TEHG: Wie jetzt weiter mit Biomasse?
In ziemlich grauer Vorzeit waren EEG-Anlagen nicht im TEHG. Man war also entweder grün, dann musste man beim Emissionshandel nicht mitmachen. Oder man war fossil, dann bekam man kein Geld aus dem Topf für die Erneuerbaren. Aktuell ist das im § 2 Abs. 5 TEHG aber nicht so geregelt. Hier heißt es vielmehr, dass nur Anlagen, die ausschließlich Klärgas, Deponiegas, Biogas oder Biomasse verbrennen dürfen, außen vor sind. Wer also alles Mögliche verbrennen darf, aber fossile Brennstoffe nur sehr begrenzt oder gar nicht nutzt, hat Glück gehabt. Er bekommt u. U. eine Zuteilung, muss aber nichts oder nur sehr wenig abgeben.
Diese Verhältnisse missfielen dem EU-Gesetzgeber. Deswegen ordnet die aktuelle Emissionshandelsrichtlinie seit der letzten Änderung in Anhang I Nr. 1 an
„Anlagen, bei denen während des Fünfjahreszeitraums gemäß Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 2 Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse, die den Kriterien gemäß Artikel 14 entspricht, im Durchschnitt zu mehr als 95 % der durchschnittlichen gesamten Treibhausgasemissionen beitragen, fallen nicht unter diese Richtlinie.“
In Zusammenschau mit Art. 11 und 14 heisst das: Wer in der Basisperiode fast oder ganz nur Biomasse verbrannt hat, ist draußen.
Doch was bedeutet das nun praktisch? Ist man aller Lasten ledig und kann ab morgen emittieren, was man will, und keiner erfährt es? Muss man trotzdem berichten, damit genau das nicht passiert? Wenn ja, wie und mit welchen Konsequenzen? Was, wenn man doch in den nächsten Jahren die 95% überschreitet? Fällt man dann wieder ins ETS? Gibt es dann die Zuteilung später? Fragen über Fragen, die eigentlich nur der Gesetzgeber des TEHG beantworten kann. Aber den scheint die Frage, die viele Anlagenbetreiber umtreibt, nicht zu stören: Es liegt immer noch kein neues TEHG auf dem Tisch (Miriam Vollmer).
Berichtspflicht nach dem Lieferkettengesetz
Die Lieferkettengesetzgebung ist zur Zeit wieder politisch Thema. Denn der Rat der EU hat sich Mitte März schließlich doch durchgerungen, einem Richtlinienentwurf zuzustimmen, der eine Anpassung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) notwendig machen wird. Noch ist die Richtlinie zwar nicht verabschiedet, aber es gilt als relativ sicher, dass das EU Parlament noch im April im Plenum zustimmen wird. Der ganze Gesetzgebungsprozess war eine ziemliche Zitterpartie in Europa mit viel Verstimmung bei den anderen Mitgliedstaaten.
Eine Partei, die in Deutschland bei Wahlen mehr oder weniger 5% Stimmen kassiert, aber Regierungsverantwortung auf Bundesebene hat, hat in der EU für viel Verunsicherung gesorgt. Und nicht zum ersten Mal, so dass inzwischen immer öfter vom „German Vote“ gesprochen wird, von einem unberechenbaren Wahlverhalten, dass längst abgestimmte Projekte im letzten Moment scheitern lässt. Für Europa ist keine gute Entwicklung – und zwar unabhängig von der unterschiedlichen Interessen oder politischen Präferenzen. Denn auch für Unternehmen ist es wichtig, einen verlässlichen politischen Rahmen zu haben, ohne ständige Überraschungen oder unvorhersehbare Kehrtwendungen.
Aber zurück zur Lieferkettengesetzgebung: Fest steht, trotz der Turbulenzen auf Europäischer Ebene, dass die vom deutschen Gesetz erfassten Unternehmen dieses Jahr zum ersten Mal einen Bericht gemäß § 10 Abs. 2 LkSG veröffentlichen müssen. Die Frist dafür läuft an sich Ende diesen Monats ab, genau gesagt am 30. April 2024. Allerdings hat die dafür zuständige Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bereits auf seiner Website angekündigt, erst am 1. Juni diesen Jahres mit dem Prüfen anzufangen und alle bis dahin eingereichten Berichte zu akzeptieren.
