Wie geht es weiter – der Koalitionsvertrag zu Energie & Klima
Nun haben sie sich also auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, die Spitzen von Union und SPD. Was hat die Regierung Merz/Klingbeil also in den nächsten vier Jahren vor?
Schwarz-Rot und das Klima
Interessant zunächst, was nicht drin steht: Weder will die nächste Bundesregierung die Klimaziele abschaffen oder abschwächen. Noch kommt die Atomkraft wieder. Hier hatte es im Vorfeld vor allem aus der Union auch andere Stimmen gegeben, diese haben sich nicht durchgesetzt. Es bleibt also bei den 65% 2030, 88% 2040 und Nettonull 2045. Die Koalition würde sogar eine Erhöhung im EU-Rahmen auf 90% 2040 unterstützen, aber nur, wenn es für die Deutschen bei 88% bleibt.
Gleichwohl, auch wenn die Ziele bleiben, den Weg stellt die nächste Bundesregierung sich bequemer vor, als die Ampel es vorgesehen hatte. So sollen 3% des 2040-Zwischenziels durch Zertifikate aus dem Ausland erfüllt werden können. Veteranen des Emissionshandels erinnern sich an die CER und ERU aus internationalen Klimaschutzprojekten. Ob es so kommt, kann der Bund allerdings nicht entscheiden, nur sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die EU von Art. 6 des Paris Agreements Gebrauch macht.
Emissionshandel
Überhaupt sind die Spielräume Deutschlands beim Klimaschutz bekanntlich begrenzt. Anders als auch viele Medien vermuten, steht es schlicht nicht in Friedrich Merz‘ Macht, den Transformationsdruck auf die Deutschen zu verringern: Für fossile Emissionen brauchen Industrie, Energiewirtschaft und ab 2027 auch die Verkäufer von Erdgas, Benzin, Diesel und Heizöl Emissionsberechtigungen, die in Brüssel budgetiert worden sind. Die Bundesregierung kann diesen finanziellen Anreiz, Gasheizung, Verbrenner oder Kohlekraftwerke auszurangieren, nur sehr begrenzt kompensieren, beispielsweise durch ein Klimageld, das wiederum aber nur als den guten Vorsatz, Einnahmen aus dem Emissionshandel zurückzugeben, im Koalitionsvertrag auftaucht. Damit ist klar: Egal, wer regiert, fossile Technologien werden immer teurer. Nur für die Landwirtschaft soll dies nicht gelten, denn hier bestimmen die Mitgliedstaaten selbst, ob die Landwirte einbezogen werden.
Erneuerbare Energien
Etwas richtig greifbar Neues ist für die Erneuerbaren Energien nicht geplant. Diffus scheint auf, dass die neuen Herren nicht so intensiv auf Wind und Sonne fokussieren wollen, ohne allerdings auszusprechen, wie dann der Ausbaupfad aussehen soll. Wie schon die Ampel will auch die GroKo Genehmigungen und Planungen erleichtern, Verfahren straffen und vereinfachen, auch vor Gericht, die Netzdienlichkeit beim Ausbau mehr berücksichtigen und perspektivisch komplett von der Einspeisevergütung zu Marktfinanzierungen kommen. Wirklich neu ist das aber nicht.
Immerhin: Auch wenn bekannt ist, dass der künftige Kanzler selbst Windkraftanlagen hässlich findet, bleibt es bei den Zwischenzielen des Windflächenbedarfsgesetzes für 2027, also den 1,4% bundesweit und offenbar auch bei den Landeszielen. Das Ziel von 2% bundesweit 2032 soll noch einmal evaluiert werden. Verbessern will die nächste Bundesregierung offenbar die regionalen Steuerungsmöglicheiten und Onsite PPA, begrenzen will sie Flächenpachten und die Einbindung von Offshore-Windparks in auch grenzüberschreitende Infrastrukturen soll sich verbessern. Und: Das Geothermie-Gesetz soll nun doch kommen. Für Strom bringt das wohl kaum etwas, aber für Wärme ist der Plan interessant.
Energiepreise
Strom soll mindestens 5 Ct/kWh günstiger werden. Dafür soll die Stromsteuer abgesenkt werden und die Umlagen und Netzentgelte reduziert. Die Stromsteuersenkung war schon ein Plan der Ampel, aber wie genau die Netze nun subventioniert werden sollen, bleibt unklar. Sofern dies aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert werden soll, stellt sich die Frage, ob die überhaupt eine Infrastrukturausgabe darstellt und nicht doch eine simple Konsumausgabe.
