Grundversorger, das ergibt sich aus § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG, sind diejenigen Unternehmen, die in einem Netz der Allgemeinen Versorgung die meisten Haushaltskunden versorgen. Oft sind das kommunale Stadtwerke. Die Rolle der Grundversorger ist dabei nicht zu unterschätzen: 2020 waren im deutschen Durchschnitt noch 25% der Haushalte im Grundversorgungstarif des Grundversorgers, 37% waren Kunde des Grundversorgers in einem anderen Tarif. Nur 38% wurden von einem anderen Unternehmen als ihrem Grundversorger beliefert. Das bedeutet: In den meisten Netzgebieten kommt erst der Grundversorger, dann lange nichts, und dann teilen sich viele, viele andere Unternehmen vom Ökostromanbieter über andere kommunale oder auch große Anbieter bis zu den vielen Discountern den Rest der Kunden. Oft beliefert der Grundversorger um die 70% der Haushalte, und kein anderes Unternehmen versorgt vor Ort mehr als 5% der übrigen Haushalte.
Um so brisanter die Frage, was passiert, wenn einmal ein Grundversorger den Betrieb einstellen sollte. Praktische Erfahrungen dazu gibt es nicht. Doch immerhin eine Regelung: § 36 Abs. 2 S. 5 EnWG ordnet an, dass bei Betriebseinstellung eines Grundversorgers die zuständige Landesbehörde – das sind die Landeswirtschaftsministerien – einen neuen Grundversorger bestimmt. Nach Ansicht der Kommentarliteratur ist das das Unternehmen, das die nächsthöchste Anzahl an Kunden hat. Es kann also sein, dass sich nach Betriebseinstellung eines Grundversorgers auf einmal ein Unternehmen mit einem Marktanteil von nicht mehr als 5% im Versorgungsgebiet als Grundversorger wiederfindet.
Doch was passiert dann mit den Kunden? Werden sie automatisch Kunden des neuen Grundversorgers? Die Antwort lautet ja, aber nicht so, wie man vielleicht annehmen sollte. Denn nach § 36 Abs. 3 EnWG gelten auch im Falle eines Wechsels des Grundversorgers – die Betriebseinstellung ist hier nicht ausgenommen – dessen Verträge fort. Nur die neuen Kunden sollen Grundversorgungskunden werden. Die alten Kunden würden bei alten Grundversorger bleiben – aber den gibt es ja nicht mehr. Sie fallen also in die Ersatzversorgung nach § 38 EnWG. Die muss zwar auch der neue Grundversorger übernehmen. Aber zum einen ist sie zeitlich begrenzt, was für Gewerbe fatale Folgen haben kann, denn nur Haushaltskunden rutschen nach diesen drei Monaten in die Grundversorgung. Zum anderen kann der neue Grundversorger die Preise in der Ersatzversorgung zweimal monatlich neu berechnen und ohne Frist anpassen. Er darf dabei die kurzfristigen Beschaffungskosten wälzen. Die dürften insofern saftig ausfallen, als dass der neue Grundversorger ja nie mit so vielen Kunden und den entsprechenden Liefermengen gerechnet hat und deswegen für diese Kunden auch keine langfristigen Verträge geschlossen hat. Er muss also quasi alles kurzfristig beschaffen, was bei den aktuellen Preisen zu einer umgehenden Explosion der Tarife führen würde. Eine Katastrophe für diejenigen, die keinen anderen Versorger finden oder strukturelle Probleme der Lebensführung haben, wie viele ältere Menschen, die noch nie den Versorger gewechselt haben, oder Menschen mit sprachlichen Barrieren. Zudem haben es derzeit selbst solvente und kompetente Kunden schwer, neue Verträge abzuschließen.
Ein solcher Fall würde damit nur Verlierer produzieren: Die Stadt verliert ihr Stadtwerk. Der neue Grundversorger wäre vermutlich entsetzt und möglicherweise deutlich überfordert. Und die Kunden würden ein wahres Preisarmageddon erleben (Miriam Vollmer).
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