Das Bootsverbot als „Geschenk“ an Angler
Dass Naturschutz nicht umsonst zu haben ist, wissen wir ja schon aus der Diskussion über die Planung von Windenergieanlagen. Ganz allgemein gefragt ist zwar so ziemlich jeder für Artenvielfalt. Aber was, wenn Rote Milane oder seltene Fledermäuse in vielen einzelnen Fällen die Standortwahl so einschränken, dass aufs Ganze gesehen die Energiewende gefährdet ist? Dann stehen manchmal harte Entscheidungen an zwischen Interessen an Biodiversität und Klimaschutz.
Eine gar nicht so unähnliche Kollision von berechtigten Interessen gibt es auch zwischen Naturschutz und der Naturnutzung durch Erholungssuchende. Ein Beispiel dafür sind Befahrungsverbote und ‑regelungen für den Kanusport, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH) im März 2017 zu entscheiden hatte. In dem Fall ging es um die Nidda, ein hessisches Flüsschen, dass im Vogelsberg entspringt und nach beschaulichen 90 km durch Wälder, Äcker und Wiesen bei Höchst in den Main mündet. Die Schutzgebietsverordnung für das Landschaftsschutzgebiet „Auenverbund Wetterau“ vom 22.12.2014 untersagt u.a. das Befahren der Nidda mit Wasserfahrzeugen aller Art.
Geklagt hatten dagegen der Hessische Landeskanuverband und zwei einzelne Paddler. Das Verbot, das vor allem zum Schutz laichender Fische und brütender Vögel erlassen wurde, war für die Kanufahrer nicht nachvollziehbar. Unter anderem ist der Fluss normalerweise tief genug, so dass organisierte, geschulte Paddler Grundberührungen vermeiden können, die für den Fischlaich schädlich sind. Außerdem ist für sie nicht nachvollziehbar, dass Sportangler nach der Verordnung weiterhin vom Ufer aus angeln durften.
Das Gericht hat die Verordnung in seiner Entscheidung jedoch aufrechterhalten. Unter anderem, weil auch mit noch unerfahrenen Paddlern zu rechnen sei, die dann eben doch mit dem Ufer oder Kiesbänken kollidieren. Außerdem können sich Paddler im Gegensatz zu Anglern allein auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen. Die Ausübung des Fischereirechts beruht dagegen auf dem Grundeigentum und lässt sich zur Ausübung auf Pächter übertragen. Daher fallen ihre Rechte stärker ins Gewicht. Zudem sind die Angler eine überschaubare Gruppe, mit der sich vertragliche Regelungen über den Naturschutz treffen lassen.
Obwohl das rechtlich vertretbare Argumente sind, ist verständlich, dass die Kanuten die Entscheidung nicht recht überzeugt. Denn die Störwirkung des Angelns ist mit dem Kanufahren durchaus vergleichbar. Auch gibt es anderenorts Maßnahmen, die organisierte, geschulte Paddler vom Befahrensverbot ausnehmen und im Übrigen auf Grundlage freiwilliger Vereinbarungen ähnlich wie die Angler einbinden. Solche Maßnahmen greifen weniger in die Rechte der Sportler ein und wären daher rechtlich vorzugwürdig. So wie die Verordnung ausgestaltet ist, erscheint sie aus Sicht der Kanuten eher als Geschenk an die Angler. Sie können nun von Paddlern gänzlich ungestört ihrem Hobby nachgehen – zum Nachteil der Fische und im Uferbereich brütenden Vögel.