­sierung bis hin zur „deep decar­bo­ni­sation“. Disku­tiert wurden die Knack­punkte der einzelnen Phasen. Natürlich gibt es für die Trans­for­mation keine „one fits all“-Lösung. Die Möglich­keiten sind natürlich abhängig vom Ausgangs­zu­stand. Doch wurde deutlich, dass die Technik selbst nicht das Problem ist, sondern die Frage, wohin man eigentlich möchte und welche Ziele man verfolge und ob dies unter den regula­to­ri­schen Rahmen­be­din­gungen realisier ist.  haben wir. Ein Knack­punkt auf dem Weg der Trans­for­mation ist und bleibt die Gesetzgebung.

Speicher

Bedenkt man, dass erneu­erbare Energien mit ihren jewei­ligen Leistungs­peaks ganz andere Anfor­de­rungen mit sich bringen, wird klar, dass auch über die Speicherung disku­tiert werden muss. Uwe Lenk (Siemens Energy) berichtete von einem Pilot­projekt eines Energie­spei­chers in Basalt­ka­vernen und ging der Frage nach, welchen Beitrag die Industrie zur Unter­stützung der Netzsta­bi­lität durch den Einsatz von Speichern leisten kann. Über Wärme­ma­nagement und Anlagen­technik und die effiziente Gestaltung indus­tri­eller Wärme­ströme, sprach Jörg Koschkar (Head Project Engineering and Mecha­nical Design | Siemens Energy). Im Workshop 4 ging es dann um Hochtem­pe­ratur-Wärme­speicher. Unter der Workshop­leitung von Dr. Thomas Bauer (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt – DLR) berich­teten drei Unter­nehmen über ihre markt­reifen Anlagen­typen zur effizi­enten und nachhal­tigen Speicherung von Wärme. Die Teilneh­menden konnten zusammen mit Jonas Witt und Marc Mauermann von der ENERGYNEST GmbH (Wärme­träger: Spezi­al­beton), Peter Kordt von LUMENION (Wärme­träger: Stahl) und Lars Marti­nussen von der Kyoto Group SE (Wärme­träger: Flüssigsalz) disku­tieren. Neben techni­schen und organi­sa­to­ri­schen Fragen („before or behind the meter?“) ging es um Erfah­rungen mit Referenz­an­lagen und Key Perfor­mance Indicators (KPI). Deutlich wurde zudem, dass Regula­torik und Organi­sation eng betrachtet werden müssen. Disku­tiert wurde über Netzent­gelte (Dynamische Netzent­gelte, „Strom­preis nutzen statt abregeln“) und über Förder­mög­lich­keiten. Bei Letzterem müsste man schauen, inwiefern auch eine Erwei­terung der KWK-Förderung für Speicher inter­essant wäre.

Mit neuen Impulsen, inter­es­santen Kontakten und vielen spannenden Einblicken – nicht zuletzt durch den Werks­rundgang bei Siemens Energy „Trans­for­mation of Industry“ – (Stimmungsbild mit alter Maschine anbei) bleibt nach dem Summit 2024 die Vorfreude auf die nächsten Veran­stal­tungen des CDI.

(Dirk Buchsteiner)

 

Betrug mit Klima­schutz­pro­jekten in der Ölbranche

Kennen Sie noch die Geschichte mit den Potem­ki­schen Dörfern? Fürst Potjomkin habe Aufbau­erfolge als Gouverneur zum Besuch der Zarin durch bemalte Kulissen vorge­täuscht, um vor ihr besser dazustehen. Im Juni 2024 wurde bekannt, dass es in China wohl großan­gelegt gefälschte Projekte zur CO2-Minderung, sogenannte Upstream-Emissions-Reduk­tions-Projekte (UER) gibt. Die Auswertung von Satel­li­ten­bildern brachte wohl den Stein ins Rollen. Doch geht es hierbei nicht um den guten Eindruck, wie bei Fürst Potjomkin, sondern um Milli­arden und die Glaub­wür­digkeit eines wichtigen Instru­ments des Klima­schutzes. Das Umwelt­bun­desamt (UBA), das diese Projekte zerti­fi­ziert hat, zieht nun die Notbremse, wie heute in einer Presse­mit­teilung verkündet wurde. Fehler­hafte Zerti­fikate in Höhe von rund 215.000 Tonnen CO2 gelangen nicht in den Markt.

