EU-Kreislaufgesetzgebung – Was kommt durch den Clean Industrial Deal auf uns zu?
Im Rahmen des Clean Industrial Deal (wir berichteten schon hier) sind EU-Gesetze zu Kreislaufwirtschaft und kritischen Rohstoffen („Circular Economy Act“ und „Critical Raw Materials Act“) geplant. Diese stehen im Mittelpunkt der europäischen Industrie- und Umweltstrategie. Sie knüpfen an den European Green Deal (Klimaneutralität 2050) und den 2020 Circular Economy Action Plan an, der bereits eine Verdopplung der Materialkreislaufquote anstrebt. Unter Präsidentin von der Leyen wird im „Clean Industrial Deal“ (Februar 2025) betont, dass eine effiziente Ressourcennutzung „Decarbonisation into a driver of growth“ verwandeln soll. Darin sind der Circular Economy Act (geplant für Q4 2026) und ein EU-Zentrum für gemeinsame Rohstoffbeschaffung (bis 2026) als Meilensteine vorgesehen. Als Zwischenziel soll der Anteil kreislauffähiger Materialien von heute etwa 11,8 % auf 24 % bis 2030 steigen.
Schon heute existiert ein umfassendes EU-Regelwerk zum Abfallrecht und nachhaltigen Produkten: So regelt die Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG grundlegende Abfallhierarchie und Recyclingziele (z.B. 60 % Recyclingquote für Siedlungsabfall bis 2030). Die Verpackungs- und Verpackungsabfallrichtlinie (94/62/EG) wurde mit der neuen Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR 2025/40) ersetzt. Seit Februar 2025 sind z.B. bindende Ziele verankert: das Verpackungsaufkommen pro Kopf soll bis 2030 um 5 % sinken, bis 2035 um 10 % gegenüber 2018. Ab 2030 muss sämtliches in Verkehr gebrachtes Verpackungsmaterial recyclingfähig sein, zudem gelten Quoten für Rezyklate (z.B. steigende Pflichtanteile in Kunststoffverpackungen). In bestimmten Bereichen – etwa Lebensmittelbehälter, Einwegbecher oder Getränkeverpackungen – sind Reuse-/Pfandsysteme vorgeschrieben. Parallel wurde das Ökodesign-Recht deutlich ausgeweitet: Seit Juli 2024 gilt die Ecodesign-for-Sustainable-Products-Verordnung (ESPR), die die alte Ökodesign-Richtline ablöst Die Ökodesignverordnung deckt nun fast alle physischen Produkte ab. Sie schreibt strenge Produktanforderungen vor: neue Kriterien für Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwertbarkeit und Gesundheitsschutz. Neu eingeführt wurden z.B. Digitale Produktpässe („Digital Product Passports“), die Materialgehalt, Herkunft und Recyclingfähigkeit eines Produkts elektronisch dokumentieren. Wie das technisch umgesetzt wird, ist jedoch noch ungewiss. Auch wird das Vernichten unverkaufter Textilien/Fußbekleidung ausdrücklich verboten. Weitere Regelungen – etwa zur Entsorgung von Elektronikschrott (WEEE-Richtlinie), Batterierecycling oder Mehrweg- und Pfandsystemen – existieren bereits. Der geplante Circular Economy Act (CEA) soll dieses Geflecht jedoch stärker harmonisieren, nationale Alleingänge einschränken und ggf. bisher unregulierte Lücken (z.B. End-of-Waste-Kriterien, Stoffsteuern) schließen.
Der Circular Economy Act („CEA“) ist ein noch nicht finalisiertes Gesetzespaket der EU, das voraussichtlich 2026 vorgestellt wird. Ein Ziel ist die Schaffung eines echten Binnenmarkts für Abfall und Sekundärrohstoffe. Der Anwendungsrahmen ist noch nicht klar, der Fokus dürfte jedoch insbesondere mit Blick auf kritische Rohstoffe (siehe auch Critical Raw Materials Act (Verordnung (EU) 2024/1252) stehen.
