Und die Konzession? Recht­liche Fragen zur geplanten Still­legung des Mannheimer Gasnetzes

Wir hatten hier schon in der letzten Woche über die Entscheidung der MVV AG, das Gasnetz in der Stadt Mannheim bis 2035 still­zu­legen berichtet. Die Ankün­digung  hat auch großes Echo in der Presse gefunden.

Rechtlich stellen sich hierzu jedoch so einige Fragen. Um das Gasnetz bisher betreiben zu können, wird die MVV mit der Stadt Mannheim einen Konzes­si­ons­vertrag nach § 46 Abs. 2 EnWG abgeschlossen haben, der es der MVV erlaubt, die öffent­lichen Straßen und Wege zum Betrieb eines Erdgas­netzes der allge­meinen Versorgung zu betreiben.

Diese Konzes­si­ons­ver­träge enthalten regel­mäßig eine vertrag­liche Verpflichtung des konzes­sio­nierten Netzbe­treibers gegenüber der Kommune, während der Dauer des Konzes­si­ons­ver­trages ein entspre­chendes Netz der allge­meinen Versorgung zu betreiben und jedermann im Rahmen der Zumut­barkeit anzuschließen.

Der Netzbe­treiber kann sich hier zwar grund­sätzlich auf Unzumut­barkeit berufen, aber mögli­cher­weise müsste die Stadt dann den Konzes­si­ons­vertrag beenden und versuchen die Konzession neu auszu­schreiben. Gäbe es Inter­es­senten hätte der neue Konzes­sionär gegen MVV Anspruch auf Übertragung des Erdgas­netzes gegen angemessene Vergütung.

Aus einer Presse­mit­teilung des Jahres 2014, in der seinerzeit die Neuvergabe der Gaskon­zession für 20 Jahre an die MVV verkündet wurde, lässt sich ableiten, dass der aktuelle Konzes­si­ons­vertrag der MVV Ende vermutlich zum Ende des Jahres 2034 ausläuft. Die geplante Stillegung würde hier also zum Ende des Vertrages erfolgen sollen, so dass zumindest kein Vertrags­verstoß vorläge.

Aber auch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Stadt Mannheim nicht die Gaskon­zession zunächst ganz normal neu ausschreiben müsste, unabhängig davon, ob die nun MVV Interesse an einer erneuten Konzes­si­ons­er­teilung hat oder nicht. Dass eine Kommune wegen mangelndem eigenem Interesse oder klima­po­li­ti­scher Schwer­punkt­setzung eine solche Konzession ersatzlos auslaufen lässt und nicht neu ausschreibt, sieht § 46 EnWG in seiner bishe­rigen Form jeden­falls nicht vor. Energie­ver­sorgung ist Teil der Daseins­vor­sorge und muss über die Auswahl eines geeig­neten Netzbe­treibers von den Kommunen erfüllt werden.

(Christian Dümke)

2024-11-22T19:38:08+01:0022. November 2024|Energiepolitik, Gas, Konzessionsrecht, Netzbetrieb|

Endschafts­re­gelung nicht vergessen: BGH zu Fernwär­menetz Stuttgart

Das Urteil des BGH-Kartell­senats (Urt. v. 5.12.2023 – KZR 101/20) hat im langjäh­rigen Streit der Landes­haupt­stadt Stuttgart mit der EnBW um das Fernwär­menetz eins geklärt: Eigen­tü­merin des Netzes ist die EnBW. Die Landes­haupt­stadt kann keine Übereignung oder gar den Rückbau des Netzes fordern. Damit ist zumindest ein möglicher Ausgang des Verfahrens, den beide Parteien wohl nicht gewollt hätten, vom Tisch: Das zwischen 1994 und 2013 bis auf 218 km ausge­baute Fernwär­menetz mit einer Versor­gungs­ka­pa­zität für rund 25.000 Haushalte, ca. 1.300 Unter­nehmen und 300 öffent­liche Gebäude zu beseitigen.
Andere Facetten des Urteils dürften aller­dings weiterhin zu Heraus­for­de­rungen auf dem Weg zur einver­nehm­lichen Gestaltung der Stutt­garter Fernwär­me­ver­sorgung führen, denn zugleich hat die EnBW für die Zukunft keinen kartell­recht­lichen Anspruch auf die erneute Einräumung von Wegenut­zungs­rechten zum Betrieb des Fernwär­me­netzes. Diesen hatte sie im Wege der Wider­klage verfolgt.

