Der Sommer der E‑Roller

Manchmal geht es dann auch ganz schnell. Noch im Mai war im Bundesrat über E‑Tretroller, E‑Scooter und andere Elektro­kleinst­fahr­zeuge abgestimmt worden. Vor ein paar Tagen, am 16. Juni, trat die entspre­chende Verordnung in Kraft. Als wir gestern über den Hacke­schen Markt gingen, standen bereits verschiedene Typen in Reih und Glied in der Fußgän­gerzone: Schlanke Roller in grellen Farben, die blinkend zum Aktivieren per App auffordern. Ein paar davon schon in Benutzung von neugie­rigen jungen Touristen. Inzwi­schen diffun­dieren sie schon an entle­genere Orte oder stehen unmoti­viert auf schmalen Trottoirs.

Während wir uns noch erinnern, dass im Verkehrs­mi­nis­terium, im Bundesrat und in den sozialen Netzwerken heftig über die Frage gestritten wurde, ob die Dinger nun auf der Fahrbahn, dem Radweg oder dem Gehweg fahren sollen, ist jeden­falls von vornherein klar, wo sie parken: Natürlich auf dem Gehweg, der vielleicht den Reali­täten folgend in „Mehrzweck­streifen“ umbenannt werden sollte. In der Verordnung findet sich unter § 11 Absatz 5 ein lakoni­scher Hinweis auf die Gleich­be­handlung mit Fahrrädern bei Parken. So als gäbe es in Deutschland bereits zur Genüge reguläre Parkplätze für Fahrräder.

Aber noch mal zu den gewerb­lichen Angeboten. Im deutschen Straßen­recht gibt es die Unter­scheidung zwischen Gemein­ge­brauch und Sonder­nut­zungen. Sonder­nut­zungen sind typischer­weise gewerblich und gebüh­ren­pflichtig. Etwa das Aufstellen von Tischen und Sitzge­le­gen­heiten an Straßen­cafés. Wie ist es nun mit den ganzen E‑Bikes und E‑Tretrollern? Zahlen die Vermieter für ihre Nutzung des Bürger­steigs eigentlich eine Sondernutzungsgebühr?

Eine Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts (OVG) Hamburg von 2009 gibt Aufschluss, damals noch zu E‑Bikes: Nein, das Parken von E‑Bikes ist keine Sonder­nutzung. Denn öffent­liche Wegen sind nach § 16 Absatz 1 Hamburger Wegegesetz Verkehrs­zwecken gewidmet. Jede Nutzung, die dem Verkehr dient, ob gewerblich oder privat, ist daher erst einmal ohne besondere Erlaubnis als Gemein­ge­brauch zulässig. Natürlich nur im Rahmen der Vorschriften und soweit andere dabei in ihrem Gemein­ge­brauch nicht unzumutbar beein­trächtigt werden. Zudem hat der fließende Verkehr Vorrang vor dem ruhenden Verkehr. Das dürfte nicht nur für Fahrbahnen, sondern auch für Gehwege gelten. Sprich: die Fahrzeuge dürfen nicht da geparkt werden, wo andere üblicher­weise entlang­gehen wollen. Allgemein soll auf Gehwegen mindestens 1,5 m Platz bleiben, damit auch Kinder­wägen und Rollstühle durch­kommen. Insbe­sondere Blinden­leit­systeme, also diese Rillen in den Fußgän­ger­zonen, oft weiß hervor­ge­hoben, sind tabu.

In Berlin gibt es übrigens mit § 10 Absatz 2 Berliner Straßen­gesetz eine vergleichbare Regelung: Auch hier dürfte also das Parken von E‑Bikes und Elektro­rollern vom Gemein­ge­brauch umfasst sein. Wir sind übrigens schon gespannt, wo demnächst die Flugtaxis parken werden: Nur auf den Flach­dä­chern des Regie­rungs­viertels oder auch in der Fußgän­gerzone am Hacke­schen Markt? Only time will tell.

2020-06-03T16:13:42+02:0025. Juni 2019|Allgemein|

Manchmal kommen sie wieder: CCS in der aktuellen Diskussion

Wir müssen gestehen: CCS hatten wir schon völlig vergessen. Schließlich war auf Grundlage des 2012 erlas­senen CCS-Gesetzes (KSpG) kein einziger deutscher Speicher entstanden, vor allem, weil den Bundes­ländern die Möglichkeit einge­räumt wurde, per Länder­klausel die Speicherung von verflüs­sigtem Kohlen­dioxid auf ihrem Landes­gebiet auszu­schließen. Den sang- und klang­losen Untergang der Pläne für deutsche CO2-Speicher und eine entspre­chende Trans­port­in­fra­struktur hat die Bundes­re­gierung erst vor einigen Monaten in dem gesetzlich vorge­se­henen Evalu­ie­rungs­be­richt darge­stellt (wir berich­teten).

