Berichts­pflicht nach dem Lieferkettengesetz

Die Liefer­ket­ten­ge­setz­gebung ist zur Zeit wieder politisch Thema. Denn der Rat der EU hat sich Mitte März schließlich doch durch­ge­rungen, einem Richt­li­ni­en­entwurf zuzustimmen, der eine Anpassung des deutschen Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setzes (LkSG) notwendig machen wird. Noch ist die Richt­linie zwar nicht verab­schiedet, aber es gilt als relativ sicher, dass das EU Parlament noch im April im Plenum zustimmen wird. Der ganze Gesetz­ge­bungs­prozess war eine ziemliche Zitter­partie in Europa mit viel Verstimmung bei den anderen Mitgliedstaaten.

Eine Partei, die in Deutschland bei Wahlen mehr oder weniger 5% Stimmen kassiert, aber Regie­rungs­ver­ant­wortung auf Bundes­ebene hat, hat in der EU für viel Verun­si­cherung gesorgt. Und nicht zum ersten Mal, so dass inzwi­schen immer öfter vom „German Vote“ gesprochen wird, von einem unbere­chen­baren Wahlver­halten, dass längst abgestimmte Projekte im letzten Moment scheitern lässt. Für Europa ist keine gute Entwicklung – und zwar unabhängig von der unter­schied­lichen Inter­essen oder politi­schen Präfe­renzen. Denn auch für Unter­nehmen ist es wichtig, einen verläss­lichen politi­schen Rahmen zu haben, ohne ständige Überra­schungen oder unvor­her­sehbare Kehrtwendungen.

Aber zurück zur Liefer­ket­ten­ge­setz­gebung: Fest steht, trotz der Turbu­lenzen auf Europäi­scher Ebene, dass die vom deutschen Gesetz erfassten Unter­nehmen dieses Jahr zum ersten Mal einen Bericht gemäß § 10 Abs. 2 LkSG veröf­fent­lichen müssen. Die Frist dafür läuft an sich Ende diesen Monats ab, genau gesagt am 30. April 2024. Aller­dings hat die dafür zuständige Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle bereits auf seiner Website angekündigt, erst am 1. Juni diesen Jahres mit dem Prüfen anzufangen und alle bis dahin einge­reichten Berichte zu akzeptieren.

Welche Unter­nehmen erfasst sind, ergibt sich aus § 1 LkSG. Demnach sind seit diesem Jahr alle Unter­nehmen mit mindestens 1000 Mitar­beitern erfasst. Die Berichts­pflicht bezieht sich aller­dings auf das vergangene Jahr. 2023 waren aufgrund einer Art phase-in-Regelung nur Unter­nehmen mit mindestens 3000 Mitar­beitern erfasst. Dabei werden bei verbun­denen Unter­nehmen alle in Deutschland beschäf­tigten Arbeit­nehmer des Verbunds bei der Oberge­sell­schaft mit einge­rechnet. Entsandte Arbeit­nehmer werden ebenfalls gezählt, sowie Leihar­beiter, die über ein halbes Jahr bei dem Arbeit­nehmer beschäftigt sind.

Der Bericht muss öffentlich zugänglich auf der Inter­net­seite des Unter­nehmens für mindestens sieben Jahre veröf­fent­licht werden. In ihm soll über die Erfüllung der Sorgfalts­pflichten im vergan­genen Jahr berichtet werden. Die mindestens erfor­der­lichen Inhalte sind

  • ob das Unter­nehmen menschen­recht­liche oder umwelt­be­zogene Risiken oder Verlet­zungen identi­fi­ziert hat und – gegebe­nen­falls – welche dies sind,
  • was das Unter­nehmen zur Erfüllung seiner Sorgfalts­pflichten gemäß §§ 4 bis 9 LkSG unter­nommen hat,
  • wie das Unter­nehmen die Auswir­kungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet,
  • welche Schluss­fol­ge­rungen es für zukünftige Maßnahmen zieht.

Die bevor­ste­henden Änderungen durch die EU Richt­linie wird sich an der Berichts­pflicht voraus­sichtlich nicht viel ändern. Denn sie ist auch nach Artikel 11 des insoweit unver­än­derten Richt­li­ni­en­ent­wurfs vorge­sehen. Die sicherlich aufwendige Einar­beitung wird insofern nicht umsonst sein. (Olaf Dilling)

 

 

2024-04-18T23:38:05+02:0018. April 2024|Industrie, Kommentar, Umwelt|

Der Ring in Zeiten der Energie­krise: Filzer statt Feuer?

