Emissi­ons­handel: Löschung von Zutei­lungs­an­sprüchen am 31.12.2020

Noch ein gutes Jahr, dann neigt sich die laufende dritte Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels dem Ende zu. Doch bevor die vierte Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels am 01.01.2021 beginnt, steht für viele Unter­nehmen noch eine Zitter­partie an: Werden die derzeit noch laufenden Wider­spruchs- und Klage­ver­fahren auf Mehrzu­teilung nach dem TEHG und der ZuV 2020 recht­zeitig abgeschlossen?

Dem Abschluss der Rechts­strei­tig­keiten vor dem 31.12.2020 kommt immense Bedeutung zu. Denn mit Urteil vom 26.04.2018 (BVerwG 7 C 20.16) hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) die Rechts­an­sicht der Deutschen Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) bestätigt, nach der zwar Emissi­ons­be­rech­ti­gungen am Ende der zweiten Handel­s­pe­riode nicht ihren Wert verloren, weil sie 2013 in neue Zerti­fikate umgetauscht wurden, aber unerfüllte, streitige Zutei­lungs­an­sprüche ersatzlos erloschen (wir berich­teten). Als Begründung für diese Ungleich­be­handlung von zugeteilten und rechts­widrig nicht zugeteilten Zerti­fi­katen sah das BVerwG insbe­sondere das Fehlen einer Anspruchs­grundlage an. Eine Anspruchs­grundlage für den Umtausch gebe es eben nur für Zerti­fikate, nicht für unerfüllte Zerti­fi­kat­an­sprüche. Außerdem sei dies in der Regis­ter­ver­ordnung EU-RegVO 920/2010 nicht vorgesehen.

Zwar hat der Rechts­rahmen sich seither geändert. Nunmehr werden Zerti­fikate nicht mehr zum Ende einer Handel­s­pe­riode umgetauscht, sondern alle seit 2013 ausge­ge­benen Berech­ti­gungen sind von vornherein unbegrenzt gültig, § 7 Abs. 2 S. 1 TEHG. Aller­dings gibt es nach wie vor keine Regelung, die eine solche unbegrenzte Gültigkeit auch für die unerfüllten Zutei­lungs­an­sprüche anordnen würde. Damit besteht ein hohes Risiko, dass die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) auch beim Übergang von der laufenden in die nächste Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels von einem Untergang der Zutei­lungs­an­sprüche ausgeht.

Für die Praxis bedeutet das: Alle laufenden Strei­tig­keiten sind spätestens jetzt bis aufs Äußerste zu beschleu­nigen. Verwal­tungs­pro­zesse dauern durch­schnittlich mehr als 20 Monate. Und da die Zeit der DEHSt in die Hände spielt, ist anzunehmen, dass die Behörde schon in der Hoffnung auf eine Erledigung von Mehrzu­tei­lungs­klagen durch Zeitablauf den Instan­zenzug voll beschreitet. Wider­spruchs­führer sollten die Möglichkeit von Untätig­keits­klagen prüfen. Kläger auf schnelle Termi­nie­rungen hinwirken. Zu bedenken ist dabei stets: Es gibt zwar die Möglichkeit von Eilver­fahren. Im hochkom­plexen Emissi­ons­handel braucht aber selbst ein Eilver­fahren seine Zeit. Dies gilt besonders, wenn (wie fast immer im Emissi­ons­handel) auch gemein­schafts­recht­liche Fragen berührt werden.

Sie haben ein laufendes Verfahren und möchten dieses beschleu­nigen? Bitte melden Sie sich per E‑Mail oder telefo­nisch an 030 403 643 62 0. 

 

2019-10-25T15:47:27+02:0025. Oktober 2019|Allgemein, Emissionshandel, Industrie, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Nitra­t­richt­linie: Einklag­bares Recht auf sauberes Brunnenwasser

Fragen Sie sich auch manchmal, warum das Thema der Luftqua­lität in Innen­städten die Politik und das Recht solange in Atem gehalten hat? Wieso passiert nicht genau­soviel bei anderen dring­lichen Umwelt­pro­blemen, wie etwa die schlei­chende Infil­trierung des Trink­wassers mit gesund­heits­chäd­lichen Stoffen, etwa Nitrat oder Pestiziden?