Nun aber setzen sich nicht nur Vertreter der Bundes­re­gierung, sondern auch Klima­schützer dafür ein, CO2 aufzu­fangen und sodann im Boden zu vergraben, wenn man die Emissionen schon nicht vermeiden kann. Auf die Klima­schutz­sze­narien der EU enthalten CCS als einen Teil des Weges zur Klima­neu­tra­lität. Doch was ist eigentlich erfor­derlich, um in Deutschland wirklich CO2 abzuscheiden und im Unter­grund zu speichern?

Zunächst müsste das KSpG geändert werden. Denn augen­blicklich erlaubt § 2 Abs. 2 KSpG nur Speicher, die bis zum 31.12.2016 beantragt wurden. Außerdem sollten diese nur 1,3 Mio. t CO2 jährlich maximal und nicht mehr als 4 Mio. t CO2 jährlich deutsch­landweit fassen. Zumindest die Befristung müsste weg, denn mangels Anträgen von 2016 oder davor können so auch keine Speicher entstehen. Da nicht anzunehmen ist, dass auch nur ein Bundesland von sich aus die Speicherung zuließe, müsste auch § 2 Abs. 5 KSpG, die Länder­klausel, weg.

Schon hier stellt sich die Frage, wie eine solche Änderung politisch aussehen soll. Die Bundes­länder müssten zustimmen. Aber warum sollten sie das tun? CCS ist ausge­sprochen unpopulär. Wer will sich im nächsten Wahlkampf vorwerfen lassen, er hätte in der Salinen Aquifere unter der norddeut­schen Tiefebene eine Art Deponie für CO2 erlaubt? Tatsächlich gibt es vermutlich nur eine Möglichkeit, die Länder hierzu zu bewegen, und das wäre eine Änderung der CCS-Richt­linie der EU, die solche Klauseln ausschließt. Auch hierfür wären Mehrheiten mehr als fraglich.

Doch selbst wenn das KSpG geändert werden könnte, wäre ein deutscher Speicher schwierig. Da wäre zum einen die Wirtschaft­lichkeit: Die Effizienz von Kraft­werken mit dieser Techno­logie sänke um voraus­sichtlich rund 25%. Die Infra­struktur kostet viel Geld. Strom ist heute schon teuer. Wer also soll das bezahlen? Und selbst wenn diese Mehrkosten sich wegen eines höheren CO2-Preises lohnen würden, hielten wir immer noch einen deutschen Speicher für schwierig. Denn einen Speicher kann man nicht überall bauen. Es gibt in Deutschland verhält­nis­mäßig wenige Gebiete, die sich geolo­gisch hierzu eignen, die liegen auch noch vorwiegend in Norddeutschland. Also nicht dort, wo am meisten Strom gebraucht wird. Man braucht also nicht nur den Speicher selbst, sondern auch Leitungen.

Für diese Leitungen und auch für die Speicher selbst sehen § 4 und § 11 KSpG Planfest­stel­lungs­be­schlüsse vor, die teilweise den beson­deren Regelungen des Energie­wirt­schafts­rechts folgen. Charak­te­ris­tisch für diese Verfahren ist eine umfas­sende Betei­ligung der Öffent­lichkeit. Nun rufen schon Vorhaben mit so etablierten Techno­logien wie der Strom­transport via Erdkabel oder der Straßenbau erbit­terten Protest hervor. Gegen CCS-Leitungen und Speicher würde sicherlich mindestens ebenso intensiv protes­tiert, zumal die Gefähr­lichkeit dieser Techno­logie ja tatsächlich bisher nie schlüssig widerlegt wurde. Es würde damit sicherlich mindestens viel Zeit kosten, bis die Bagger rollen könnten.

Gibt es aber so viele Wenn und Aber wie in diesem Fall, ist es unwahr­scheinlich, dass aus den Ankün­di­gungen, auch auf diese Techno­logie zurück­zu­greifen, mehr wird als ein argumen­ta­tiver Strohhalm, der gegen Emissi­ons­ein­spa­rungen an anderer Stelle ins Feld geführt werden soll.

2019-06-24T12:26:14+02:0024. Juni 2019|Energiepolitik, Industrie, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Strom­erzeuger und Wärme­zu­teilung: Zur Entscheidung des EuGH Rs. C‑682/17

Der vom Emissi­ons­handel unbeleckte Laie würde vermuten, dass ein Strom­erzeuger eben jemand ist, der Strom erzeugt. Der Kenner der Materie weiß es aber besser: Ein Strom­erzeuger, so verrät es uns Art. 3u der Emissi­ons­han­dels­richt­linie (EHRL) ist eine Anlage, in der keine andere emissi­ons­han­dels­recht­liche Haupt­tä­tigkeit außer der Energie­er­zeugung ausgeübt wird, und in der seit dem 01.01.2005 Strom erzeugt wurde, und dieser Strom auch noch an Dritte verkauft wurde.