Rückblick – Konzes­si­ons­vertrag ohne Endschaftsregelung

Was bisher geschah: 1994 wurde – noch zwischen Stadt und kommu­nalem Versorger, der später die Betei­ligung der Stadt verlor und seit nunmehr rund 20 Jahren Teil des EnBW-Konzerns ist – ein Konzes­si­ons­vertrag geschlossen: Bis zum Ende der Vertrags­laufzeit 2013 räumte dieser dem Versor­gungs­un­ter­nehmen Wegenut­zungs­rechte für die Verlegung und den Betrieb des Fernwär­me­netzes ein. Nicht geregelt wurde, wer nach dem Ausbau und dem Ende der Vertrags­laufzeit das Eigentum an den Anlagen erhalten sollte.

Nun ist diese sogenannte Endschafts­re­gelung – sozusagen und juris­tisch ganz und gar unsauber – der Ehevertrag der langfris­tigen Vertrags­be­zie­hungen. Eine Endschafts­re­gelung kann Konflikte nicht verhindern. Aber jeden­falls haben alle Seiten die Sicherheit, dass man über das Einge­machte schonmal ehrlich gesprochen hat, als noch alles gut war. Endschafts­re­ge­lungen gehören in jeden Betrei­ber­vertrag, wenn eine Vertrags­partei über lange Zeit teure Infra­struktur aufbaut. Das kann in nahezu allen Versor­gungs­be­reichen der Fall sein, wenn neue Netze errichtet werden müssen.

Stuttgart hatte 2011, 2 Jahre vor Vertragsende, mit der Infor­mation über die Bestre­bungen, die Wegenut­zungs­rechte erneut zu vergeben – oder aber, das Wärmenetz zu rekom­mu­na­li­sieren – begonnen.

Rechts­streit

Nach Zwischen­schritten, stockenden Verhand­lungen und dem sich anschlie­ßenden Rechts­streit erging 2019 ein erstes Urteil des LG Stuttgart (Urt. v. 14.02.2019 – 11 O 225/16). Die Landes­haupt­stadt hatte erstmals auf Übereignung des Fernwär­me­netzes, die EnBW in Wider­klage auf einen neuen Wegenut­zungs­vertrag geklagt. Das Landge­richt verneinte einen Anspruch der Stadt auf Übereignung – sowie den Hilfs­antrag auf Besei­tigung – der Leitungen und gab der Wider­klage statt.
Die 2020 nachfol­gende Entscheidung des OLG Stuttgart (Urt. v. 26.3.2020 − 2 U 82/19) führte ins Patt: Zwar bestä­tigte das OLG die erstin­stanz­liche Auffassung, dass weder das Eigentum an den Anlagen automa­tisch an die Stadt übergangen, noch ein Anspruch hierauf entstanden sei. Es sah anders als das Landge­richt aller­dings einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB – die Leitungen auf und in den Grund­stücken der Stadt müssten durch die EnBW entfernt werden. Auch hinsichtlich des Wider­kla­ge­an­trags änderte das OLG das Urteil: Entgegen der Auffassung in erster Instanz stehe der EnBW keine Abgabe eines Angebots für einen neuen Wegenut­zungs­vertrag durch die Landes­haupt­stadt zu. Das mögliche Ergebnis, tatsächlich einen Rückbau des mittler­weile weitläu­figen und umfas­senden Wärme­netzes zu erwirken, konnte jedoch beiden Parteien nicht recht sein.
Das nun ergangene Urteil des BGH (dessen Volltext­ver­öf­fent­li­chung Stand 12.12.2023 noch aussteht) stellt sich nun als neue Kombi­nation dar. Kein Anspruch der Landes­haupt­stadt Stuttgart auf Übereignung (wie LG, OLG) oder Besei­tigung ( wie LG, gegen OLG) der Fernwär­me­lei­tungen. Kein Anspruch der EnBW auf ein Angebot der Stadt, einen neuen Wegenut­zungs­vertrag abzuschließen (gegen LG, wie OLG).

Zentrale Entschei­dungs­gründe

Die Entscheidung stützte das Gericht zentral auf drei Normen und deren Auslegung:

1. Um den Eigen­tums­übergang von Versor­gungs­lei­tungen (sogenannten Schein­be­stand­teilen) an die Stadt nach § 95 BGB zu bestä­tigen, fehlte es dem BGH zufolge an der erfor­der­lichen Willens­ent­schließung des Eigen­tümers der Netzlei­tungen (EnBW).

2. Hinsichtlich des Besei­ti­gungs­an­spruchs sei die „Störung“ in diesem Fall nach § 1004 Abs. 2 BGB aufgrund nachver­trag­licher Rücksicht­nah­me­pflichten in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 241, 242 BGB) durch die Stadt zu dulden.

