Über Olaf Dilling

Der Autor hat bisher keine Details angegeben.
Bisher hat Olaf Dilling, 420 Blog Beiträge geschrieben.

StVO-Reform: Rechtsrat ohne Verwal­tungs­vor­schrift, geht das?

Wenn der Gesetz- und Verord­nungs­geber schnell noch in der Legis­la­tur­pe­riode was durch­bringen muss, dann kommt oft die Minis­te­ri­al­ver­waltung nicht hinterher. Mit der Konse­quenz, dass Gesetze und Verord­nungen in Kraft sind, bezüglich deren Auslegung vieles unklar ist. So aktuell etwa bei der StVO-Reform, die mit einiger Verzö­gerung schließlich im Oktober in Kraft getreten war. Das Fehlen konkreter Dienst­an­wei­sungen ist schlecht für die Mehrheit der Rechts­an­wender. Insbe­sondere die untere, operative Verwal­tungs­ebene und die Kommunen steht vor dem Problem, nun mit unbestimmten Rechts­be­griffen hantieren zu müssen. Vorteilhaft weil profi­tabel sind die Rechts­un­si­cher­heiten allen­falls für Rechts­an­wälte, die ihren Rechtsrat verkaufen wollen.

Aber ist das seriös überhaupt möglich? Denn bekanntlich steht in den Verwal­tungs­vor­schriften (VwV) oft mehr und Genaueres drin, als in den Gesetzen und Verord­nungen. Insofern besteht eine gewisse Wahrschein­lichkeit, dass der Rechtsrat durch die Neufassung der VwV bald überholt sein wird.

Nun, hier kommt die Kunst der Auslegung in Spiel. Dabei muss die neue Norm in den vorhan­denen Kontext gesetzt und aus ihm heraus verstanden werden. Genauer gesagt geht die juris­tische Methodik von verschie­denen, unter­schied­lichen Kontexten aus: Es gibt den allge­mein­sprach­lichen Kontext, die sogenannte wörtliche Auslegung, den syste­ma­ti­schen Kontext des Rechts­systems und der Rechts­sprache, den rechts­po­li­ti­schen Kontext und den zweck­be­zo­genen Kontext der Praxis­pro­bleme, die sich stellen.

Ein Beispiel: Seit dem 04. Oktober 2024 können Straßen­ver­kehrs­be­hörden gemäß dem neuen § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO unter erleich­terten Bedin­gungen in weiteren Fällen strecken­be­zogen Geschwin­dig­keits­be­schrän­kungen auf 30 km/h anordnen. Dies geht auch an überört­lichen Bundes‑, Landes- und Kreis­straßen und sonstigen inner­ört­lichen Vorfahrts­straßen. Voraus­setzung dafür ist, dass sich die Geschwin­dig­keits­be­gren­zungen im unmit­tel­baren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Fußgän­ger­über­wegen, hochfre­quen­tierten Schul­wegen, Spiel­plätzen und Einrich­tungen für Menschen mit Behin­de­rungen befinden.

Statue von spielenden Kindern im Park

Statue spielender Kinder im Park: Strecken­be­zogen Tempo 30 jetzt auch in unmit­tel­barer Nähe von Spiel­plätzen und hochfre­quen­tierten Schulwegen.

Was in diesen Fällen genau unter „im unmit­tel­baren Bereich“ gemeint ist, darüber sagt die Verordnung nichts. Die bisher nicht aktua­li­sierte VwV sagt nur etwas zu den schon vorher geregelten Ausnahmen von Einrich­tungen, d.h. Kinder­gärten, Kinder­ta­ges­stätten, allge­mein­bil­dende Schulen, Förder­schulen, Alten- und Pflege­heime oder Krankenhäuser:

Die strecken­be­zogene Anordnung ist auf den unmit­tel­baren Bereich der Einrichtung und insgesamt auf höchstens 300 m Länge zu begrenzen. Die beiden Fahrt­rich­tungen müssen dabei nicht gleich behandelt werden.