Ja, da staunen Sie. Und mancher Betreiber sah 2010, als diese Definition in Vorbe­reitung der dritten Handel­s­pe­riode neu einge­führt wurde, seine Anlage auf einmal mit ganz anderen Augen. Weil sie etwa zwar Strom erzeugt, aber geneh­mi­gungs­rechtlich zu einer Papier­fabrik gehört. Oder weil eine Großbä­ckerei die gesamte elektrische Energie des eigenen Kraft­werks zum Backen benötigt und deswegen noch nie etwas einge­speist und damit an Dritte verkauft hat. Oder weil ein Anlagen­be­treiber felsenfest davon überzeugt war, dass die Anlage kein Strom­erzeuger mehr ist, aber 2006 hat sie eben noch Strom erzeugt.

Nachdem die meisten Betreiber schon 2012 ausführlich über die Frage nach der Strom­erzeu­ger­ei­gen­schaft nachge­dacht haben, bereitete die erneute Beant­wortung im laufenden Antrags­ver­fahren – von Einzel­fällen abgesehen – eigentlich keine größeren Probleme mehr. Schließlich hatte sich nicht einmal das Bezugsjahr 2005 geändert. Die Termi­nierung des EuGH in der Sache C‑682/17 ausge­rechnet auf einen Termin mitten im Antrags­ver­fahren hat die Branche deswegen beunruhigt: Was, wenn sich nun die Definition des Strom­erzeugers grund­legend ändern würde?

Dies immerhin hat der Europäische Gerichtshof in der Sache C‑682/17 vermieden, auch wenn das Urteil für manche Betreiber unange­nehme Konse­quenzen haben wird. Was aber war geschehen? In einem Rechts­streit, in dem es um Zuteilung für eine Erdgas­auf­be­rei­tungs­anlage der Exxon ging, hatten das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin Zweifel an der Auslegung von Art. 3u EHRL befallen. Das Gericht sah – ausge­sprochen überra­schend – nur solche Anlagen als Strom­erzeuger, in denen ausschließlich Energie­er­zeugung statt­findet, während die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) wegen des Wortlauts des Art. 3u EHRL auch viele Indus­trie­kraft­werke als Strom­erzeuger betrachtet, weil sich die Haupt­tä­tigkeit nicht auf der Liste der emissi­ons­han­dels­flich­tigen Anlagen in Anhang 1 zum TEHG befindet.

Diese Frage entschied der EuGH zugunsten der DEHSt-Position. Es kommt danach nicht darauf an, wie die Haupt­tä­tigkeit aussieht. Und auch nicht, ob der Verkauf an Dritte der Haupt­zweck einer Anlage darstellt. Etwas missver­ständlich (und deswegen auch bereits Anlass diverser Anrufe bei uns) ist die Formu­lierung im Tenor der Entscheidung, der Strom müsste „konti­nu­ierlich“ verkauft werden. Dies resul­tiert aber aus dem Umstand, dass der EuGH an dieser Stelle ja eine ganz bestimmte Frage zu einer ganz bestimmten Anlage beant­wortet. Die Formu­lierung bedeutet also nicht, dass Anlagen, die nicht konti­nu­ierlich Strom an Dritte verkaufen, keine Strom­erzeuger seien. Zu diesen trifft das Gericht hier schlicht keine Feststellung.

Spannend wird es aber im weiteren Teil der Entscheidung. Die DEHSt hatte der Klägerin Exxon nämlich für die Wärme­pro­duktion der Anlage Zerti­fikate erteilt. Das VG Berlin hat die Recht­mä­ßigkeit dieser von beiden Parteien bejahten Zuteilung in Zweifel gezogen. Diese Zweifel gerannen vorm EuGH zur Gewissheit: Eine Wärme­zu­teilung für einen Strom­erzeuger gibt es nur für Fernwärme und hochef­fi­ziente Kraft-Wärme-Kopplung im Sinne der Richt­linie 2004/8/EG (heute: Richt­linie 2012/27/EU). Für Wärme­er­zeugung von Strom­ver­sorgern, die diesen Kriterien nicht entspricht, gibt es nichts.

Wer also Strom und Wärme außerhalb der klassi­schen KWK erzeugt und seinen Anlagentyp nicht im Anhang 1 zum TEHG wieder­findet, hat Grund zur Sorge.

2019-06-21T00:37:01+02:0021. Juni 2019|Allgemein, Emissionshandel, Industrie, Wärme|