Haben Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften Anspruch auf die Grundversorgung?

Wir hatten hier vor einiger Zeit schon einmal das Institut der gesetz­lichen Grund­ver­sorgung für die Strom- und Gasver­sorgung vorge­stellt. Gerade in Zeiten der Energie­krise ist es für berech­tigte Kunden beruhigend, dass sie in jedem Fall einen Rechts­an­spruch auf Belie­ferung vom Grund­ver­sorger haben. Die Grund­ver­sorgung steht dabei aller­dings nur sog. Haushalts­kunden zu. Der Begriff ist gesetzlich definiert in § 3 Nr. 22 EnWG als

Letzt­ver­braucher, die Energie überwiegend für den Eigen­ver­brauch im Haushalt oder für den einen Jahres­ver­brauch von 10 000 Kilowatt­stunden nicht überstei­genden Eigen­ver­brauch für beruf­liche, landwirt­schaft­liche oder gewerb­liche Zwecke kaufen“.

In letzter Zeit scheint es hierzu öfter zu Streit zwischen Kunden und Energie­ver­sorgern über die Frage zu kommen, ob Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften Anspruch auf die gesetz­liche Grund­ver­sorgung haben. Insbe­sondere wenn der Energie­ver­brauch der WEG nicht unerheblich ist und 10.000 kWh im Jahr weit übersteigt.

Hierzu muss man beachten, dass die Grenze von 10.000 kWh nur bei Nutzung der Energie für beruf­liche, landwirt­schaft­liche oder gewerb­liche Zwecke gilt. Bei privater nicht­ge­werb­licher Nutzung gibt es keinen gesetz­lichen Grenzwert.

Die Recht­spre­chung hat den Gasver­brauch einer WEG bereits in mehreren Urteilen als nicht­ge­werb­lichen Verbrauch einge­stuft (BGH Urt. v. 24.03.2015, Az. VIII ZR 243/13, VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14). Weiterhin existiert eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2018, in der der BGH ganz selbst­ver­ständlich und ohne dies näher zu proble­ma­ti­sieren den Abschluss eines Grund­ver­sor­gungs­ver­trages durch die WEG durch faktische Energie­ab­nahme bejaht hatte (BGH, 19.12.2018, VIII ZR 336/18).

All dies spricht dafür, dass Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften grund­sätzlich Anspruch auf die gesetz­liche Grund­ver­sorgung haben und nicht auf die oft teurere und zeitlich limitierte Ersatz­ver­sorgung verwiesen werden dürfen.

(Christian Dümke)

2022-11-04T14:50:17+01:004. November 2022|Gas, Grundkurs Energie, Rechtsprechung, Vertrieb|

Wenn Grund­ver­sorger fallen

Grund­ver­sorger, das ergibt sich aus § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG, sind dieje­nigen Unter­nehmen, die in einem Netz der Allge­meinen Versorgung die meisten Haushalts­kunden versorgen. Oft sind das kommunale Stadt­werke. Die Rolle der Grund­ver­sorger ist dabei nicht zu unter­schätzen: 2020 waren im deutschen Durch­schnitt noch 25% der Haushalte im Grund­ver­sor­gungs­tarif des Grund­ver­sorgers, 37% waren Kunde des Grund­ver­sorgers in einem anderen Tarif. Nur 38% wurden von einem anderen Unter­nehmen als ihrem Grund­ver­sorger beliefert. Das bedeutet: In den meisten Netzge­bieten kommt erst der Grund­ver­sorger, dann lange nichts, und dann teilen sich viele, viele andere Unter­nehmen vom Ökostrom­an­bieter über andere kommunale oder auch große Anbieter bis zu den vielen Discountern den Rest der Kunden. Oft beliefert der Grund­ver­sorger um die 70% der Haushalte, und kein anderes Unter­nehmen versorgt vor Ort mehr als 5% der übrigen Haushalte.

Um so brisanter die Frage, was passiert, wenn einmal ein Grund­ver­sorger den Betrieb einstellen sollte. Praktische Erfah­rungen dazu gibt es nicht. Doch immerhin eine Regelung: § 36 Abs. 2 S. 5 EnWG ordnet an, dass bei Betriebs­ein­stellung eines Grund­ver­sorgers die zuständige Landes­be­hörde – das sind die Landes­wirt­schafts­mi­nis­terien – einen neuen Grund­ver­sorger bestimmt. Nach Ansicht der Kommen­tar­li­te­ratur ist das das Unter­nehmen, das die nächst­höchste Anzahl an Kunden hat. Es kann also sein, dass sich nach Betriebs­ein­stellung eines Grund­ver­sorgers auf einmal ein Unter­nehmen mit einem Markt­anteil von nicht mehr als 5% im Versor­gungs­gebiet als Grund­ver­sorger wiederfindet.

Doch was passiert dann mit den Kunden? Werden sie automa­tisch Kunden des neuen Grund­ver­sorgers? Die Antwort lautet ja, aber nicht so, wie man vielleicht annehmen sollte. Denn nach § 36 Abs. 3 EnWG gelten auch im Falle eines Wechsels des Grund­ver­sorgers – die Betriebs­ein­stellung ist hier nicht ausge­nommen – dessen Verträge fort. Nur die neuen Kunden sollen Grund­ver­sor­gungs­kunden werden. Die alten Kunden würden bei alten Grund­ver­sorger bleiben – aber den gibt es ja nicht mehr. Sie fallen also in die Ersatz­ver­sorgung nach § 38 EnWG. Die muss zwar auch der neue Grund­ver­sorger übernehmen. Aber zum einen ist sie zeitlich begrenzt, was für Gewerbe fatale Folgen haben kann, denn nur Haushalts­kunden rutschen nach diesen drei Monaten in die Grund­ver­sorgung. Zum anderen kann der neue Grund­ver­sorger die Preise in der Ersatz­ver­sorgung zweimal monatlich neu berechnen und ohne Frist anpassen. Er darf dabei die kurzfris­tigen Beschaf­fungs­kosten wälzen. Die dürften insofern saftig ausfallen, als dass der neue Grund­ver­sorger ja nie mit so vielen Kunden und den entspre­chenden Liefer­mengen gerechnet hat und deswegen für diese Kunden auch keine langfris­tigen Verträge geschlossen hat. Er muss also quasi alles kurzfristig beschaffen, was bei den aktuellen Preisen zu einer umgehenden Explosion der Tarife führen würde. Eine Katastrophe für dieje­nigen, die keinen anderen Versorger finden oder struk­tu­relle Probleme der Lebens­führung haben, wie viele ältere Menschen, die noch nie den Versorger gewechselt haben, oder Menschen mit sprach­lichen Barrieren. Zudem haben es derzeit selbst solvente und kompe­tente Kunden schwer, neue Verträge abzuschließen.

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Ein solcher Fall würde damit nur Verlierer produ­zieren: Die Stadt verliert ihr Stadtwerk. Der neue Grund­ver­sorger wäre vermutlich entsetzt und mögli­cher­weise deutlich überfordert. Und die Kunden würden ein wahres Preis­ar­ma­geddon erleben (Miriam Vollmer).

2022-08-24T02:07:46+02:0024. August 2022|Gas, Strom, Vertrieb|