Kinder im Berliner Verkehr

Die Zahl der Kinder, die in Berlin im Verkehr verletzt werden, ist in den letzten Monaten stark angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr sind 50 % mehr Kinder verletzt worden, insgesamt dieses Jahr 730. Offenbar wird in Berlin aktuell zu wenig für Verkehrs­si­cherheit getan. Das passt dazu, dass in den letzten Wochen vom Berliner Senat laut darüber nachge­dacht wurde,  Tempo 30 vor Schulen und Alten­heimen auf den Prüfstand zu stellen. Aller­dings ist dieser Vorschlag nach Protesten der SPD nun wohl wieder vom Tisch.

Statt­dessen macht die Verkehrs­se­na­torin Ute Bonde eine Werbe-Kampagne für 300.000 Euro, die an das „Monster“ im Verkehrs­teil­nehmer appel­liert. Alle sollen ein bisschen weniger emotional und aggressiv unterwegs sein. Ob das die Eltern von Grund­schul­kindern beruhigen wird?

Es bleibt jeden­falls weiter bei der wohl einzigen Schul­straße in Berlin, in der Kfz-Verkehr zugunsten des Rad- und Fußver­kehrs ausge­sperrt bleibt. Und Geld für den Bau von bereits geplanten Fußgän­ger­ampeln ist oft nicht da, so dass Schul­kinder oft zum Teil über mehrspurige Straßen ohne sichere Querungs­hilfen gehen müssen.

Immerhin hat das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin nun die Poller in der Fahrrad­straße, die in der Tuchol­sky­straße einge­richtet wurde, vor dem Abbau gerettet. Dort hatten Anwohner, Geschäfts­leute und Gastro­nomen geklagt und einen Eilantrag gestellt, weil der Durch­gangs­verkehr gestoppt worden war. Vor dem Verwal­tungs­ge­richt Berlin hatten sie zunächst recht bekommen. Das OVG entschied nun, dass wegen des gemein­samen Rad- und Kfz-Verkehr eine quali­fi­zierte Gefah­renlage bestanden hatte. Eine Fahrrad­straße, die nicht nur von Anliegern, sondern auch von anderen Kfz-Führern ungehindert durch­fahren werden kann, würde tatsächlich keine zusätz­liche Sicherheit bieten. (Olaf Dilling)

2024-10-03T06:33:54+02:003. Oktober 2024|Allgemein, Kommentar, Rechtsprechung, Verkehr|

VG Berlin zur Tuchol­sky­straße: Der Wink mit dem Verkehrspoller

Gerichte sind sich manchmal durchaus bewusst, dass ihre Entschei­dungen in einer bestimmten Zeit getroffen werden – und dass diese Zeiten sich auch ändern. So meinte Anfang dieser Woche ein Hamburger Verwal­tungs­richter, dass die Zeit für eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers und der Schul­weg­si­cherheit seiner Kinder noch nicht reif sei, „in 10 Jahren vielleicht“. Schwacher Trost für unseren Mandanten, dessen Kinder jetzt klein sind und jetzt auf dem aktuell zum Teil komplett zugeparkten Gehweg auf dem Weg zu Kita und Schule Fahrrad­fahren lernen wollen.

Noch klarer ist das Problem bei einer aktuellen Entscheidung des VG Berlin. Es ging um eine Eilent­scheidung. Anwohner der Tuchol­sky­straße hatten vorläu­figen Rechts­schutz gegen Poller in der Tuchol­sky­straße beantragt, mit denen der motori­sierte Durch­gangs­verkehr an der Nutzung der dortigen Fahrrad­straße gehindert werden soll. Nun ist die Straßen­ver­kehrs­ordnung bisher bei der Bereit­stellung von Raum für Fußgänger und Fahrrad­fahrer sehr knausrig: Jede Beschränkung des Verkehrs – und das ist bislang vor allem der Kfz-Verkehr – muss mit einer quali­fi­zierten Gefahr begründet werden, z.B. eine Häufung schwerer Verkehrsunfälle.

Das soll und muss sich ändern, jeden­falls nach dem Willen des Verord­nungs­gebers: Der hat letzten Monat beschlossen, dass die „Bereit­stellung angemes­sener Flächen für den fließenden und ruhenden Fahrrad­verkehr sowie für den Fußverkehr“ ermög­licht werden soll. Begründet werden kann dies mit dem Schutz der Umwelt, auch Klima­schutz, dem Gesund­heits­schutz oder der Unter­stützung der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung. Berück­sichtigt werden muss die Leich­tigkeit des Verkehrs berück­sichtigt und die Sicherheit des Verkehrs darf nicht beein­trächtigt werden.

Das Gericht traf deshalb die Entscheidung, dass das Aufstellen der Poller voraus­sichtlich nicht recht­mäßig sei. Denn „nach derzei­tiger Rechtslage“ seien Verkehrs­ein­schrän­kungen und ‑verboten mit der Sicherheit und Ordnung des Straßen­ver­kehrs, nicht aber wegen außerhalb des Straßen­ver­kehrs zu veror­tender Gefahren oder aus stadt­pla­ne­ri­schen Erwägungen zu begründen. Für das Bezirksamt, das die Poller aufge­stellt hat, muss das wie ein Wink mit dem Poller wirken, auf Zeit zu spielen und Berufung einzu­legen. Denn dann wird irgendwann in der Haupt­sache nach neuer Rechtslage entschieden und die Poller können voraus­sichtlich bleiben. 

Auch bei Planungen mit Verkehrs­wen­de­bezug sollten Kommunen jetzt schon daran denken, wie sie die Umsetzung von Maßnahmen so „timen“, dass sie von den Möglich­keiten der neuen StVO profi­tieren können. (Olaf Dilling)

2024-07-16T17:48:19+02:0016. Juli 2024|Allgemein, Verkehr|