Zugegeben: An Richard Wagner und seiner Musik scheiden sich die Geister. Sehr sympa­thisch ist er wohl nicht gewesen. Es gibt zudem sicherlich einige Menschen, die beim schieren Ausmaß des Bühnen­fest­spiels „Der Ring des Nibelungen“ (vier Opern mit insgesamt 14 bis 15,5 Stunden Auffüh­rungs­dauer) verzweifeln, Abscheu vor ausufernden Allite­ra­tions-Anein­an­der­rei­hungen empfinden, und schon in der (nicht vorhan­denen) Pause im Rheingold flucht­artig die Oper verlassen oder aufgrund der Erschöpfung durch Überfrachtung bereits während des „Sturms“ zu Beginn der Walküre einschlafen (alles schon erlebt).

Den „Walkü­renritt“, jenes donnernde Orches­ter­vor­spiel zum dritten Akt der Walküre, (also Teil zwei von vier), kennt indes jeder. Woody Allen sagte einmal „Immer, wenn ich Wagner höre, spüre ich den inneren Drang, in Polen einmar­schieren zu müssen“. Auf der anderen Seite gibt es im Opern­be­trieb nichts Vergleich­bares, dessen Musik so bewegen und begeistern kann und das an die schiere Wucht und Komple­xität der Tetra­logie heran­reicht. Vielleicht sind dies auch Aspekte, die Juristen an dem Werk faszi­nieren. Zumindest bringt man als Jurist ausrei­chend „Sitzfleisch“ mit, dauert selbst die längste der vier Opern nicht einmal so lang wie eine Examens­klausur.

Zu Ostern ist es in Berlin an der Staatsoper Berlin wieder soweit. Im Rahmen der Feststage 2024 gibt es ihn: Den „Ring“. Ein Zyklus ist schon durch, Oster­samstag kommt der Siegfried vom zweiten Durchlauf mit einem großar­tigen Andreas Schlager als Siegfried einem überra­genden Tomasz Konieczny als Wanderer (absolut fantas­tisch war er auch in der Walküre) und als donnernde Brünn­hilde: Anja Kampe.

Was war bisher geschehen? Rechtlich gesehen war der „Raub“ des Rhein­golds (Teil 1)  gar keiner, sondern nur ein einfacher Diebstahl, einer erst durch den Nibelungen Alberich (spekta­kulär: Johannes Martin Kränzle) beweglich gemachten Sache. Am „Ring“ indes hat Alberich durch Umgestaltung des Goldes Eigentum erworben und dieses auch nicht mehr verloren, so dass die Tetra­logie völlig zutreffend „Ring des Nibelungen“ heißt.

Bei einem Umwelt­rechtler hinter­lässt der „Ring“ jedoch immer wieder Fragen. So erscheint schon die Errichtung des gigan­ti­schen, nicht privi­le­gierten Palast­kom­plexes Walhall (und an der Staatsoper das Forschungs­zentrum „E.S.C.H.E.“ mit seinen diversen Versuchs­an­ord­nungen) im Außen­be­reich wohl proble­ma­tisch. Eine Regen­bo­gen­brücke wird sich zudem wohl kaum als ausrei­chende Erschließung quali­fi­zieren lassen. Für gewöhnlich zeigt sich in der Götter­däm­merung beim Welten­brand für Walhall, wie wichtig ordnungs­ge­mäßer Brand­schutz gewesen wäre. Bedurfte der Riese Fafner für die Ablagerung des Horts in der Waldmitte (FFH?) nicht einer immis­si­ons­schutz­recht­lichen Geneh­migung? Gleiches gilt wohl auch für das „bräut­liche Feuer“, das die schlum­mernd auf Siegfried wartende Brünn­hilde (er ist übrigens ihr Neffe) umgab, gerade im Lichte der 44. BImSchV. Zumal eine Dauer­be­feuerung (Gas? Kohle? Biomasse?) sicherlich ohne Weiteres auch emissi­ons­han­dels­rechtlich schwierig ist. Vielleicht waren in Wotans Speer auch Emissi­ons­zer­ti­fikate-Runen geschnitzt, als er damit Loge bannte? Doch nicht so in Berlin: In der oft spannenden, manchmal großar­tigen, dann aber auch arg kargen Insze­nierung von Dmitri Tcher­niakov an der Staatsoper bleibt der Ofen kalt: Das Feuer wird durch Handbe­we­gungen darge­stellt oder mit dem Filzmarker auf Hörsaal­be­stuhlung und Fenster­scheiben gemalt. Nur als Siegfried seine Spiel­sachen verbrennt und damit wohl seine Mannwerdung signa­li­siert, lodert echtes Feuer auf, sodass man an die Werte der 1. BImSchV denken (und husten) muss. Es gleißt und flammt jedoch aus dem Graben (unglaublich sauber und klar: Philippe Jordan) und von der Bühne, dass man zwischen warmem Schauer und Gänsehaut changiert.  Falls Sie nun gar nichts verstanden haben sich nun fragen „Häh? Worum geht es eigentlich?“: Gehen Sie hin! Es gibt noch Karten! Und in Berlin heißt es 2024: Nach dem „Ring“ ist vor dem „Ring“. An der Deutschen Oper Berlin geht es dann schon im Mai mit drei Zyklen (Insze­nierung Stefan Herheim) weiter. (für Sie mit dabei: Dirk Buchsteiner)