Die Kommission kündigt an, Regelungen so zu vereinfachen, dass einheitliche Rahmenbedingungen für Recycling, Wiederverwendung und Rohstoffnutzung gelten. Konkret geht es um Zielvorgaben für den Materialkreislauf: Im CEA könnten sich verbindliche Quoten für Recycling und Rezyklatanteile wiederfinden. Beispielsweise enthält der Zeitplan des Clean Deal das Ziel, 24 % der Materialien bis 2030 recycelt oder wiederverwendet zu haben. Andere Szenarien sprechen von ambitionierten Recyclingquoten nach Sektoren und Produktgruppen. Zudem sind einheitliche Produktstandards angedacht: Der CEA dürfte die ESPR-Vorgaben ergänzen. Laut Kommissions-Arbeitsprogramm sollen Produkte mit knappen (bzw. kritischen) Rohstoffen länger im Kreislauf bleiben. Der Rechtsakt könnte dann gesonderte Mindestanforderungen an Reparierbarkeit, kreislauffähiges Design und Rezyklatanteile einführen. Beispielsweise könnten Hersteller verpflichtet werden, Produktteile nach Gebrauch zurückzunehmen oder Recyclingfähigkeit nachzuweisen. Es kann auch erwartet werden, dass der CEA Anreize schafft, um Sekundärmaterialien attraktiver zu machen (z.B. durch Handelsregeln oder Investitionsförderung). So soll der Markt für Rezyklate gestärkt werden. Wahrscheinlich wird die EU-Ebene weitere Standardregeln für End-of-Waste-Kriterien erlassen (wann Abfälle als also das Ende des Abfallrechts erreichen und produktrechtliche Regelungen gelten), um grenzüberschreitenden Handel mit Sekundärstoffen zu erleichtern. Hierbei wird gerade der Grenzbereich zu produktrechtlichen Anforderungen (beispielsweise REACH) spannend, die durchaus Erschwernisse mit sich bringen und insbesondere im Kunststoffrecycling mitunter kaum zu überwindende Hürden darstellen.
Insgesamt sollte es darum gehen, Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Gleichzeitig soll durch ein EU-weites Regelwerk der bürokratische Aufwand der Unternehmen sinken und Doppelregelungen zwischen Mitgliedstaaten vermieden werden. Wird der Kreislaufrechtsakt als EU-Verordnung ausgestaltet ist sie direkt anwendbar in allen Mitgliedstaaten. Damit entfiele in vielen Fällen die nationale Umsetzung, Rechtsunsicherheit durch divergierende Vorschriften sinkt. Für Unternehmen bedeutete dies: Einerseits größere Planungssicherheit durch einen einheitlichen Rechtsrahmen; andererseits neue Pflichten und Compliance-Anforderungen (z.B. erweiterte Dokumentations‑, Reporting- und Nachweispflichten). (Dirk Buchsteiner)
StVO-Reform und VG Berlin: Doppelter Rückenwind für Kiezpoller
Aktuell gibt es aus Berlin starken rechtlichen Rückenwind für die dort sogenannten „Kiezblocks“, auch Superblocks (in Barcelona: „superilles“) genannt. Zum einen sind das zwei Gerichtsentscheidungen zu Pollern im Reuterkiez und in der Auguststraße, zum anderen die Reform der Straßenverkehrsordnung, die noch bessere Möglichkeiten bietet, und in den Gerichtsentscheidungen noch nicht richtig berücksichtigt werden konnte.

Modalfilter in Toronto: Keine Probleme mit der StVO (Foto: Olaf Dilling).
Die Gerichtsentscheidungen zeigen, dass Sperren für den Durchgangsverkehr je nach örtlichen Gegebenheiten, Unfallhäufigkeit und begleitenden Anordnungen bereits nach „altem“ Straßenverkehrsrecht möglich waren. Das soll hier nur kurz angerissen werden:
- In der ersten Entscheidung zum Reuterkiez ging es – ähnlich wie in Barcelona – um ein System von Einbahnstraßen, die an bestimmten Kreuzungen mit sogenannten Modalfiltern ausgestattet sind. Das sind Pollerreihen, die nur Fahrrad- und Fußverkehr ermöglichen, aber für Kfz unpassierbar sind.
