Eine Handtasche von Dior kostet 53 Euro. Das klingt doch nach Betrug, nach einem „Fake“ Made in China. So gut kann ein Schnäppchen gar nicht sein, dass einem das nicht merkwürdig vorkommt. Auf jeden Fall kann diese Tasche doch nicht „echt“ von Dior sein? Oder? Die Wahrheit dahinter vermag jedoch nur diejenigen zu erstaunen, die nicht wissen, dass gerade im Luxussegment die Margen enorm sind. Es geht hier ja nicht um den Endverbraucherpreis.
Eine Reihe von Razzien in Italien haben den Kontrast zwischen der glamourösen Welt der Mailänder Laufstege und einigen Realitäten der Luxusgüterproduktion ans Licht gebracht, berichtete zuerst das Wallstreet Journal (Paywall). Aufgedeckt wurde eine planmäßige Ausbeutung von Arbeitskräften. Hinsichtlich Lieferketten, ethischer Standards und dem Arbeitsschutzrecht ist davon auszugehen, dass bei verschiedenen Luxusmarken – hier insbesondere bei Dior – die Augen ganz bewusst zugekniffen werden, damit die Marge stimmt. Untersuchungen der Mailänder Staatsanwaltschaft zu den Arbeitsbedingungen in örtlichen Fabriken ergab, dass Werkstätten, die Handtaschen und andere Lederwaren für Dior und Armani herstellten, ausgebeutete ausländische Arbeitskräfte einsetzten, um die High-End-Produkte zu einem Bruchteil ihres Einzelhandelspreises herzustellen. Eingepfercht in kleinen Räumen, mit Hungerlöhnen abgespeist wird von importierten Arbeitskräften in Fabriken rund um die Uhr genäht, dies zeigte schon der ermittelte Stromverbrauch einzelner Anlagen. Zwar sagt das begehrte Label in der Tasche dann (zutreffend) „Made in Italy“. Der Endverbraucher erwartet aber nicht, dass seine Luxustasche unter den Bedingungen eines Sweatshops in Südostasien produziert wurden. Aber nur so lassen sich wohl die Einkaufspreise trotz „Made in Italy“ realisieren. Die Ermittlungen zeigten, dass Dior einem Lieferanten 53 Euro pro Stück zahlte, um eine Handtasche zusammenzustellen, für die Dior ca. 2.700 Euro aufruft (Kenner wissen, dass damit hier dann nur die Dior Book Tote gemeint sein kann. Eine Ledertasche – wie die Lady Dior – kostet ab 4.700 Euro).
Armani-Taschen wurden unterdessen für 93 Euro an einen Lieferanten verkauft, dann für 250 Euro an Armani weiterverkauft und kosteten in den Läden schließlich rund 1.800 Euro, wie die Untersuchung ergab.
Dior, das dem des Luxusriesen LVMH gehört, hatte dann kürzlich ein Memorandum eingereicht, in dem Maßnahmen zur Lösung von Problemen in ihrer Lieferkette dargelegt werden. Armani sagte, man habe „Kontroll- und Präventionsmaßnahmen getroffen, um Missbräuche in der Lieferkette zu minimieren“ und arbeite „mit größtmöglicher Transparenz“ mit den Behörden zusammen. Man darf vermuten, dass dies das Grundproblem nicht lösen wird.
Skandale über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen plagen die Modewelt schon seit einiger Zeit, insbesondere in Fabriken in Entwicklungsländern. Zwar haben bereits soziale Medien das Reputationsrisiko für Marken erhöht und viele dazu veranlasst, einen Teil der Produktion intern zu verlagern und die Zahl der Subunternehmer einzudämmen. Die aktuellen Entwicklungen ziehen weite Kreise. Der Imageschaden wird (hoffentlich) enorm sein. (Dirk Buchsteiner)
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