 

Urheber­recht an amtlich referen­zierten „privaten“ Regelwerken

Unser Blog-Post über die Entscheidung des Europäi­schen Gerichtshofs (EuGH) , dass technische Produkt­normen Teil des Europa­rechts seien und daher kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollten, hat einige Nachfragen und Zuschriften provo­ziert. Denn tatsächlich können viele Menschen nicht verstehen, dass für die Praxis so wichtige Vorschriften nicht frei zugänglich sind.

Nun, wir hatten ja schon gesagt, dass deutsche technische Normwerke nur national Wirkung entfalten und kein EU-Recht sind. Daher sind sie von der Entscheidung des EuGH nicht betroffen.

Nun beant­wortet das noch nicht die Frage, wie es eigentlich nach deutschem Recht ist. Das ist eine Frage des Urheber­rechts. Grund­sätzlich sind Rechts­texte, seien es Gesetze, Verord­nungen oder Gerichts­ent­schei­dungen nicht durch das Urheber­recht geschützt. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Urheber­rechts­gesetz (UrhG).

Das gilt auch für „andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allge­meinen Kennt­nis­nahme veröf­fent­licht“ werden. Daher sind inzwi­schen eigentlich alle Amtsblätter öffentlich kostenfrei im Internet zugänglich. Eine Ausnahme macht das Bundes­mi­nis­terium für Digitales und Verkehr mit seinem Amtsblatt. Aus uns nicht ganz erfind­lichen Gründen ist es nicht kostenlos abrufbar. Sondern es ist im digitalen Jahres­abon­nement mit einer Einzel­lizenz zum Preis von schlappen 77,50 EUR (inkl. MwSt.) erhältlich. Die Wege der Verkehrs­ver­waltung sind manchmal unergründlich.

Aktuelles Cover des Verkehrsblatt

Anders ist es aller­dings bei den techni­schen Regel­werken der Forschungs­ge­sell­schaft für Straßen- und Verkehrs­wesen. Hier gibt es die Ausnahme des § 5 Abs. 3 UrhG. Demnach ist auch dann ein Urheber­recht an techni­schen Regel­werken möglich, wenn offiziell in Gesetzen oder Verord­nungen oder anderen amtlichen Rechts­texten auf sie verwiesen wird. Ob sie urheber­rechtlich geschützt sind, richtet sich demnach nach dem Zivil­recht. Insbe­sondere muss Schöp­fungshöhe gegeben sein, was bei techni­schen Texten nicht immer der Fall ist.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 f. UrhG hat der Inhaber des Urheber­rechts jedem Verlag der dies wünscht, unter angemes­senen Bedin­gungen das Recht zur Verviel­fäl­tigung und Verbreitung einzu­räumen. Ob diese Regelung, die offen­sichtlich auf käufliche Print­pro­dukte abstellt, wirklich in die Welt frei zugäng­licher Online-Ressourcen passt, mag dahin­ge­stellt sein. Um den Bürgern als Rechts­adres­saten freien Zugang zu verkehrs­rechtlich relevanten Texten zu geben, wäre es vermutlich an der Zeit, dass der Gesetz­geber diese urheber­recht­lichen Regelungen über technische Regel­werke überdenkt. (Olaf Dilling)

 

2024-03-14T15:54:50+01:0014. März 2024|Kommentar, Verkehr, Verwaltungsrecht|