Nun doch: Bußgeld­ka­talog 2021

Wir hatten schon mehrfach angekündigt und darüber berichtet: Im Zuge der StVO-Reform sollte auch der Bußgeld­ka­talog überar­beitet werden. Doch das Unter­fangen war von mehrfachen Rückziehern und Pannen seitens des Bundes­mi­nis­te­riums für Verkehr und Infra­struktur (BMVI) begleitet.

Parkverbotsschilder

Zuerst war der ursprüng­liche Reform­entwurf in die Kritik geraten, weil einige Politiker und Verbände ihn – wegen Fahrver­boten bei Geschwin­dig­keits­über­schrei­tungen – als zu streng ansahen. Zwar gab es auch vorher schon die Möglichkeit, bei grober oder beharr­licher Pflicht­ver­letzung ein Fahrverbot auszu­sprechen, aber jetzt eben unter etwas erleich­terten Bedin­gungen. Der Bundes­ver­kehrs­mi­nister Scheuer war daher bereit zurück­zu­rudern, wobei ihm ein Formfehler zupass kam, der zur Nichtigkeit der Verordnung führte.

Da der Bundesrat zunächst nicht bereit war, auf die bereits von ihm als Kompromiss in die Verordnung gebrachten Änderungen zu verzichten und ein weiterer Kompro­miss­versuch zunächst gescheitert war, lag die Reform zunächst eine Weile auf Eis. Bis schließlich ein tragfä­higer Kompromiss gefunden wurde. Der bestand darin, dass die Bußgelder stärker als zuvor geplant angehoben wurden, die Voraus­set­zungen für Fahrverbote jedoch beim Alten blieb.

Dieser Novelle des Bußgeld­ka­talogs (BKatV-Novelle) hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 08.10.2021 nun zugestimmt. Daraus folgen einige Verschär­fungen z.B.:

  • für das verbots­widrige Parken auf Geh- und Radwegen sowie das nunmehr unerlaubte Halten auf Schutz­streifen und das Parken und Halten in zweiter Reihe sind Geldbußen bis zu 110 Euro vorgesehen
  • wenn dabei Verkehrs­teil­nehmer behindert oder gefährdet werden, eine Sachbe­schä­digung erfolgt oder das Fahrzeug auf dem Geh- oder Radweg länger als eine Stunde parkt, gibt es einen Punkt im Fahreignungsregister
  • wer unberechtigt auf Parkplätzen für E‑Autos, Schwer­be­hin­derte oder Carsharing parkt, muss mit 55 Euro Strafe rechnen
  • bei einem allge­meinen Park- und Halte­verstoß 25 Euro, an Engstellen oder scharfen Kurven 35 Euro.

Aktuell gilt der neue Bußgeld­ka­talog immer noch nicht. Aber nach einstim­miger Zustimmung des Bundes­rates wird nun die Verkündung im Bundes­ge­setz­blatt vorbe­reitet. Die Änderungen treten drei Wochen nach Verkündung in Kraft (Olaf Dilling).

2021-10-13T23:12:28+02:0013. Oktober 2021|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Die AVBFern­wärmeV als Problem fürs Wärme-Contracting

Als das Wirtschafts­mi­nis­terium den ersten Entwurf für die FFVAV vorstellte, war der Ärger groß: Die Definition schloss Contracting aus, also die objek­tiv­be­zogene Wärme­ver­sorgung durch ein externes Unter­nehmen, oft durch BHKW oder in jüngster Zeit durch eine Kombi­nation von Wärme­pumpe und Strom­ver­sorgung. Die Contrac­toren wollten aber in dem etablierten Gefüge der AVBFern­wärmeV bleiben.

Nachdem der Bundesrat am 25. Juni 2021 den Entwurf noch einmal grund­legend abgeändert hat, reiben sich viele Unter­nehmen nun aber erstaunt die Augen. Die neue AVBFern­wärmeV wirft aufgrund einiger neuer Punkte nun ganz neue Fragen auf. Die beiden wichtigsten: Wie nun mit den Veröf­fent­li­chungs­pflichten umgehen? Und vor allem: Wie weiter mit dem Recht des Kunden, im laufenden Vertrags­ver­hältnis die Anschluss­leistung zu reduzieren?

Die Veröf­fent­li­chungs­pflichten haben es jeden­falls in sich: Seit dem 5. Oktober 2021 (ja, wirklich! Seit über einer Woche!) müssen Fernwär­me­ver­sorger im Internet ihre allge­meine Versor­gungs­be­din­gungen und alle Preis­re­ge­lungen, aber auch die Netzver­luste ins Internet stellen. Leicht verständlich soll das auch noch ausfallen. Eine Ausnahme für Contrac­toren gibt es hier nicht, sie ergibt sich auch nicht qua Natur der Sache. Insofern spricht viel dafür, dass auch Gerichte sich auf den Stand­punkt stellen würden, dass diese Daten ins Internet gehören. Der Contractor – etwa ein Heizungs­bauer – ist nicht im Internet? Auch für diesen Fall ist keine Ausnahme vorgesehen.

