Urteil des Kammer­ge­richts Berlin zur Preis­dif­fe­ren­zierung bei GASAG: Zweiklas­sen­ta­rif­modell für unzulässig erklärt

Wir hatten hier in der Vergan­genheit bereits über den von mehreren Gerichten unter­schiedlich bewer­teten Streit berichtet, der sich um die Frage dreht ob es zulässig war, dass Grund­ver­sorger während der Gaskrise von Neukunden wesentlich höhere Preise verlangen, als von Bestandskunden.

Mit Urteil vom 21. März 2025 hat nun das Kammer­ge­richt Berlin hierzu im Rahmen einer Muster­fest­stel­lungs­klage des  Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­bands (vzbv) entschieden, dass die von der GASAG im Zeitraum vom 2. Dezember 2021 bis zum 30. April 2022 prakti­zierte Diffe­ren­zierung der Gaspreise zwischen Neu- und Bestandskund:innen im Rahmen der Grund- und Ersatz­ver­sorgung unzulässig war. Der Muster­fest­stel­lungs­klage hatten sich mehr als 500 Verbraucher angeschlossen.

Im Kern der Entscheidung steht die Feststellung, dass die GASAG Neukundenn in der Grund­ver­sorgung zu erheblich höheren Arbeits­preisen – konkret zu 18 Cent pro Kilowatt­stunde – belie­ferte, während Bestands­kunden lediglich rund 7 Cent pro Kilowatt­stunde entrich­teten. Diese Ungleich­be­handlung, von der zehntau­sende Haushalte betroffen waren, stellt nach Auffassung des Gerichts eine nicht gerecht­fer­tigte Benach­tei­ligung dar.

Das Gericht folgt damit der Argumen­tation des vzbv, wonach insbe­sondere einkom­mens­schwache Haushalte durch die überhöhten Preise für Neukunden in erheb­lichem Maße finan­ziell belastet wurden. In vielen Fällen belief sich die Mehrbe­lastung auf mehrere hundert Euro.

Die Preis­re­gelung betraf nicht nur die reguläre Grund­ver­sorgung, sondern erstreckte sich auch auf die  Ersatz­ver­sorgung nach § 38 EnWG , die immer dann eintritt, wenn ein vorhe­riger Energie­lie­ferant – etwa infolge einer Insolvenz – seine Belie­ferung einstellt und der Kunde somit ohne aktiven Anbieter verbleibt. In diesen Fällen sind die Betrof­fenen auf eine gesetzlich vorge­sehene Notver­sorgung angewiesen, die jedoch ebenfalls den erhöhten Tarifen unterlag.

Ziel der Muster­fest­stel­lungs­klage war es, die recht­lichen Voraus­set­zungen für eine Rückerstattung der zu viel gezahlten Beträge zu schaffen. Das Urteil des Kammer­ge­richts ist noch nicht rechts­kräftig. Die GASAG hat bereits angekündigt, gegen die Entscheidung Revision einlegen zu wollen. Ein vom Gericht angeregter Vergleich wurde seitens der GASAG abgelehnt.

Für die Gegenwart stellt sich das Problem nicht mehr, da zwischen­zeitlich der Gesetz­geber im EnWG geregelt hat, dass eine Tarif­auf­spaltung zulässig sein soll, diese Änderung gilt jedoch nicht rückwirkend und erfasst daher nicht den Fall der GASAG.

(Christian Dümke)

2025-04-04T14:29:00+02:004. April 2025|Rechtsprechung|

VG Berlin: Kein Recht auf Durch­gangs­verkehr durch Wohnstraße

Mit Kiezblocks und Pollern lassen sich Wohnstraßen effektiv verkehrs­be­ru­higen, weil der Durch­gangs­verkehr dann heraus­ge­halten werden kann. Manche Anwohner oder andere Autofahrer sind nicht immer davon begeistert. Aber können sie es effektiv vor Gericht verhindern?

Das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin hat vor ein paar Tagen dazu in einem Eilver­fahren entschieden (Beschluss der 11. Kammer vom 28. März 2025 – VG 11 L 792/24, bisher unver­öf­fent­licht). Es ging um den Reuterkiez in Berlin-Neukölln: Im November 2023 wies das Bezirksamt im Rahmen des „Verkehrs­kon­zeptes Reuterkiez“ dort mehrere Einbahn­straßen aus. Zusätzlich ließ es an verschie­denen Stellen Poller aufstellen, um die Verkehrs­durch­fahrt zu beschränken. Durch die Maßnahmen sollte laut Presse­mit­teilung des VG der Durch­gangs­verkehr von Neben- in Haupt­straßen verlagert, gefähr­liche Stellen entschärft, die Bedin­gungen für Fuß- und Radverkehr verbessert und die Aufent­halts­qua­lität im Kiez insgesamt gesteigert werden. 