Mit Upstream-Emissions-Reduk­tions-Projekten haben Ölkon­zerne laut einem Bericht des BMUV seit 2018 die Möglichkeit, die gesetz­lichen Klima­schutz­ziele im Verkehrs­sektor zu erreichen. Die meisten dieser Projekte zielen darauf, den CO2-Ausstoß bei der Ölför­derung zu reduzieren, indem dabei anfal­lende Begleitgase nicht mehr abgefa­ckelt, sondern durch Umbau der Anlage ander­weitig genutzt werden. Für die so einge­sparten Emissionen erhalten die Unter­nehmen UER-Zerti­fikate, die sie einsetzen können, um die THG-Quote zu erfüllen.

Bei acht UER-Projekten in China, bei denen bis zum 31. August 2024 über die Freischaltung entschieden werden musste, werden wir aufgrund von uns ermit­telter Unregel­mä­ßig­keiten die beantragten Freischal­tungen nicht durch­führen. Es werden aus diesen Projekten also keine neuen UER-Zerti­fikate in den Markt gelangen. Das ist eine gute Nachricht“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner.

Bei sieben der acht Projekte – die von großen, inter­na­tio­nalen Unter­nehmen durch­ge­führt werden – wurden die Anträge auf Freischaltung von UER-Zerti­fi­katen für 2023 zurück­ge­zogen. Insgesamt hat das UBA auf diese Weise verhindert, dass unberech­tigte UER-Zerti­fikate im Umfang von 159.574 Tonnen CO2-Äquiva­lente in den Markt gelangt sind. Bei einem weiteren Projekt in China hat das UBA die Ausstellung von UER-Zerti­fi­katen untersagt, weil das Projekt, wie umfas­sende Satel­li­tenbild- und vertiefte technische Analysen durch UBA-Experten ergaben, vorzeitig begonnen wurde. Ein solcher vorzei­tiger Beginn ist nach der Verordnung zur Anrechnung von Upstream-Emissi­ons­min­de­rungen auf die Treib­haus­gas­quote (UERV) nicht zulässig. Hier hat das UBA durch die Versagung der Freischaltung verhindert, dass allein aus diesem Projekt unberech­tigte UER-Zerti­fikate im Umfang von 55.225 Tonnen CO2-Äquiva­lenten in den Markt gelangten.

In weiterem 21 Projekten wurden die Projekt­träger um Autori­sierung von Kontroll­be­suchen vor Ort gebeten, doch diese vielfach verweigert. Diese Verwei­gerung der Vor-Ort-Kontrollen deutet das UBA als sehr starkes Indiz, dass die Projekt­träger nicht bereit sind, ihre Verpflich­tungen unter der UERV zu erfüllen.

Neben den acht nun nicht freige­schal­teten Projekten wird das UBA weitere kritische UER-Projekte weltweit überprüfen, bis alle Vorwürfe ausge­räumt sind. Parallel ermittelt – laut Presse­mit­teilung – die Staats­an­walt­schaft Berlin gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemein­schaft­lichen gewerbs­mä­ßigen Betruges. Bei den Beschul­digten handelt es sich um die Geschäfts­führer bzw. Mitar­bei­tende von Prüfstellen, die an der Verifi­zierung UER-Projekten beteiligt gewesen sein sollen. Gegen die Beschul­digten bestehe der Anfangs­ver­dacht, die zustän­digen Mitar­bei­tenden des UBA hinsichtlich der Existenz und/oder jeden­falls der Antrags­be­rech­tigung verschie­dener Klima­schutz­pro­jekte getäuscht zu haben, weshalb zwischen­zeitig gewährte Sicher­heiten der Projekt­träger nicht zugunsten der Staats­kasse verein­nahmt werden konnten. (Dirk Buchsteiner)