Grundsätzlich gilt im Straßenverkehrsrecht für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs das Erfordernis einer qualifizierte Gefahrenlage gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erheblich über dem Durchschnitt (typischer Straßen) liegen muss.
Eine Ausnahme gilt gemäß § 45 Abs. 1b Nr. 5 StVO für ein Verkehrskonzept der Gemeinde zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung. Nach Auffassung des Bezirks lag ein solches Verkehrskonzept vor. Das Konzept muss aber tatsächlich von der Gemeinde beschlossen worden sein (nicht auf unselbständiger Bezirksebene, sondern in Berlin auf Ebene des Senats). Es muss außerdem so konkret sein, dass es von der Straßenverkehrsbehörde ohne Zwischenschritte umgesetzt werden kann.
Weil beides aus Sicht des Gerichts nicht zutraf, hat es die Planungen des Bezirks nicht als Verkehrskonzept nach § 45 Abs. 1b Nr. 5 StVO zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung anerkannt. Das hatte zur Folge, dass die Anforderungen an die in den Straßen vorliegende Gefahr gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 Satz 3 StVO erhöht waren.
Aber selbst diese qualifizierte Gefahrenlage lag nach Auffassung des Gerichts vor: Wegen der Verkehrszahlen und der Zusammensetzung des Verkehrs bestand eine qualifizierte Gefahr, die zu häufigen Unfällen geführt hat. Daher hat das Gericht in einem Eilbeschluss den vorläufigen Rechtsschutz der Kläger gegen die Poller zurückgewiesen.
D.h. der Fall Reuterkiez zeigt, dass es bei entsprechender Verkehrsdichte und Unfallwahrscheinlichkeit durchaus möglich ist, eine Modalsperre aufgrund einer qualifizierten Gefahr gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 Satz 3 StVO ‑dem straßenverkehrsrechtlichen Normalfall – zu errichten. - In der zweiten Entscheidung, einem Urteil des VG Berlin, sollte der Modalfilter dazu dienen, eine Fahrradstraße in der Tucholskystraße „flankierend“ zu begleiten. Da für die Einrichtung einer Fahrradstraße gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 4 Nr. 2 StVO eine Ausnahme vom Erfordernis der qualifizierten Gefahr gilt, war – so wie schon in der Eilentscheidung des VG Berlin zum selben Fall – nur eine einfache Gefahr nachzuweisen.
D.h. Ausnahmeregelungen wie städtebauliche Verkehrskonzepte und Fahrradstraßen erleichtern es unter erleichterten Bedingungen, Modalsperren einzurichten, die der Verkehrssicherheit und der Erleichterung des Fahrrad- und Fußverkehrs dienen.
Die Verzahnung von nachhaltiger Stadtplanung und konkreter Regelung des Verkehrs ist seit der letzten Reform der StVO 2024 noch verbessert worden. Entscheidend ist insofern, dass inzwischen die Bereitstellung von angemessenen Flächen für den Fahrrad- und Fußverkehr unter erleichterten Bedingungen möglich ist. Hier dazu einige Stichpunkte:
- Zentral ist, dass durch die Reform die Einrichtung einer Sperre nicht mehr auf einer Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs begründet werden muss, sondern weitere Gründe, Umwelt- und Gesundheitsschutz und städtebauliche Entwicklung zulässig sind,
- dies setzt in der Regel ein Gesamtkonzept (das aber auch nur für bestimmte Verkehrsarten oder ein Stadtviertel gelten kann) voraus, in dem die zu erwartenden Effekte auf das Schutzgut (Umwelt, Gesundheit oder Stadtentwicklung) dargestellt werden. Typischerweise muss das Konzept insgesamt zu einer Verkehrsverlagerung vom Kfz auf den Umweltverbund führen, um sich etwa umwelt- oder gesundheitschützend auszuwirken.
- Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs spielen weiterhin eine Rolle, aber es geht nur darum, eine Verschlechterung der Verkehrssicherheit zu verhindern (z.B. durch Ausweichverkehre) und bezüglich der Leichtigkeit des Verkehrs abzuwägen. Die Leichtigkeit gilt für alle Verkehrsarten und wird in Bezug auf das Gesamtsystem des Verkehrs betrachtet: Einzelne Verkehrsarten müssen gegebenenfalls zurückstehen. D.h. Modalfilter beeinträchtigen zwar zweifellos die Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs, dies kann aber durch die Erleichterung von Rad- und Fußverkehr sowie die positiven Effekte für Umwelt, Gesundheit oder Stadtentwicklung (Aufenthaltsqualität) aufgewogen werden.
Alles in Allem dürfte es in Zukunft rechtlich sehr viel leichter sein, Kiezblocks zu konzipieren und Modalsperren anzuordnen und das auch mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts, das gegenüber straßenrechtlichen Lösungen, insbesondere der Teileinziehung von Straßenabschnitten, den Vorteil einer größeren Flexibilität und Bestimmtheit bietet. (Olaf Dilling)
Wer ist der Kunde? – Zu BGH v. 15.04.2025, VIII ZR 300/23
Die Frage, wer eigentlich der Kunde ist, stellen sich Energieversorger durchaus häufiger als andere Unternehmen. Das liegt daran, dass es im Bereich der Daseinsvorsorge besondere Regelungen für diejenigen Haushaltskunden gibt, die keinen Vertrag im engeren Sinne abgeschlossen haben, sondern durch die schlichte Inanspruchnahme von Strom, Gas oder Wärme ein implizites Angebot des Versorgers angenommen haben. In einem etwas kuriosen Fall hat nun am 15. April 2025 der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Az. VIII ZR 300/23, hier die Pressemitteilung).
In diesem Fall hatte ein Vermieter eine Wohnung nicht an einen einzelnen Mieter vermietet, sondern jedes Zimmer separat. Diese Konstellation unterscheidet sich von den üblichen Wohngemeinschaften, in denen es normalerweise einen Hauptmieter gibt. Die Wohnung verfügte jedoch nur über einen Zähler für Strom und Gas. Ein ausdrücklicher Sonderkundenvertrag existierte nicht. Mit anderen Worten: Alle Mieter haben ohne ausdrücklichen Vertrag beleuchtet, gekocht und geheizt. Es fielen Kosten an, und der Versorger stellte dem Vermieter eine Rechnung.
Der Vermieter wehrte sich: Er sei nicht der Kunde. Das Amtsgericht Kiel sah dies in seinem Urteil aus dem Jahr 2021 genauso und wies die Klage des Grundversorgers auf Zahlung der Entgelte ab. Das Landgericht Kiel und nun auch der Bundesgerichtshof beurteilten das jedoch anders. Der Versorger habe sein konkludentes Versorgungsangebot nicht an die einzelnen Mieter oder an eine Gesamtheit von Mietern gerichtet, da sich der Verbrauch mangels separater Zähler nicht den einzelnen Mietern zuordnen lasse. Die Mieter hätten zudem kein Interesse daran, für den Verbrauch der anderen Mieter einzustehen, anders als etwa in klassischen Wohngemeinschaften, in denen meist eine engere Verbindung zwischen den Bewohnern besteht. Laut BGH kam das Angebot daher nur gegenüber dem Vermieter zustande. Dieser muss die Energiekosten tragen und selbst sehen, ob und wie er sich die Beträge von seinen Mietern erstatten lässt.
Was halten wir von dieser Entscheidung? Sie ist zwar pragmatisch, wenn man vom Interesse des Versorgers ausgeht, überhaupt auf einen Vertragspartner zugreifen zu können. Schaut man jedoch genauer hin, zeigt sich, dass es an vielen Ecken und Enden hakt. Schließlich hat nicht der Vermieter die Heizung aufgedreht oder das Licht eingeschaltet. Allerdings ist der Vermieter die einzige Person in diesem rechtlichen Geflecht, die Einfluss auf die Situation hatte. Er hat sich für die Vermietung einzelner Zimmer entschieden und es liegt in seiner Hand, im Rahmen des Mietrechts vertraglich zu regeln, ob und wie die Kosten auf die Mieter umgelegt werden (Miriam Vollmer).