Da stellt sich die Frage, ob sich diese Regelung auf Fußgän­ger­überwege, hochfre­quen­tierte Schulwege und Spiel­plätze übertragen lassen. Denn die räumliche Ausdehnung aller dieser Fälle ist an sich typischer­weise unter­schiedlich. Fußgän­ger­überwege sind relativ schmal, Einrich­tungen wie Schulen und Kranken­häuser etwas breiter, hochfre­quen­tierte Schulwege können sich dagegen über einen längeren Abschnitt, sagen wir 400 m, entlang einer Straße erstrecken. Um der daraus resul­tie­renden abstrakten Gefahr abzuhelfen, wäre es erfor­derlich, die strecken­be­zogene Anordnung zumindest auf den gesamten Strecken­ab­schnitt, im genannten Beispiel von 400 m, auszu­dehnen. Das wäre dann wohl auch im Kontext des allge­mein­sprach­lichen Wortlauts von „im unmit­tel­baren Bereich“ vertretbar.

Aber es gibt ja auch den rechtlich-syste­ma­ti­schen Kontext: Angesichts der hohen Bedeutung der Schutz­güter des Lebens und der Gesundheit in Art. 2 Abs. 1 GG, die sich auch in der VwV zu § 1 StVO in Form der Vision Zero wider­spiegelt, sollte eine Pufferzone einge­plant werden. Denn bei lebens­naher Betrachtung bremsen Kraft­fahrer nicht immer meter­genau bis zum Verkehrs­schild auf die vorge­schriebene Geschwin­digkeit ab. Zudem halten sich Schüler nicht immer strikt an ihren Schulweg. Der Einfachheit halber und um die Norm übersichtlich zu halten, könnte hier an die bestehende Regelung angeknüpft werden, so dass die Länge des an der Straße verlau­fenden hochfre­quen­tierten Schulwegs um eine bis zu 300 m lange Pufferzone ergänzt wird. Im Beispiel würde eine maximale Gesamt­länge von 700 m resultieren.

Es lässt sich aber nicht ganz ausschließen, dass das Bundes­mi­nis­terium für Infra­struktur und Verkehr sich anders, nämlich im Interesse der Kraft­fahrer und der Leich­tigkeit des Kfz-Verkehrs entscheidet. Die „Bottom line“ wäre dabei zumindest, dass durch den Vollzug der Verordnung ein Mindestmaß an effek­tivem Schutz für „schwä­chere Verkehrs­teil­nehmer wie Kinder und Senioren“ sicher­ge­stellt wird. Dies lässt sich im rechts­po­li­ti­schen Kontext auch aus der Begründung der Verordnung ableiten. Unter Berück­sich­tigung des teleo­lo­gisch-zweck­be­zo­genen Kontexts der Norm sollte dann zumindest der Anhal­teweg (der sich aus Reakti­onsweg und Bremsweg zusam­men­setzt) als Pufferzone auf beiden Seiten zusätzlich mit einkal­ku­liert werden. Bei 50 km/ h wären das dann 40 m, die vor der Gefah­ren­stelle jeweils mindestens zusätzlich einge­räumt werden sollten. Insgesamt wären es im Beispiel also 440 m, gegebe­nen­falls um jeweils 40 m auf beiden Straßen­seiten versetzt. Hierbei werden die Spiel­räume deutlich, wobei mit Gründen für die eine oder die andere Lesart argumen­tiert werden kann.

Fazit: Bei der Rechts­be­ratung auf der Grundlage neuer Gesetze und Verord­nungen ist oft vieles unklar, was die Auslegung angeht. Was Rechts­an­wälte dann bieten können, ist pausible Lesarten zu entwi­ckeln und gut zu begründen. Es lässt sich dann zwar oft nicht mit Sicherheit sagen, wie die Norm konkre­ti­siert wird. Wir können aber Spiel­räume aufzeigen, in denen sich recht­liche Festle­gungen mit hoher Wahrschein­lichkeit bewegen werden. (Olaf Dilling)

2024-11-26T18:31:34+01:0026. November 2024|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Kein Recht auf Wieder­her­stellung von Parkflächen

Anwalts­kol­legen aus einer Stadt in NRW hatten keinen Erfolg mit einem Eilver­fahren, mit dem sie die Wieder­her­stellung von Parkflächen vor ihren Geschäfts­räumen in einem verkehrs­be­ru­higten Bereich verlangten. Das ist nicht besonders verwun­derlich, da die Recht­spre­chung kein Recht auf einen indivi­du­ellen, wohnort- oder geschäfts­nahen Parkplatz anerkennt. Die Berufungs­ent­scheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts setzt sich aber relativ detail­liert mit Fragen des ruhenden Verkehrs im Zusam­menhang mit dem Straßen- und Straßen­ver­kehrs­recht ausein­ander, so dass eine Lektüre gewinn­bringend ist.