Welche Unternehmen erfasst sind, ergibt sich aus § 1 LkSG. Demnach sind seit diesem Jahr alle Unternehmen mit mindestens 1000 Mitarbeitern erfasst. Die Berichtspflicht bezieht sich allerdings auf das vergangene Jahr. 2023 waren aufgrund einer Art phase-in-Regelung nur Unternehmen mit mindestens 3000 Mitarbeitern erfasst. Dabei werden bei verbundenen Unternehmen alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer des Verbunds bei der Obergesellschaft mit eingerechnet. Entsandte Arbeitnehmer werden ebenfalls gezählt, sowie Leiharbeiter, die über ein halbes Jahr bei dem Arbeitnehmer beschäftigt sind.
Der Bericht muss öffentlich zugänglich auf der Internetseite des Unternehmens für mindestens sieben Jahre veröffentlicht werden. In ihm soll über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im vergangenen Jahr berichtet werden. Die mindestens erforderlichen Inhalte sind
- ob das Unternehmen menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken oder Verletzungen identifiziert hat und – gegebenenfalls – welche dies sind,
- was das Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten gemäß §§ 4 bis 9 LkSG unternommen hat,
- wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet,
- welche Schlussfolgerungen es für zukünftige Maßnahmen zieht.
Die bevorstehenden Änderungen durch die EU Richtlinie wird sich an der Berichtspflicht voraussichtlich nicht viel ändern. Denn sie ist auch nach Artikel 11 des insoweit unveränderten Richtlinienentwurfs vorgesehen. Die sicherlich aufwendige Einarbeitung wird insofern nicht umsonst sein. (Olaf Dilling)
Das GEG als Zwischenziel
65% der Heizwärme sollen erneuerbar sein oder zumindest unvermeidbare Abwärme, verlangt das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG). Zwar gilt das für den Bestand erst in einigen Jahren 2026 bzw. 2028, wenn man aus der kommunalen Wärmeplanung vor Ort weiß, wie es weitergeht. Nur im Neubau auf der grünen Wiese soll diese Vorgabe bereits seit dem 01.01.2024 umgesetzt werden. Im öffentlichen Bewusstsein ist mit diesen Vorgaben aber nun wirklich das Ende der Fahnenstange erreicht.
Schaut man allerdings ins Klimaschutzgesetz (KSG), so gelangt man schnell zur Erkenntnis, dass die 65% nur einen Zwischenschritt darstellen können. Denn natürlich ist es nicht möglich, 2045 eine ausgeglichene Treibhausgas-Bilanz aufzuweisen, und weiter 35% fossile Brennstoffe zu verfeuern. Aus den 65% müssen also in absehbarer Zeit 100% werden. Wie schnell das gehen muss, zeigt ein Blick in die Gebäuderichtlinie EPBD. In diesem jüngst vom Europäischen Parlament angenommenen Regelwerk heißt es sehr eindeutig, dass neue Gebäude schon 2030 Nullemissionsgebäude darstellen sollen. Es gibt Ausnahmen. Aber im Grunde ist klar: Die 65% im GEG sind kein Zustand, auf den man sich dauerhaft einstellen oder in dem man sich einrichten kann, sie sind – nur, aber auch immerhin – ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität. Entsprechend wird das GEG schon in den nächsten Jahren neu gefasst werden müssen, und zwar nicht nur wegen des deutschen Minderungspfades, sondern auch wegen der Anforderungen der Gebäuderichtlinie (Miriam Vollmer).
Webinar „Klima Kompakt“
Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden – der Wirtschaftsstandort Hamburg sogar schon bis zum Jahr 2040. Die Handelskammer Hamburg organisiert in Kooperation mit der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven eine gesonderte Webinarreihe „Klima kompakt“.
Erfahren Sie in der Online-Auftaktveranstaltung am 18. April 2024, 9.00 – 10.00 Uhr, welche rechtlichen Regelungen schon jetzt für KMU zu beachten sind und welche Unterstützungsangebote Sie kennen sollten. Dirk Buchsteiner wird einen Überblick über relevante EU- und Bundesgesetzgebung geben und steht den Teilnehmern für Fragen zur Verfügung.