Diffus bleibt auch der Industriestrompreis, den die Koalitionäre planen. Die Bandlastausnahme soll – obwohl nicht netzdienlich – nun doch bleiben, die Gaspeicherumlage abgeschafft werden. Ansonsten will man die Quadratur des Kreises: Gas soll günstig eingekauft werden, aber die Klimaziele sollen eingehalten werden, was wegen des Emissionshandels, der gas zwangsläufig verteuert, einigermaßen schwer vorzustellen ist, aber vielleicht setzen Union und SPD darauf, dass es bis zu den nächsten Wahlen noch keine wirklich schmerzhaften Effekte gibt.
Netze
Immerhin: Hoch lebe die Monstertrasse; es wird auf Freileitungen gesetzt, die deutlich günstiger und schneller zu errichten sind. Netzanschlüsse sollen günstiger werden, was derzeit allerdings ein deutlich kleineres Problem darstellt als die schiere Verfügbarkeit für große Letztverbraucher. Direktleitungen sollen offenbar künftig nicht auf 5 km begrenzt sein, und trotz der Bedenken vieler Ökonomen soll es bei einer einheitlichen Stromgebotszone bleiben. Netzdienliche Baumaßnahmen werden forciert, etwa die Genehmigung von Speichern, denen wie EE-Anlagen überragendes öffentliches Interesse zukommen soll.
GroKo <3 Erdgas
Die künftige Bundesregierung setzt auf Erdgas. Bis 2030 sollen 20 GW Gaskraftwerke entstehen, also deutlich mehr als die Ampel sich vor allem aus finanziellen Gründen zugetraut hat. Sie dienen vor allem der Netzstabilisierung, aber anders als die Regierung Scholz es wollte, sollen sie nicht nur Residuallast abdecken, sondern auch die Preise senken, also marktorientiert erzeugen. Das bedeutet natürlich: Es wird mehr emittiert, in der Tendenz steigen die CO2-Preise im ETS I, zumal nicht mehr die Rede davon ist, dass die Kraftwerke H2-ready sein sollen, wobei dies auch in der Kraftwerksstrategie der Ampel zumindest kurzfristig mehr in die Abteilung frommer Wunsch als reale Erwartung gefallen sein dürfte.
Wasserstoff kommt zwar eine wichtige Rolle zu. Die neuen Gaskraftwerke sollen aber offenbar durch CCS/CCU dekarbonisiert werden, um sie nicht direkt noch in den Dreißigern mangels Emissionsberechtigungen wieder einmotten zu müssen. Das KSpG war ja bereits im Gesetzgebungsverfahren, auch die nächste Bundesregierung will hier die Basis für Abschiebung und Verpressung von CO2 schaffen, und dies sowohl an Land als auch unter dem Meer.
Doch auch wenn Erdgas wieder auf mehr Gegenliebe stößt als in den letzten Jahren: Kohle kommt nicht wieder. Es bleibt beim Ausstieg 2038, so, wie derzeit gesetzlich vorgesehen.
Effizienz und Wärme
Auch bei der Wärmeversorgung will die GroKo länger am Gas festhalten und die Netze konservieren, während sie durch eine Verstetigung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze den Ausbau der Fernwärme fördert. Immerhin soll auch das KWKG novelliert werden, die durch das Ende der Ampel unterbrochenen Neuregelungen von AVBFernwärmeV und WärmeLV sollen fortgesetzt werden, und das EnEfG soll offenbar auf das EU-Mindestmaß zurückgeschnitten werden.
Das „Heizungsgesetz“ soll abgeschafft werden, was insofern überrascht, als dass ein Gesetz dieses Namens nicht existiert. Bisher wurde der Begriff stets als Synonym für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) genutzt, das aber keineswegs abgeschafft werden soll, sondern nur novelliert. Es soll technologieoffener, flexibler und einfacher werden, was insofern herausfordernd sein dürfte, als dass die umstrittenen § 71 GEGff. bereits heute keine technologische Festlegung enthalten. Immerhin soll der Heizungstausch künftig auch gefördert werden, und energetische Sanierungen von der Steuer abgesetzt werden können. Hier wird man sehen, was angesichts der demnächst umzusetzenden Gebäuderichtlinie (EPBD) überhaupt möglich ist. Gut denkbar, dass das Nebeneinander von EPBD und Emissionshandel dazu führt, dass in der Praxis sich gar nicht so viel ändert oder der faktische Druck zum Heizungstausch sogar wächst.
Was halten wir davon?
Nach einem Wahlkampf, in dem es verhältnismäßig viel um Energiepolitik ging, hätte man mehr Neues erwartet. Statt dessen werden viele Ideen und Vorhaben der Ampel schlicht weitergeführt. Es verschieben sich angesichts der hochgespannten Erwartungen vieler Anhänger – und der Befürchtungen mancher Gegner – eher Akzente, denn die treibenden Instrumente der Transformation kommen aus Brüssel und können von den Deutschen nicht einfach abgeändert werden (Miriam Vollmer).