Nach der Flutka­ta­strophe von 2021 wurden im verkehrs­be­ru­higten Teil der Innen­stadt einer Stadt in Nordrhein-Westfalen die dort vorher vorhan­denen, gekenn­zeich­neten Parkflächen nicht wieder herge­stellt. Dagegen wandten sich die Rechts­an­wälte der Kanzlei. Aus ihrem Anlieger- oder jeden­falls aus ihrem Gemein­ge­brauch würde ein Recht auf die zuvor bereits bestehenden Parkflächen resul­tieren. Dies war zunächst schon vom Verwal­tungs­ge­richt (VG) Aachen verneint worden.

Auch das Oberver­wal­tungs­ge­richt hat die Beschwerde der Antrags­steller im Eilver­fahren zurück­ge­wiesen. Der Anlie­ger­ge­brauch nach § 14a StrWG NRW schütze nur den notwen­digen Zugang des Grund­stücks­ei­gen­tümers zur Straße und die Zugäng­lichkeit des Grund­stücks von der Straße nicht aber schütze es vor einer Verän­derung oder Einziehung der Straße. Auch aus dem Gemein­ge­brauch nach § 14 StrWG folge ein Anspruch auf Aufrecht­erhaltung des Gemein­ge­brauchs nicht. Aus Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG folge nur die Teilhabe an einem bestehenden Gemein­ge­brauch, nicht aber das Recht auf seine Aufrechterhaltung.

Weiterhin geht das Gericht davon aus, dass keine Entwidmung der Flächen vorge­nommen worden sei. Dies dürfte zum Einen nämlich bezüglich des ruhenden Verkehrs unzulässig sein, da eine Beschränkung nur für bestimmte Verkehrs­arten vorge­nommen werden dürfe. Zum Anderen habe die Entwidmung schriftlich zu erfolgen. Schließlich bildeten die Parkflächen mit dem Straßen­körper eine Einheit und seien daher ein unselb­stän­diger Bereich der öffent­lichen Straße.

Eine Entwidmung sei aber auch gar nicht erfor­derlich gewesen, da bei dem verkehrs­be­ru­higten Bereich im Gegensatz zur Fußgän­gerzone keine Verkehrsart komplett vom Gemein­ge­brauch komplett ausge­schlossen wird. Hier reicht vielmehr eine Anordnung per Verkehrszeichen.

Die von der Straßen­ver­kehrs­be­hörde vor der Flutka­ta­strophe getroffene Anordnung von Parkflächen sei dadurch unwirksam geworden, dass die dafür aufge­hängten Verkehrs­zeichen inzwi­schen entfernt, bzw abgehängt oder umgedreht worden seien. Es gelte aber für Anord­nungen im Straßen­ver­kehrs­recht, dass ihre Wirksamkeit von der Sichbarkeit abhänge.

Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass es keinen Rechts­an­spruch auf indivi­duelle Parkplätze auf Basis des Gemein- oder Anlie­ger­ge­brauchs gibt. Zum anderen ist sie inter­essant wegen der zahlreichen Aussagen über die Möglich­keiten und vor allem Grenzen der straßen­recht­lichen Entwidmung im Bereich des ruhenden Verkehrs sowie die Umsetzung von straßen­ver­kehrs­recht­lichen Anord­nungen durch Verkehrs­zeichen. (Olaf Dilling)

 

2024-11-20T18:04:05+01:0020. November 2024|Allgemein, Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Brauchen wir eine ökolo­gische Schul­den­bremse? Ein politi­scher Kommentar.

Wenn sich wichtige politische Weichen­stel­lungen ereignen, fällt es manchmal schwer, sich weiterhin primär dem juris­ti­schen Tages­ge­schäft zu widmen. Selbst wenn das noch so drängt. Und das ist wohl auch richtig so, beim Anwalts­beruf. Denn so technisch Rechts­be­ratung gerade im Bereich öffent­licher Infra­struk­turen manchmal rüber­kommt, so sehr ist sie doch in einen politi­schen Kontext einge­bettet und nur aus ihm heraus verständlich. Darüber hinaus ist es auch Aufgabe von Anwälten, im Rahmen ihrer Möglich­keiten die politische Diskussion so zu beein­flussen, dass die Gesetze mit denen sie hantieren, Sinn machen. Dies gibt ihnen dann auch bei ihrer Anwendung einen (berufs- und wettbe­werbs­rechtlich übrigens vollkommen lupen­reinen) Vorteil. Zeitung zu lesen bzw Rundfunk zu hören, ist daher auch – und gerade – in Zeiten sozialer Netzwerke anwalt­liche „Berufs­pflicht“!

[Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner bei der Unter­zei­chung des Koali­ti­ons­ver­trags im Dezember 2021 [Photo by Sandro Halank / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0]]

Was in den letzten Tagen passiert ist, genau gesagt am 06.11.2024, wird starke – viele sagen: „histo­rische“ – Auswir­kungen auf Themen wie Klima, Energie und Verkehr haben. Da ist es gleich­gültig, ob auf globaler, auf natio­naler oder lokaler Ebene. Das heißt, auf die eine oder andere Art wird uns als Energie- und Umwelt­rechtler dieser politische Wende­punkt mindestens in den nächsten vier Jahren weiter begleiten.

Die Hoffnung, dass Klima­ziele noch zu halten sind, ist für viele in weite Ferne gerückt, sowohl durch den Sieg des Klima­leugners Trump als auch durch das Scheitern der Ampel, die als Regierung eines „Klima­kanzlers“ angetreten war. Das Versprechen dieser Regierung war u.a. einzu­lösen, was das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt der Bundes­re­gierung in seinem Klima­be­schluss aufge­geben hat: Sie muss den zukünf­tigen Genera­tionen noch Freiheiten bei der Nutzung fossiler Brenn­stoffe einräumen. Die Spiel­räume die bis 2030 zum Ausstoß von CO2 noch bestehen, dürfen nicht bereits frühzeitig von den Eltern ausge­schöpft werden, so dass ihre Kinder auch noch konsu­mieren können.

Nun stellt sich diese Frage der Genera­tio­nen­ge­rech­tigkeit nicht nur im Klima­schutz und über Art. 20a GG. Sie stellt sich genauso auch bezüglich Art. 109 GG, der Schul­den­bremse, in Bezug auf den Staats­haushalt. Legen sich hier zwei Grund­ge­setz­ar­tikel gegen­seitig „Patt“?

Für eine solche Situation haben Verfas­sungs­ju­risten aus langer Erfahrung natürlich eine Lösung parat. Das Zauber­wörtchen heißt „praktische Konkordanz“. Das klang für mich als Jurastudent im ersten Semster immer ein bisschen wie ein obskures, hinter Schleiern des Beratungs­ge­heim­nisses verbor­genes Aller­hei­ligstes des Grund­ge­setzes, das in Karlsruhe (und nur dort!) sorgsam gehütet wird. Wenn aber die Schleier im weiteren Verlauf des Studiums fallen, ist es dann doch ziemlich simpel: Es geht einfach darum, jedes Grund­recht bzw. Verfas­sungs­gebot, so gut wie möglich zur Geltung kommen zu lassen. Das setzt voraus, dass eher auf Synergien als auf Wider­sprüche geschaut wird. Das ist kein Hexenwerk sondern folgt den klugen Regeln der schwä­bi­schen Hausfrau. Es geht darum, den staats­recht­lichen Hefekuchen erst mal (bei ca. 37° C) ordentlich gehen zu lassen, statt ihn sofort wie die Beute der drei Räuber mit rotem, grünen und gelben Hut unter­ein­ander aufzu­teilen. Zugluft und Türen­knallen lassen Hefeteig bekanntlich zusammenfallen.

Mit einem Minimum an politi­schen Willen und Zusam­menhalt hätte es den Fraktionen der Ampel dann nicht so schwer fallen dürfen, entspre­chende Synergien und Schnitt­mengen zu finden:

  • Wenn es um Klima­schutz geht, hätte es – erstens – darum gehen müssen, markt­ver­zer­rende Subven­tionen und selektive Steuer­ver­güns­ti­gungen zu streichen.
  • Zweitens wäre nach kosten­neu­tralen Instru­menten zu suchen gewesen, etwa ein Tempo­limit oder andere ordnungs­recht­liche Maßnahmen, die viel CO2 hätten sparen können, ohne den Staats­haushalt zu belasten.
  • An dritter Stelle kommen schließlich solche Maßnahmen, die zunächst zwar staat­liche Inves­ti­tionen erfordern, die sich aber über die Jahre amorti­sieren und daher auf lange Sicht ebenfalls kosten­neutral sind.