3. Umgekehrt bejahte das Gericht zwar eine markt­be­herr­schende Stellung der Stadt bei der Vergabe von Wegenut­zungs­rechten – die sei hier aber nicht missbräuchlich ausge­nutzt worden, sodass ein Anspruch auf Nutzungs­rechts­ein­räumung nach § 19 GWB entfiel.

Einordnung & Ausblick

Die Landes­haupt­stadt Stuttgart verfolgt das Ziel, bis 2035 klima­neutral zu werden. Dafür zieht sie zunehmend Versor­gungs­fragen an sich – im Rahmen der städti­schen Energie­leit­planung auch den kommu­nalen Wärmeplan. Das Fernziel der Rekom­mu­na­li­sierung des Wärme­netzes hat die Landes­haupt­stadt in ihrer Presse­mit­teilung zur Entscheidung entspre­chend bekräftigt. In ihrer Presse­mit­teilung haben die EnBW zumindest den fortbe­stehenden Willen zur Zusam­men­arbeit formuliert.

Daneben fällt auf: Parteien und Gerichte haben im Streit mehrfach auf Regelungen des EnWG zurück­ge­griffen. So hat sich das Landge­richt in erster Instanz mit der Bedeutung der Entflech­tungs­regeln des EnWG ausein­an­der­ge­setzt (BeckRS 2019, 11063, Rn. 191f.), und der BGH sich an § 46 EnWG angelehnt. Prinzi­piell reguliert das EnWG nur Strom- und Gasnetze. Die steigende Bedeutung von (Fern-)Wärmenetzen könnte hier in Zukunft gesetz­ge­be­ri­sches Tätig­werden erfordern.
Und allen Versor­gungs­un­ter­nehmen sowie den versorgten Kommunen, die Betrei­ber­ver­träge über Infra­struktur schließen, sei nachdrücklich ans Herz gelegt: Treffen Sie eine Endschafts­re­gelung für die wertvolle Infra­struktur (Dr. Miriam Vollmer/Friederike Pfeifer).

2023-12-20T01:08:12+01:0020. Dezember 2023|Konzessionsrecht, Wärme|

Das 6. Türchen: Der Wärmeleitungsstreit

Wir öffnen unser 6. Türchen des virtu­ellen re Advents­ka­lenders, mit dem wir
Ihnen einen kleinen Einblick geben möchten, was unsere Kanzlei in diesem
Jahr so an inter­es­santen Verfahren und Projekten betrieben hat.

Wir beraten ein Fernwär­me­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen in Norddeutschland, das im Streit mit der Gemeinde liegt, in der die Wärme­lie­ferung erfolgt und das Wärmenetz betrieben wird. Der Mandant hätte gerne einen Vertrag mit der Gemeinde abgeschlossen, der es ihm (gegen angemes­senes Entgelt) gestattet, die Wege der Gemeinde zur Verlegung der Fernwär­me­lei­tungen zu benutzen.

Im Bereich der Strom- und Gasver­sorgung ist der Abschluss solcher Konzes­si­ons­ver­träge vom Gesetz­geber genau geregelt, inklusive der Höhe der Entgelte, die von der Gemeinde zuläs­si­ger­weise verlangt werden dürfen (Konzes­si­ons­ab­gaben). Im Bereich der Fernwär­me­ver­sorgung fehlt es dagegen an spezi­fi­schen recht­lichen Rahmen­be­din­gungen. Weitgehend unstreitig ist jedoch, dass grund­sätzlich ein kartell­recht­licher Anspruch gegen die Gemeinde auf Abschluss von Wärme­ge­stat­tungs­ver­trägen besteht. Hiervon konnten wir zwischen­zeitlich auch die Gemeinde überzeugen, nachdem bereits ein mögliches Klage­ver­fahren unmit­telbar im Raum stand.

Nun liegt ein Vertrags­an­gebot der Gemeinde vor, aber wie es so ist bei Verträgen: Was dem einen nützlich erscheint, möchte der andere dann vertraglich doch nicht unter­schreiben. Und so geht es nun darum, die Inhalte zu verhandeln. Welches Entgelt ist angemessen? Wer haftet für was? Soll die Gemeinde nach Ende des Vertrages einen Anspruch auf Übernahme des Netzes haben? Letzt­endlich geht es bei all diesen Fragen auch darum, ob die Gemeinde angemessene Bedin­gungen verlangt oder aber ihre markt­be­herr­schende Stellung ausnutzt, um Vertrags­be­din­gungen durch­zu­setzen, die sie am freien Markt nicht erzielen könnte. Wir sind indes zuver­sichtlich hier letzt­endlich am Ende eine Lösung zu erzielen, mit der beide Seiten gut leben können.

Dass Mandat führt Dr. Christian Dümke.

2022-12-09T18:18:17+01:009. Dezember 2022|Konzessionsrecht, Wärme|