Erlauben Sie uns, mit der Antwort etwas weiter auszu­holen: Die Durch­setzung des europäi­schen Umwelt­rechts beruht im beson­deren Maß auf der Initiative von Bürgern und Verbänden. Schließlich hat Brüssel in den Mitglied­staaten keinen eigenen Verwal­tungs­un­terbau, der sich darum kümmert. Die Möglich­keiten, Rechte vor Gericht geltend zu machen, sind daher häufig ausschlag­gebend dafür, ob umwelt­recht­liche Vorgaben überhaupt ernst genommen werden. Die Klage­welle für effektive Luftrein­haltung in deutschen Innen­städten, die zu dem von uns bereits mehrfach thema­ti­sierten Fragen der Diesel-Fahrverbote geführt hat, zeigt dies deutlich: Dass es ein relativ kleiner Verband, die Deutsche Umwelt­hilfe, geschafft hat, die Politik seit Jahren vor sich herzu­treiben, wurde durch eine Erwei­terung der Klage­mög­lich­keiten vorbereitet.

Die entschei­dende Wegmarke war die Entscheidung Janecek gegen Freistaat Bayern des EuGH. In dieser Entscheidung hatte der Bundes­tags­ab­ge­ordnete Dieter Janecek geklagt, der zugleich Anwohner des Mittleren Rings ist, einer der Haupt­ver­kehrs­adern der Münchener Innen­stadt. Der EuGH stellte in der Entscheidung klar: Unmit­telbar betroffene Bürger können bei Gefahr der Überschreitung von Grenz­werten der Luftqua­li­täts­richt­linie (LQRL) die Regierung auf Erstellung eines Aktions­plans verklagen.

Anders als bei der Luftqua­lität war die indivi­duelle Einklag­barkeit von Nitrat-Grenz­werten im Wasser­recht bislang unklar. Anfang dieses Monats hat der EuGH nun entschieden, dass auch der Grenzwert für Nitrat im Grund­wasser, der bei 50 mg/l liegt, indivi­duell einge­klagt werden kann. Diesmal kam die Vorla­ge­frage von einem öster­rei­chi­schem Verwal­tungs­ge­richt. Geklagt hatten ein kommu­naler mit der Wasser­ver­sorgung beauf­tragter „Wasser­lei­tungs­verband“, eine Gemeinde und ein indivi­du­eller Brunnen­be­sitzer aus dem Burgenland. Da das örtliche Trink­wasser schwan­kende Nitratwert von bis über 70 mg/l aufweist, hatten die Kläger auf Änderung einer Verordnung geklagt, dem sogenannten „Aktions­pro­gramm Nitrat 2012“, mit dem die Vorgaben der Nitra­t­richt­linie umgesetzt werden sollten. Der EuGH hat entschieden, dass die zustän­digen Behörden unter bestimmten Bedin­gungen von betrof­fenen Bürgern oder Verbänden dazu verpflichtet werden können, ein Aktionsplan zu ändern oder weitere Maßnahmen zu erlassen. Ähnlich wie in der Janecek-Entscheidung reicht dafür auch schon eine drohende Überschreitung.

Fazit: Für Wasser­ver­sorger, und für Besitzer privater Brunnen könnte sich diese Entscheidung als bedeutsam erweisen. Denn bislang mussten sie bei Grenz­wert­über­schrei­tungen immense Kosten für die Aufbe­reitung zahlen oder ganz auf die Nutzung ihre Brunnen verzichten. Nunmehr stehen recht­liche Möglich­keiten zur Verfügung, den Staat – und damit indirekt die mehrheitlich landwirt­schaft­lichen Verur­sacher – zur Einhaltung der Grenz­werte zu bringen.

2019-10-24T17:21:19+02:0024. Oktober 2019|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht, Wasser|

Der nationale Emissi­ons­handel (nEHS): Was steht im BEHG-Entwurf?

Seit Samstag liegt der Entwurf eines Gesetzes über ein natio­nales Emissi­ons­han­dels­system für Brenn­stoff­emis­sionen (BEHG) auf dem Tisch. Erneut blieben den Verbänden nur zwei Tage Zeit, sich den Entwurf anzusehen. Schon Mittwoch soll er im Kabinett verab­schiedet werden. 