Nur bei der dritten Art von Maßnahmen, die aller­dings die entschei­denden sind, stellt sich überhaupt die Frage der Verein­barkeit von Art. 20a und 109 GG. Und der vermeint­liche Wider­spruch lässt sich durch eine ökono­misch und ökolo­gisch intel­li­gente Gestaltung von Maßnahmen auflösen. Nehmen wir einen Kfw-Kredit, über die eine energe­tische Sanierung oder eine Wärme­pumpe gefördert wird. Dadurch wird der Staats­haushalt zunächst belastet. Die begüns­tigten Bürger verpflichten sich jedoch dazu, den Kredit zurückzuzahlen.

Aus Sicht der FDP mögen solche Inves­ti­tionen durch den Staat unsinnig sein. Denn aus markt­li­be­raler, an den Lehren von Hayek und Friedman orien­tierter Sicht weiß der Staat immer weniger als „der Markt“ und die Summe seiner vielen dezen­tralen Beobachter. Darauf kommt es aber auch gar nicht an. Denn die Ressource, um die es geht ist in der Politik weniger Wissen, als Vertrauen. In diesem Fall das Vertrauen in die Verwirk­li­chung einer politi­schen Zielsetzung, nämlich die Netto-Klima­neu­tra­lität Deutsch­lands bis 2045 zu erreichen.

Die Erwartung, die ein „Klima­kanzler“ berech­tig­ter­weise weckt und in die sowohl Bürger als auch vor allem Wirtschafts­un­ter­nehmen vertrauen müssen, ist die Amorti­sation dieser Inves­tition in energe­tische Maßnahmen oder Wärme­pumpen durch entspre­chend sinkende Strom­kosten. Was könnte der Staat tun, um das Vertrauen der Bürger oder Unter­nehmen zu gewinnen? Ganz einfach: Er könnte eine Wette mit seinen Bürgern abschließen, des Inhalts, dass der Bürger darle­hens­fi­nan­ziert eine private Inves­tition in eine Hausiso­lierung und Wärme­pumpe tätigt und dafür sinkende Brutto-Energie­kosten und insbe­sondere sinkende Strom­preise garan­tiert bekommt. Diese Wette könnte darin bestehen, dass die Rückzahlung des Darlehens an den Strom­preis­index gekoppelt ist. Mit anderen Worten stellt der Bürger ein Sparschwein auf, zahlt monatlich ein, was er an Energie­kosten spart. Am Ende des Jahres gibt er das ersparte Geld der Kfw zurück, es fließt in den Staat­haushalt und hilft, die Schul­den­bremse einzuhalten.

Ach so, eine weitere Wette hatte der Staat gleich­zeitig mit dem Bürger auch noch geschlossen. Das Darlehen mit der Kfw ist ihm nicht umsonst zinslos (oder zu einem niedrigen, gleich­blei­benden Zins) gewährt worden. Der Staat wettet also mit dem Bürger, dass er eine niedrige Inflation einhält. Tut er es nicht, verliert der Staat seine Wette. Auch dies dient bei entspre­chend vielen Darlehen, dass der Staat ein Interesse daran hat, die Inflation niedrig zu halten. Ökolo­gische und ökono­mische Nachhal­tigkeit gehen so Hand in Hand. Hinter dem Schleier der prakti­schen Konkordanz sind Art. 20a und Art. 109 GG … naja, zumindest gute Freunde.

Hätte, hätte. Wie geht es weiter? Um die Frage in der Überschrift noch zu beant­worten. Nein! Wir brauchen keine ökolo­gische Schul­den­bremse. Denn wir haben sie bereits in Art. 20a GG. Wir müssen diesen Artikel nur in Überein­stimmung mit der oben genannten Recht­spre­chung des BVerfG anwenden.

Also, wie geht es weiter? Eine Bundes­re­gierung, die auf dem Boden des Grund­ge­setzes steht, wird gar nicht umhin­kommen, die ökolo­gische Schul­den­bremse anzuwenden. Das trotzig gegen ökolo­gische Gebote gerichtete „Heraus­reißen“ von Windkraft­an­lagen, nur weil sie „häßlich“ sind, dürfte auf vehementen Wider­spruch aus Karlsruhe und aus Leipzig, dem Sitz des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, stoßen. Das würde einen Trump nicht schrecken. Bei der biederen CDU darf man aber davon ausgehen, dass sie den Rechts­staat nicht so schnell auf dem Müllhaufen der Geschichte verab­schieden wird. (Olaf Dilling)

2024-11-12T22:49:11+01:0012. November 2024|Kommentar, Strom, Umwelt|