2024-09-06T14:53:21+02:006. September 2024|Emissionshandel, Klimaschutz, Umwelt|

Über Fische im Straf­prozess oder: Die Haftung lauert überall

Im Umwelt­recht sind Ordnungs­wid­rig­keiten schneller verwirk­licht als man denkt. Die Nicht­be­achtung von bußgeld­be­währten Vorschriften reicht aus. Umwelt­straf­taten sind dem gegenüber besonders schwer­wie­gende Zuwider­hand­lungen gegen das Umwelt­recht. Sind Umwelt­straf­taten verwirk­licht, werden diese mit Geld- oder Freiheits­strafen geahndet. Dadurch bringt der Gesetz­geber zum Ausdruck, dass die Gesell­schaft diese schweren Verstöße gegen das Umwelt­recht besonders missbilligt. Umwelt­recht­liche Straf­tat­be­stände finden sich in den §§ 324 ff. im 29. Abschnitt des Straf­ge­setz­buches (StGB) unter dem Titel „Straf­taten gegen die Umwelt“ und in einigen Umwelt­ge­setzen (z. B. §§ 27 ff Chemi­ka­li­en­gesetz, §§ 71, 71a Bundes­na­tur­schutz­gesetz. Gleich­zeitig hat der Gesetz­geber mit diesen Regelungen europäische Vorgaben zur wirksamen Umwelt­pflege (EU-Richt­linie Umwelt­straf­recht, 2008/99/EG) umgesetzt.

Das StGB kennt bisher 9 besondere Straf­tat­be­stände, die wir aus der Richt­linie 2008/99/EG übernommen haben. Durch die am 20.05.2024 in Kraft getretene Richt­linie (EU) 2024/1203 ist diese ersetzt worden. Die neue Richt­linie fordert den natio­nalen Gesetz­geber bis 2026 zur Erwei­terung der Liste von Umwelt­straf­taten auf. Zukünftig werden nun zwanzig Handlungen gegenüber der Umwelt strafbar. Die Mitglied­staaten sollen zum Beispiel sicher­stellen, dass eine rechts­widrige Abfall­be­wirt­schaftung eine Straftat darstellt, wenn eine derartige Handlung gefähr­liche Abfälle in nicht unerheb­licher Menge oder andere Abfälle betrifft und solche anderen Abfälle erheb­liche Schäden für die Umwelt oder die mensch­liche Gesundheit verur­sachen oder dazu geeignet sind, dies zu verur­sachen. Spannend wird es sein, die unbestimmten Begriffe wie „nicht unerheb­liche Menge“ näher zu bestimmen.

Zu erwarten ist, dass § 330 StGB – der besonders schwere Fall einer Umwelt­straftat –, um weitere Quali­fi­ka­tionen erweitert wird. Führen Straf­taten (vielfach wird in diesem Kontext von „Ökozid“ gesprochen) zur Zerstörung oder zu einer großflä­chigen und erheb­lichen Schädigung, die entweder irrever­sibel oder dauerhaft ist, eines Ökosystems von beträcht­licher Größe oder ökolo­gi­schem Wert oder eines Lebens­raums innerhalb eines Schutz­ge­biets oder zu einer großflä­chigen und erheb­lichen Schädigung, die entweder irrever­sibel oder dauerhaft ist, der Luft‑, Boden- oder Wasser­qua­lität, so sollten Straf­taten, die solche katastro­phale Folgen herbei­führen nach der Richt­linie „quali­fi­zierte Straf­taten“ darstellen.

Insgesamt folgen aus der Richt­linie schärfere Straf­rahmen und Sanktionen, insbe­sondere werden in Zukunft auch Unter­nehmen straf­rechtlich sanktio­niert. Dies geht weit über den Verfall von aus der Tat gezogenen Früchten hinaus, was auch bisher schon möglich ist.

Die Betei­ligung der Öffent­lichkeit als Dritte sollte auch mit Spannung erwartet werden. „The fish cannot go to court“ (und brauchen daher Unter­stützung) heißt es dann nicht nur im verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren (siehe hier), sondern zukünftig auch vor den Straf­ge­richten. So sollen Mitglieder der betrof­fenen Öffent­lichkeit im Namen der Umwelt als öffent­liches Gut handeln können. Wie diese neuen Verfah­rens­rechte für die Mitglieder der betrof­fenen Öffent­lichkeit aussehen sollen, bleibt abzuwarten. (Dirk Buchsteiner)

2024-09-05T20:12:31+02:005. September 2024|Abfallrecht, Umwelt, Umweltstrafrecht|