An der Konzeption des natio­nalen Emissi­ons­handels (nEHS) gibt es – aus unserer Sicht berech­tigte – Kritik. Wir halten das Risiko einer Aufhebung durch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) gleich­falls für hoch, weil das Instrument zwischen 2021 und 2026 in der aktuellen Entwurfs­fassung dem finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Steuerer­fin­dungs­verbot zuwider­laufen könnte. Abseits der Frage, ob das BVerfG den geplanten Emissi­ons­handel wider aufhebt, ist es aber inter­essant, was der Gesetz­geber genau plant. Der aktuell vorlie­gende Referen­ten­entwurf des BEHG vom Wochenende sieht in groben Zügen und mit vielen Leerstellen, in denen auf noch zu erlas­sende Verord­nungen verwiesen wird, Folgendes vor:

# Erfasst werden Erdgas, Heizöl, Flüssiggas, Benzin und Gasöle (Anlage 1 zum BEHG)

# Der Entwurf verknüpft die Abgabe­pflicht mit der Entstehung der Energie­steu­er­pflicht (§ 2 Abs. 2 BEHG. Das ist nachvoll­ziehbar, aber alle Vollzugs­fragen des – keineswegs trivialen – EnergieStG spielen damit auch in den nEHS.

# Es ist ein Cap vorge­sehen, das die Bundes­re­gierung berechnen soll. In den ersten Jahren bis 2026 wird das Cap aber aufge­füllt, wenn es ausge­schöpft sein sollte. Eine echte Knapp­heits­si­tuation existiert in dieser Phase noch nicht (§ 5 BEHG).

# Verant­wortlich sind dieje­nigen, die die Brenn­stoffe in den Verkehr bringen oder als Liefe­ranten fungieren, nicht die Unter­nehmen oder Verbraucher, die sie verbrennen. Auch hier kommt es auf das EnergieStG an.

# Die Verant­wort­lichen müssen einen Überwa­chungsplan erstellen, § 6 BEHG. Jedes Jahr muss danach bis zum 31. Juli ein Brenn­stoff­emis­si­ons­be­richt erstellt werden, § 7 BEHG. Für die berich­teten Emissionen muss bis zum 1. August eine entspre­chende Menge an Zerti­fi­katen abgegeben werden.

# Die Zerti­fikate sind handelbar. In der Einfüh­rungs­phase gelten sie nur für ein Kalen­derjahr, später gilt diese Beschränkung nicht mehr, § 9 BEHG. Die Zerti­fikate werden elektro­nisch in einem Register vorge­halten, das die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) betreibt, § 12 BEHG. Sie fungiert auch als zuständige Behörde, § 13 BEHG.

# 2021 bis 2025 werden die Zerti­fikate zu einem pro Jahr festge­legten Festpreis beginnend mit zehn und endend mit 35 EUR verkauft. Ab 2026 wird innerhalb eines Korridors versteigert, § 11 BEHG.

# § 11 Abs. 5 BEHG sieht eine Kompen­sa­ti­ons­mög­lichkeit bei Vorliegen einer unbil­ligen Härte vor. Eine solche Regelung kannte bereits der „alte“ Emissi­ons­handel in den ersten Handelsperioden.

# Die Bundes­re­gierung plant in § 11 Abs. 6 BEHG, Anlagen­be­treiber von TEHG-Anlagen zu kompen­sieren, wenn sie ansonsten zweimal für ihre Emissionen zahlen müssten. Die Abgrenzung wird absehbar ein erheb­liches Problem, der Entwurf bietet hierzu noch keine plausible Lösung.

# Um die Abwan­derung belas­teter Indus­trie­zweige zu verhindern, plant die Bundes­re­gierung Beihilfen, § 11 Abs. 7 BEHG.

# Die jährlichen Emissi­ons­be­richte sind durch Sachver­ständige zu verifi­zieren, § 15 BEHG.

# Das Sankti­ons­system ähnelt dem des europäi­schen Emissi­ons­handels nach dem TEHG: Bei fehler­haften Berichten wird das Konto gesperrt, § 20 BEHG. Bei Verlet­zungen der Abgabe­pflicht greift eine Zahlungs­pflicht, die pro fehlendem bzw, verspä­teten Zerti­fikat mit dem Dreifachen des Festpreises beginnt, später greift eine Zahlungs­pflicht wie beim TEHG-Emissionshandel.

# Verstoße werden mit scharfen Bußgeldern geahndet: Falsche oder fehlende Berichte ziehen bis zu 500.000 EUR Bußgeld nach sich, alle anderen Pflicht­ver­stöße können mit bis zu 50.000 EUR belegt werden.

Insgesamt ähnelt der neue nEHS – wie nicht weiter erstaunlich – dem bekannten Emissi­ons­handel, nur ohne die Zuteilung von Zerti­fi­katen. Mögli­cher­weise ändert sich das im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren noch einmal. Viele praktische Fragen sind bisher noch völlig ungeklärt. Hier steht zu hoffen, dass der Gesetz­geber noch pragma­tische Lösungen nachliefert.

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