Inkrafttreten von § 2a der BioAbfV
Die Bioabfallverordnung (BioAbfV) regelt die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden. Wir erinnern uns, 2022 gab es eine „kleine Novelle“ der Bioabfallverordnung mit gestaffeltem Inkrafttreten von einzelnen Vorschriften. Die Anforderungen an die Fremdstoffentfrachtung in § 2a traten nun zum 01.05.2025 in Kraft.
Hierin heißt es u.a.: Der Anteil der Fremdstoffe Glas, Metalle und Kunststoffe mit einem Siebdurchgang von mehr als 2 Millimetern darf zusammen einen Höchstwert von 0,5 vom Hundert, bezogen auf die Trockenmasse des Materials, bei den in Absatz 1 genannten Bioabfällen und Materialien nicht überschreiten (…).
Zu diesen Anforderungen gehört unter anderem auch, dass Aufbereiter, Bioabfallbehandler und Gemischhersteller übernommene verpackte Bioabfälle – insbesondere verpackte Lebensmittelabfälle – zunächst von anderen Bioabfällen getrennt halten und eine gesonderte Verpackungsentfrachtung durchführen müssen. Die Fremdstoffe, sprich, Verpackungen, sollen dabei in möglichst großstückigem Zustand aussortiert werden.
Von Verbandsseite wird diese Verschärfung durchaus begrüßt. Vom BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs‑, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. hieß es dazu: „Wir unterstützen die neuen Vorgaben, da sie den Eintrag von Kunststoffen und anderen Störstoffen in die Umwelt reduzieren und die Qualität der Bioabfälle deutlich verbessern“. „Eine sorgfältige Getrenntsammlung war schon immer erforderlich. Kunststoffe, Metalle und Glas gehören nicht in die Biotonne, da sie hohe Behandlungskosten verursachen und die Qualität der Komposte mindern. Die neuen Grenzwerte richten sich primär an die Kommunen, die durch Abfallsatzungen Anreize für bessere Mülltrennung schaffen können – etwa durch Öffentlichkeitsarbeit, Gebührenmodelle oder Sanktionen bei Fehlwürfen. Mit kluger lokaler Steuerung müssen dadurch keine zusätzlichen Kosten für Bürgerinnen und Bürger entstehen“. (so steht es zumindest im Recycling Magazin).
So richtig es auch ist, Bioabfall von Fremdstoffen zu trennen, so bauschschmerzbehaftet ist es dann doch oftmals in der Praxis. Fehlwürfe sind ein Problem, besonders in Städten. Was in welche Tonne kommt, lernt man zwar auch in der Schule (oder sollte es dort lernen). Doch gilt hier auch der Grundsatz, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Steigende Kosten sind dann die logische Folge, denn wenn nicht am Entstehungsort getrennt wird, helfen am Ende auch modernste Maschinen nicht, heißt es aus der Praxis. Der Verbraucher hat mitunter immer noch nicht gelernt, dass die Plastiktüte („ist doch komposttierbar!“) nicht in die Biotonne gehört. Auch zu den Biomüllpapiertüten gibt es unterschiedliche Meinungen. In Berlin sind diese gestattet, woanders nicht. Das Ziel sollte aber sein, dass am Ende dann Energie produziert bzw. ein guter Kompost aus dem Bioabfall hergestellt wird. Für letzteren besteht dann auch die Hoffnung, dass dieser auch beim Behandler das Ende der Abfalleigenschaft erreicht. Doch das ist ein anderes Thema. (Dirk Buchsteiner)
Achtung: Ab dem 28. Juni 2025 gelten die Pflichten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das bereits im Juli 2021 in Kraft trat, hat das Ziel, die Barrierefreiheit in Deutschland deutlich zu verbessern – insbesondere im digitalen und technischen Bereich. Es setzt die EU-Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen um.