Ist die Veröf­fent­li­chungs­pflicht in erster Linie Aufwand, geht es bei dem Kunden­recht auf Anpassung der Anschluss­leistung ans Einge­machte. Denn aus der Summe der Anschluss­leis­tungen ergibt sich, welche „Hardware“ ein Versorger vorhalten muss. Nun sid Erzeugung und Netze keine Inves­ti­tionen, die sich kurzfristig anpassen lassen, das neuge­schaffene Recht des Kunden in § 3 AVBFern­wärmeV, jedes Jahr begrün­dungslos um bis zu 50% die Anschluss­leistung zu verändern, ist insofern schon im klassi­schen Fernwär­menetz ein Problem, sobald es in Größen­ord­nungen auftritt. Im Contracting im Einzel­objekt stellen sich kaum beant­wortbare Fragen. Ein Contractor, der etwa ein Einkaufs­zentrum mit einem Heizkraftwerk versorgt, ist ja hinsichtlich seiner techni­schen Ausstattung und seines Invests noch viel weniger flexibel als ein klassi­scher Versorger. Da er die Anschluss­leistung nicht technisch drosseln kann, bedeutet im Falle des Contractors die Reduzierung der Anschluss­leistung wohl in erster Linie, dass der Kunde seinen Grund­preis nach Belieben reduzieren kann. Für die Kalku­lation des Contractors ist das natürlich ein Problem.

Erfurt, Nord, Erfurtnord, Swe, Heizkraftwerk

Wie nun damit umgehen? Viele Unter­nehmen werden ihr Preis­gefüge ändern, so dass die Inves­tition über den Arbeits- und nicht über den Grund­preis finan­ziert wird. Dann tut die flexible Anschluss­leistung nicht so weh. Doch wie damit umgehen, wenn nach oben angepasst werden soll? Muss dann ein Kessel heran­ge­schafft werden, wenn der Winter besonders kalt zu werden droht? Es darf ja wohl auch nach oben angepasst werden, siehe § 3 Abs. 1 S. 1 AVBFern­wärmeV. Angesichts dieser Probleme spricht dann doch viel dafür, die AVBFern­wärme zu verlassen und einen abwei­chenden Vertrag zu schließen. Doch Obacht! Hier gilt § 1 Abs. 3 AVBFern­wärmeV: Der Versorger muss dem Kunden einen AVB-konformen Vertrag angeboten haben und dieser muss ausdrücklich mit der Abwei­chung einver­standen sein (Miriam Vollmer).

Wir erklären das neue Fernwär­me­recht am 27. Oktober 2021 von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Infos und Anmeldung hier.

2021-10-13T18:18:22+02:0012. Oktober 2021|Wärme|

Verspätete Anschluss­bei­träge für „neue“ Kläranlage

Bei der Finan­zierung des Anschlusses an das öffent­liche Wassernetz gibt es immer mal wieder Probleme. Wir berich­teten. Inbesondere machen die kommu­nalen Träger die Abwas­ser­bei­träge mitunter so spät geltend, dass betroffene Bürger sich inzwi­schen auf Verjährung oder Vertrau­ens­schutz berufen können. Früher entstand nach manchen Kommu­nal­ab­ga­ben­ge­setzen der Länder, z.B. in Brandenburg, die Beitrags­pflicht erst dann, wenn eine entspre­chende Satzung erlassen wurde. Das führte dazu, dass Grund­ei­gen­tümer lange nach dem Bau einer Kläranlage rückwirkend zu oft erheb­lichen Beiträgen heran­ge­zogen wurden. Dieser Praxis setzte 2015 das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt mit einer Entscheidung ein Ende, in der es zugunsten des Vertrau­ens­schutzes zweier Branden­bur­gi­scher Beschwer­de­füh­re­rinnen entschied.

Gullideckel

Vor kurzem landete ein ähnlicher Fall aus Brandenburg vor dem Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG). Auch in diesem Fall waren die Grund­stücks­ei­gen­tümer lange nicht zur Zahlung von Abwas­ser­bei­trägen heran­ge­zogen worden. Schießlich hatten sie schon zu Vorwen­de­zeiten einen Abwas­ser­an­schluss erhalten, die Anfang der 1990er Jahre auf Stand gebracht worden war. Aufgrund der Beitrags­satzung von 1994 waren die Kläger zunächst von einem Beitrags­be­scheid verschont geblieben. Nachdem ihre Gemeinde mit einer Nachbar­ge­meinde 2006 einen Wasser- und Abwas­ser­zweck­verband gegründet hatte ohne wesent­liche Änderungen am Netz vorzu­nehmen, bekamen sie schließlich 2013 einen Beitrags­be­scheid. Dagegen wurden anderen Grund­stücks­ei­gen­tümern, die bereits viel früher einen Beitrags­be­scheid erhalten hatten, dieser angerechnet.

Das BVerwG ist der Auffassung, dass der Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes auch gegenüber dem neuen Träger der öffent­lichen Schmutz­was­ser­be­sei­ti­gungs­ein­richtung geltend gemacht werden kann. Den Klägern würde – im schönsten Juris­ten­deutsch – eine hypothe­tische Festset­zungs­ver­jährung zugute kommen. Mit anderen Worten kann die Tatsache, dass jemand nie einen Bescheid bekommen hat, nicht schlechter gestellt werden als jemand, dessen Bescheid vor so langer Zeit ergangen ist, dass er inzwi­schen verjährt ist.

Für die Kommunen bedeutet dies, dass sie sich recht­zeitig um die Finan­zierung ihrer Infra­struktur durch die dadurch begüns­tigten Grund­stücks­ei­gen­tümern kümmern müssen. Entspre­chende Inves­ti­tionen müssen zeitnah abgerechnet werden, sonst kann es am Ende zu spät sein (Olaf Dilling).

2021-10-11T15:16:13+02:0011. Oktober 2021|Verwaltungsrecht, Wasser|