Die Veranstaltungsreihe Klima kompakt richtet sich an mittelständische Unternehmer, die ihr Unternehmen zukunftsorientiert und klimafreundlich transformieren möchten.
In den kompakten Onlineveranstaltungen (April bis Dezember 2024) werden relevante rechtliche Rahmenbedingungen vorgestellt und Handlungsimpulse gegeben. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Möglichkeit zum direkten Austausch mit den jeweiligen Experten. Die Veranstaltungsinhalte bauen aufeinander auf und begleiten die Teilnehmenden auf dem Weg in die Klimaneutralität.
Eine Teilnahme an Einzelterminen ist ebenfalls möglich. Die Teilnahme ist kostenlos.
Klage der Stadt Moers gegen eine Höchstspannungsfreileitung erfolglos
Die Energiewende kann nur durch die gleichzeitige Ertüchtigung des Stromnetzes gelingen. Dafür sind bei den Übertragungsnetzbetreibern viele Ersatzneubauten von Höchstspannungsleitungen in der planungsrechtlichen Pipeline. Der Weg zu einem Planfeststellungsbeschluss ist steinig uns schwer, da bereits im Verfahren (und auch davor) viele Stöckchen liegen, über die man springen muss – so ist es in der Praxis oft bereits gar nicht so einfach, die benötigten Baugrunduntersuchungen (auf die man eigentlich einen Anspruch hat) vor Ort durchzusetzen. Wie bei vielen Projekten gilt vor Ort dann oft der NIMBY-Grundsatz – überall, nur nicht hier („not in my backyard“). Daher sind die Fragen des Bedarfs an bestimmten Leitungen und insbesondere auch die Linienführung oft Streitthemen – auch dann noch, wenn der Planfeststellungsbeschluss dann endlich ergangen ist.
Zur Beschleunigung von Vorhaben hat der Gesetzgeber reagiert und einige Vorhaben in den vordringlichen Bedarf gestellt, für die demnach auch die Planrechtfertigung schon von Gesetzes wegen feststeht. Im Hinblick auf den Rechtsschutz gibt es die erst- (und letzt-) instanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit aktuellem Urteil vom 10.04.2024 – BVerwG 11 A 4.23 - eine Klage der Stadt Moers gegen eine Höchstspannungsfreileitung abgewiesen. Hier ging es u.a. auch um die Trasse. Die Stadt Moers hatte einen Planfeststellungsbeschluss angegriffen, mit dem der Bau und Betrieb einer 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen Wesel und Utfort sowie einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen Utfort und dem Punkt Hüls-West zugelassen wurde. Die Leitungen sollen auf dem Gebiet der Klägerin zusammen mit der auf einem Teilstück zu erneuernden 220-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Utfort-Walsum zwischen den dicht besiedelten Ortsteilen Eick und Utfort verlaufen.
Bei dem Vorhaben handelt es sich um einen Teilabschnitt des in Nr. 14 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz genannten Vorhabens „Neubau Höchstspannungsleitung Niederrhein – Utfort – Osterath, Nennspannung 380 kV“. Dass die Linienführung im Abschnitt Rheinquerung zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht abschließend feststand, war rechtlich unerheblich. Hinsichtlich der Umspannanlage Utfort reicht es aus, dass die Leitungen die Umspannanlage erreichen und dort eingebunden werden können.
Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist aus Sicht der Leipziger Richter gegeben, weil es mitsamt der notwendigen Folgemaßnahmen gemäß § 1 Abs. 2 EnLAG in den vordringlichen Bedarf gestellt ist. Die Abwägungsentscheidung verletzt die Stadt Moers nicht in eigenen Rechten. Die Planung durfte sich gegen eine westliche Umgehung der dicht besiedelten Gebiete der Klägerin durch Führung der Höchstspannungsleitungen Wesel-Utfort und Utfort-Walsum in neuer Trasse entscheiden. Es spricht viel dafür, dass die Planfeststellungsbehörde die Vorhabenträgerin schon aus Rechtsgründen nicht verpflichten konnte, anlässlich einer bestimmten Planung auch eine andere, bestehende Leitung weiträumig zu verlegen. Auch unabhängig davon war die Abwägung nicht zu beanstanden. Die gegen die Alternative sprechenden Belange mussten nicht ausführlicher ermittelt werden als geschehen. Auch die Ermittlung der gegen die Antragstrasse sprechenden Belange war im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund der Vorbelastung durch die Bestandstrassen durfte der Planfeststellungsbeschluss auch davon ausgehen, dass die Planung die Klägerin weder in ihrer Planungshoheit noch in ihrer Gestaltungsfreiheit verletzt. (Dirk Buchsteiner)
Menschenrecht auf Klimaschutz
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, hat gesprochen: Drei Fälle waren zu entscheiden, in denen Kläger geltend gemacht hatten, durch Klimawandel in ihren Menschenrechten verletzt zu sein:
- Kinder und Jugendliche aus Portugal, die sich durch die zunehmenden Waldbrände gefährdet sehen,
- der französische Ex-Bürgermeister einer Kommune am Ärmelkanal, die von Hochwasser bedroht ist,
- die sogenannten KlimaSeniorinnen aus der Schweiz, die befürchten, durch Hitzewellen gesundheitlich belastet zu werden.
Zwar hat der EGMR nur der Klage des Vereins KlimaSeniorinnen Schweiz stattgegeben. Dies ist in der Rechtsentwicklung dennoch ein bedeutender Schritt. Denn dadurch wird bestätigt, dass es eine Art Menschenrecht auf Klimaschutz gibt. An sich steht das so nicht wörtlich in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), an dessen Maßstäben der Gerichtshof alle Klagen beurteilt. Der EGMR hat seine Entscheidung daher auf Art. 8 EMRK, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, und Art. 6, Recht auf ein faires Verfahren, gestützt. Der EGMR hat festgestellt, dass Art. 8 auch ein Recht auf wirksamen Schutz durch den Staat vor erheblichen negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit und Lebensqualität umfasst. Dieses Recht hätte die Schweiz verletzt, indem sie weder die Grenzen des Ausstoßes von Treibhausgasen quantifiziert hätte, noch sich an die bisherigen Reduktionsziele gehalten.
Der EGMR macht in seiner Entscheidung auch klar, dass die individuelle Betroffenheit der vier Klägerinnen, die auch als natürliche Personen auftraten, nicht hinreichend vorgetragen worden sei. Allerdings hätten sie als Verein ein Recht auf ein faires Verfahren im Namen von Individuen, für die der Klimawandel aus gesundheitlichen Gründen eine besondere Bedrohung darstellt. Dieses Recht sei von den zuständigen Schweizer Gerichten nicht ausreichend berücksichtigt worden, ohne dass dies in den entsprechenden Entscheidungen hinreichend begründet worden sei.
Die beiden anderen Fälle wurden vom EGMR aus überwiegend formalen Gründen abgelehnt. So war der ehemalige Bürgermeister der französischen Gemeinde Grande-Synthe inzwischen dort gar nicht mehr wohnhaft, so dass er durch die zu erwartenden Hochwasser nicht betroffen wäre. Bei den portugiesischen Kindern und Jugendlichen wurde vom EGMR moniert, dass sie die innerstaatlichen Rechtsmittel nicht ausgeschöpft hatten, bevor sie sich an den EGMR gewandt haben. Dies widerspricht dem Grundsatz der Subsidiarität: Zunächst müssen Rechte im fachgerichtlichen Instanzenzug eingefordert werden, bevor Verfassungsgerichte oder der EGMR zuständig sein kann.
Außerdem hatten sich die Kläger in dem Fall gegen eine Vielzahl von Staaten gewandt. Hier zeigt sich ein grundsätzlicheres Problem der extraterritorialen Wirkung von (mangelndem) Klimaschutz. Nach Aufassung des EGMR ist er nicht für die Prüfung dieser extraterritorialen Effekte zuständig. Das heißt, dass Menschenrechtsverletzungen, die auf der Verantwortung von Drittstaaten beruhen, unter der EMRK nicht justiziabel sind. Das lässt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung zur extraterritorialen Geltung von Menschenrechten in bewaffneten Konflikten nachvollziehen. Für die Universalität der Menschenrechte ist das dennoch eine etwas ernüchternde Nachricht. (Olaf Dilling)