Kerninhalt des Gesetzes ist die Verpflichtung von Wirtschaftsakteuren (z. B. Herstellern, Händlern und Dienstleistern), bestimmte Produkte und Dienstleistungen – etwa Geldautomaten, E‑Books, Webseiten, Apps oder Telekommunikationsdienste – so zu gestalten, dass sie auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar sind.
Das Gesetz gilt ab dem 28. Juni 2025 verbindlich, enthält aber Übergangsfristen, insbesondere für kleinere Unternehmen. Es soll dazu beitragen, gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung im Alltag zu fördern. Kleine Unternehmen des Dienstleistungssektors (unter 10 Mitarbeitende und 2 Mio. € Jahresumsatz) sind teilweise ausgenommen.
Von besonderer Bedeutung ist dabei für viele Unternehmen, insbesondere auch in der Energiewirtschaft die Pflicht zur barrierefreien Ausgestaltung von Websites. Damit eine Website im Sinne des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) als barrierefrei gilt, muss sie bestimmte technische und gestalterische Anforderungen erfüllen, die vor allem auf der internationalen Norm EN 301 549 und den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 basieren. Die wichtigsten Anforderungen sind:
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Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle Nutzer*innen erkennbar sein – z. B. durch Textalternativen für Bilder, ausreichende Kontraste und gut strukturierte Überschriften.
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Bedienbarkeit: Die Website muss vollständig per Tastatur nutzbar sein und darf keine Inhalte enthalten, die Krampfanfälle auslösen könnten (z. B. blinkende Elemente).
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Verständlichkeit: Die Inhalte und Navigation sollen klar, einfach und vorhersehbar sein.
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Robustheit: Die Website muss mit verschiedenen assistiven Technologien (z. B. Screenreadern) kompatibel sein.
Zusätzlich muss die Website eine Erklärung zur Barrierefreiheit enthalten sowie eine Möglichkeit zur Feedback-Abgabe, falls Nutzer auf Barrieren stoßen.
Unternehmen, die gegen die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) verstoßen, müssen mit verschiedenen rechtlichen Konsequenzen rechnen:
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Durchsetzung durch Marktüberwachung: Behörden der Marktüberwachung (z. B. Bundesnetzagentur oder Landesbehörden) kontrollieren die Einhaltung der Vorgaben. Bei Verstößen können sie Maßnahmen wie Rückrufe, Verkaufsverbote oder Nachbesserungen anordnen.
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Bußgelder: Das Gesetz sieht empfindliche Bußgelder vor – bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen gegen die Barrierefreiheitsanforderungen können diese bis zu 100.000 Euro betragen (§ 29 BFSG).
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Abmahnungen. Wettbewerber und auch Verbände und Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen können rechtlich gegen barrierefreie Mängel vorgehen. Es besteht die Gefahr von Abmahnungen oder gerichtlichen Klagen.
Diese Sanktionen gelten insbesondere ab dem 28. Juni 2025, wenn das Gesetz verbindlich in Kraft tritt.
(Christian Dümke)
Zurück zu Tempo 50 = zurück zur StVO?
Der CDU-Fraktionschef des Berliner Abgeordnetenhauses Stettner hat laut rbb24 angekündigt, in 23 Hauptstraßen in Berlin Tempo 30 aufzuheben, an Stellen, wo die Vorgängerregierung dies eingeführt hatte. Man wolle damit „grüne Verbotsfantasien rückgängig“ machen und – so wörtlich – „zur StVO zurückkehren“. Diese Aussage ist aus verschiedenen Gründen überraschend:
Zum einen sind uns in unserer Erfahrung mit dem Verkehrsrecht wenig Fälle begegnet, wo die Verwaltung frei von allen Zwängen der StVO Verkehrsregelungen anordnet. Im Gegenteil. Oft werden in Deutschland Regelungen, die relativ unkontrovers, weil sinnvoll und politisch mehrheitlich gewollt sind, nicht umgesetzt, weil die Straßenverkehrsbehörden oder Tiefbauämter sich dagegen sperren – unter Verweis auf die StVO. In Berlin ist das nicht viel anders, ob unter einer von SPD und Grünen oder von CDU und SPD geführten Regierung. Tatsächlich wurden einige Tempo 30-Strecken aus Gründen der Luftreinhaltung eingeführt. Aufgrund der Verbesserung der Luftqualität könnte nun geprüft werden, ob dies noch nötig ist. Mit willkürlichen „Verbotsfantasien“ hat das aber wenig zu tun.
