Das Netzgebiet des Grundversorgers: Zu BVerwG 8 C 2.21
Wer in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung die meisten Kunden versorgt, ist nach § 36 Abs. 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Grundversorger (zum Grundversorger haben wir uns hier geäußert). Doch was ist ein Netzgebiet der allgemeinen Versorgung? Darüber hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 26. Oktober 2021 zu entscheiden (BVerwG 8 C 2.21).
Die Klägerin betrachtete sich in einer ganzen baden-württembergischen Gemeinde als Grundversorgerin, weil sie im gesamten Gemeindegebiet die meisten Haushaltskunden hätte. Doch das beklagte Umweltministerium Baden-Württemberg sah das anders: Es zählte vor Ort die Konzessionsverträge, kam auf „drei“, und prüfte für jedes einzelne Gebiet, für das ein Konzessionsvertrag existiert, wer die meisten Haushaltskunden versorgt. Danach stellte die Behörde mit Bescheid vom 13.02.2019 fest: In einem der drei Konzessionsgebiete war die spätere Klägerin in der Tat Grundversorgerin, aber in den beiden anderen nicht. Hier hatte jeweils ein andere Unternehmen die Nase vorn.
Die Klägerin sah das nicht ein: Sie war nämlich in allen drei Konzessionsgebieten Konzessionärin und ging deswegen davon aus, dass die drei galvanisch zusammenhängenden Gebiete wegen der Zuständigkeit des gleichen Netzbetreibers als ein Netzgebiet zu betrachten seien. Die Klägerin zog deswegen gegen den Bescheid des Landes vor Gericht: Das Netzgebiet der allgemeinen Versorgung in § 36 Abs. 2 S. 1 EnWG sei nicht identisch mit dem Begriff des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung in § 36 Abs. 2 Satz 2 EnWG.
Das angerufene Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart wies die Klage ab. Das Netzgebiet der allgemeinen Versorgung sei stets das Netzgebiet, für das es einen Konzessionsvertrag gibt. Das VG führte aus, dass es zwar mehrere Rechtsansichten zu dieser Frage gibt, aber die Kammer war überzeugt, dass v. a. systematisch die Anzahl der Konzessionsverträge maßgeblich sei (VG Stuttgart, Urt. v. 20.10.2020, 18 K 1797/19).
Das VG ließ die Sprungrevision zu, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe. Es gab nämlich bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung in dieser Sache. Nun hat sich das BVerwG dem VG Stuttgart angeschlossen: Auch die Leipziger Richter meinen, dass es pro Konzessionsvertrag einen Grundversorger gibt, also benachbarte Grundversorgungsgebiete desselben Konzessionärs nicht „zusammenzufassen“ sind. Das begründet das Gericht nicht nur mit der Systematik des EnWG, sondern auch mit dem Ziel einer effizienten Energieversorgung und der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs (Miriam Vollmer).