Die Anträge im Eilver­fahren von zwei Anwohnern und einem weiteren Autofahrer hat das Gericht abgelehnt. Sie richteten sich gegen die besagten Maßnahmen mit der Begründung, dass der Durch­gangs­verkehr die Straßen nicht gefähr­licher mache und sich die Unfälle typischer­weise auf den Haupt­straßen ereignen würden. Im Übrigen ergäbe sich durch den Durch­gangs­verkehr auch keine besondere Belastung durch Lärm und Abgase.

Das sah das Gericht anders. Für den Reuterkiez hätten die vom Bezirksamt vorge­legten Daten gezeigt, dass es sich um ein Wohngebiet mit hohem Verkehrs­auf­kommen, hoher Fahrrad­dichte und hohen Unfall­zahlen handele. Zwar sei der Durch­gangs­verkehr nicht gefähr­licher oder belas­tender als Quell- und Zielverkehr, trage jedoch zu höheren Verkehrs­zahlen bei und erhöhe so die Gefahren. Bezüglich der Mittel zur Verkehrs­be­ru­higung stehe dem Bezirk ein Einschät­zungs­spielraum zu.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Kommunen Möglich­keiten zur Verkehrs­be­ru­higung in Wohnstraßen haben. Zwischen Haupt- und Wohnstraßen ist eine Funkti­ons­trennung möglich, die ähnlich wie in Barcelona mit sog. „Superilles“ (Super­blocks) bzw. den Berliner Kiezblocks umgesetzt werden kann. Poller sind in der verkehrs­po­li­ti­schen Diskussion oft Stein des Anstoßes, haben aber eine wichtige Funktion, um Wohnstraßen sicherer und ruhiger zu machen. (Olaf Dilling)

 

 

2025-04-02T10:16:07+02:002. April 2025|Rechtsprechung, Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|

OLG Düsseldorf hebt Unter­sa­gungs­ver­fügung der BNetzA gegen gas.de auf

Die Bundes­netz­agentur hatte dem Energie­ver­sorger gas.de Versor­gungs­ge­sell­schaft mbH nach § 5 EnWG wegen aus Sicht der BNetzA mangelnder Zuver­läs­sigkeit die Versorgung von Haushalts­kunden untersagt. Das OLG Düsseldorf hat diese Unter­sagung nunmehr durch Beschluss vom 27.11.2024 aufge­hoben. Die Entscheidung ist sehr lang und lesenswert und gewährt erheb­liche Einblicke in das vergangene Geschäfts­ge­baren von der gas.de.

So finden sich dort unter anderem folgende Feststel­lungen des Gerichts:

Die Zuver­läs­sigkeit der Geschäfts­leitung der Beschwer­de­füh­rerin war im Zeitpunkt der Behör­den­ent­scheidung und ist auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht gewährleistet“

Bei der gebotenen umfas­senden Würdigung des Verhaltens der Geschäfts­leitung der Beschwer­de­füh­rerin ist das Vertrauen darin, dass diese die Gewähr für eine … und sichere Versorgung der Haushalts­kunden mit Gas und Strom bietet, durch ihr Verhalten im … erschüttert.“

Zur Begründung nimmt das OLG Düsseldorf dort auch noch einmal Bezug auf den Umstand, dass gas.de in der Vergan­genheit massenhaft Kunden fristlos gekündigt hatte, die bis heute um Schaden­ersatz kämpfen müssen. Das OLG erklärt:

Die darin liegende vielfache Verletzung der vertrag­lichen Verpflich­tungen durch die Geschäfts­leitung der Beschwer­de­füh­rerin ist nach dem Vorge­sagtem sowohl quali­tativ als auch quanti­tativ als schwer­wiegend einzuordnen.“

Aber warum hat das OLG Düsseldorf dann trotz dieser Feststel­lungen die Unter­sagung der Bundes­netz­agentur aufge­hoben? Zum Einen hält das OLG die Unter­sa­gungs­ver­fügung der BNetzA bereits für formell rechts­widrig, weil an ihr Mitglieder der Beschluss­kammer mitge­wirkt haben, die nicht an der Entscheidung hätten mitwirken dürfen. Zudem sei für die Beurteilung der Zuver­läs­sigkeit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, zwischen­zeitlich habe sich die Sachlage beim Versorger, unter anderem durch Vorlage eines neuen Beschaf­fungs­kon­zeptes geändert, die BNetzA habe ihre Ermes­sens­er­wä­gungen jedoch nicht entspre­chend angepasst.

Ob gas.de damit wieder zurück ist auf dem Markt für Haushalts­kunden bleibt abzuwarten.

(Christian Dümke)

2025-03-21T16:41:15+01:0021. März 2025|Rechtsprechung|