Zum anderen wurde die StVO gerade reformiert, um für Kommunen Tempo 30 zu ermöglichen. Wir haben vorletzte Woche darüber berichtet. Es gibt nun viele neue Möglichkeiten, die in den Städten zusammengenommen manchmal sogar dazu führen, dass sich ein Großteil des Hauptstraßennetzes mit Tempo 30-Strecken überspannen lässt. Allerdings war ja bei der Reform von Möglichkeiten die Rede. Können die Kommunen also entscheiden, ob sie vor Schulen, Altenheimen, Kindergärten, neuerdings auch Spielplätzen, an hochfrequentierten Schulwegen oder Zebrastreifen Tempo 30 anordnen? Oder sind sie in manchen Fällen sogar dazu verpflichtet?
Ein Blick in die StVO könnte den Eindruck erwecken, dass der Verwaltung in diesen Fällen freie Hand eingeräumt wird. Denn die Möglichkeit, hier auch auf Hauptstraßen Tempo 30 anzuordnen, beruht auf einer Ausnahme, nämlich § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO, die die Begründungsanforderungen reduziert: Statt einer qualifizierten reicht eine einfache Gefahr zur Begründung der Geschwindigkeitsbegrenzung. Allerdings steht hinter dieser Differenzierung auch eine verfassungsrechtliche Bewertung. Die Grundrechte auf Leben und Gesundheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG, die auf dem Spiel stehen, wenn vor sensiblen Einrichtungen zu schnell gefahren wird, haben besonderen Schutz verdient. Das Leben wird von der Verfassung höher bewertet als die persönliche Freiheit, schnell mit dem Auto zu fahren.
Das spiegelt sich auch in der Verwaltungsvorschrift zur StVO wider. Dort heißt es nämlich, dass vor den genannten Einrichtungen die Geschwindigkeit „in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken“ ist. Ausnahmen sind nur dann möglich, wenn negative Auswirkungen auf den ÖPNV, insbesondere Taktverkehr, oder Verlagerungen auf Wohnnebenstraßen drohen.
Bei den neuen Gründen für Temporeduzierungen muss unterschieden werden:
Bei den hochfrequentierten Schulwegen ist es genauso wie mit den sensiblen Einrichtungen. Hier ist im Regelfall eine Geschwindigkeitsbegrenzung erforderlich und nur bei den bereits genannten Gründen (ÖPNV und Ausweichverkehre) ist eine Ausnahme möglich.
Anders ist es dagegen bei den Fußgängerüberwegen. Hier „kann“ die Verwaltung in ihrem unmittelbaren Bereich eine Geschwindigkeitsreduzierung anordnen. Ein Ermessen hat die Verwaltung auch bei Lückenschlüssen, die inzwischen von 300 auf 500 m ausgedehnt werden können. Laut Verwaltungsvorschrift kommen sie „in Betracht“, sind aber nicht zwingend.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es viele Gründe gibt, wegen denen Tempo 30 zwingend angeordnet werden muss, es sei denn es bestehen begründete Ausnahmen. Andere Gründe kann die Verwaltung in Anspruch nehmen, muss es aber nicht. Was schlicht nicht geht ist unter dem Schlachtruf „zurück zur StVO“ pauschal alle Tempo 30-Beschränkungen auch vor sensiblen Einrichtungen wie Schulen, Altenheimen und neuerdings auf hochfrequentierten Schulwegen zurückzunehmen. Letztlich ist die StVO Bundesrecht, das Länder wie Berlin ausführen müssen und dabei nur begrenzte Spielräume haben. (Olaf Dilling)