OLG Düsseldorf beendet das Mischpreisverfahren

Das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 22. Juli 2019 das Misch­preis­ver­fahren aufge­hoben. Sekun­där­re­gel­leistung und Minuten­re­serve werden also künftig wieder allein anhand der Leistungs­preise vergeben.

Was so technisch daher­kommt, hat faktisch erheb­liche Bedeutung. Denn worum geht es? Strom­netze können keinen Strom speichern. Und Prognosen über das Abnah­me­ver­halten der Strom­ver­braucher sind natur­gemäß nicht zu 100 % verlässlich. Außerdem ist auch die Einspeisung nicht komplett vorher­sehbar, heute weniger denn je. Deswegen gibt es Regel­en­er­gie­pro­dukte, die dann, wenn ansonsten zu wenig Strom ins Netz einge­speist wird, von den Übertra­gungs­netz­be­treibern (ÜNB) zur Deckung der ansonsten entste­henden Lücke einge­setzt werden. Würde dies unter­bleiben, würde die Spannung absacken und das Netz bräche zusammen. 

Diese Regel­en­er­gie­pro­dukte werden von den ÜNB nicht freihändig am Markt einge­kauft. Sie schreiben die Regel­en­ergie vielmehr aus. Das vermeidet Wettbe­werbs­ver­zer­rungen und entlastet im Idealfall so auch den Verbraucher, der ja nicht mehr für seine Strom­ver­sorgung zahlen soll als unbedingt nötig. Nach welchen Regeln vergeben wird, regelt die Bundes­netz­agentur (BNetzA).

Bis zum Sommer letzten Jahres spielte der Arbeits­preis bei diesen von der BNetzA gesetzten Regeln keine Rolle bei der Zuschlags­er­teilung. Die Behörde machte dieses Verfahren dann aller­dings dafür verant­wortlich, dass es im Oktober 2017 zu bisher noch nie da gewesenen Spitzen­preisen für Reser­ve­leistung von über 20.000 € pro MWh kam. Anbieter hätten den Mecha­nismus der Zuschlags­er­teilung ausge­nutzt, um mit sehr niedrigen Leistungs­preisen den Zuschlag zu bekommen, dann aber zu sehr hohen Arbeits­kreisen zu verkaufen.

Schon vor der Einführung der neuen Zuschlags­kri­terien gab es eine Fülle von Protesten aus dem Markt. Waren das alles gierige Verkäufer, die sich die hohen Preise nicht verderben lassen wollten? Keineswegs: Denn die Verteilung der Kosten auf die Vorhaltung der Anlage und die Erzeugung von Energie ist bei unter­schied­lichen Anlagen­typen eben auch unter­schiedlich. Ändert man den Zuschlags­me­cha­nismus, kommen also auf einmal andere Anlagen zum Zug als bisher. Tatsächlich drängte das auf Betreiben der BNetzA im Herbst 2018 einge­führte Misch­preis­ver­fahren erneu­erbare Energien aus dem Markt für Regel­en­ergie und bevor­zugte so konven­tio­nelle Anlagen. Genau diese Anlagen hatten in den Vorjahren den Preis aber positiv beein­flusst. In Zusam­menhang mit Progno­se­fehlern kam es zudem am 14.12.2018 und am 10.01.2019 jeweils zu Ungleich­ge­wichten, die nur unter Aufbietung aller Mecha­nismen inklusive der zwangs­weisen Abschaltung indus­tri­eller Großver­braucher ausge­glichen werden konnten. Ansonsten wäre das Netz zusammengebrochen.

Anders als in vielen anderen Verfahren will die vor dem OLG Düsseldorf unter­legene Bundes­netz­agentur in diesem Fall nicht den Weg durch die Instanzen bis zum Ende durch­kämpfen. Offenbar ist auch im Bonner Tulpenweg die Erkenntnis einge­kehrt, dass die Änderung der Spiel­regeln sich nicht so ausge­wirkt hat, wie man es sich erhofft hatte. Bis zur schon festste­henden Änderung im nächsten Jahr gilt also wieder der alte Status Quo. 

2019-07-30T13:37:10+02:0030. Juli 2019|Erneuerbare Energien, Strom|

Klima­schutz durch Waldschutz

Die Wälder sind gerade wieder in den Fokus der Klima­po­litik geraten. Dafür sorgte bereits Anfang des Monats eine in Science veröf­fent­lichte Studie der Techni­schen Hochschule Zürich (ETH Zürich). Keine Klima­schutz-Maßnahme sei so effektiv wie die Aufforstung, heißt es darin. Es gäbe ein ausrei­chendes Potential an geeig­neten Flächen. Damit sei sogar das Ziel des Weltkli­marats zu schaffen, die Erder­wärmung bis 2050 auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aller­dings müsste dafür die Waldfläche global um mehr als ein Viertel vergrößert werden. Das heißt, es muss ein Gebiet aufge­forstet werden, dass ungefähr so groß wie die USA ist.

Aller­dings kamen diesen Monat auch Nachrichten über Waldbrände in der Arktis, die weniger optimis­tisch stimmen. Zwar hat es in den Nordpo­lar­ge­bieten schon immer Waldbrände gegeben, aber in den letzten Jahren haben sie wegen des warmen, trockenen Wetters früher begonnen und sind auch größer als früher: Allein im Juni diesen Jahres seien dabei Mengen 50 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre entwichen. Die Studie der ETH Zürich weist zudem darauf hin, dass der Klima­wandel vor allem in den Tropen die Bedin­gungen für den Wald verschlechtert. Insofern drohen sich die Effekte des Klima­wandels selbst zu verstärken, wenn nicht bald gehandelt wird.

Zu diesen Nachrichten passt es gut, dass die EU-Kommission am Dienstag dieser Woche eine umfas­sende Strategie zum Schutz des Waldes und zur Wieder­auf­forstung beschlossen hat. Der Erste Vizeprä­sident der Kommission, Frans Timmermans,  erklärt dazu, dass wir unsere Klima­ziele nicht erreichen werden, ohne die Wälder der Welt zu schützen. Dafür hat die Kommission ein Bündel von Maßnahmen beschlossen, die sich vor allem auf inter­na­tionale Zusam­men­arbeit und globales Wirtschaften beziehen, da sich die größten Primär­wälder nicht im Gebiet der EU befinden.

Die Maßnahmen betreffen:

  1. die Förderung nachhal­tigen Konsums, um den Raubbau an Urwäldern z.B. beim Handel mit Tropenholz oder Palmöl zu vermeiden
  2. die Verstärkung der Entwick­lungs­zu­sam­men­arbeit mit Erzeu­ger­ländern zum Schutz der Wälder
  3. inter­na­tionale Zusam­men­arbeit zum Waldschutz und Wiederaufforstung
  4. Förderung nachhal­tiger Landnutzungspraktiken
  5. Verbes­serung der Verfüg­barkeit und Qualität von Infor­ma­tionen über Wälder und Rohstofflieferketten

Diese Maßnahmen, die bereits Gegen­stand einer Konsul­tation mit Betrof­fenen waren, werden sicher in den nächsten Monaten und Jahren weiter ausbuch­sta­biert. Die vergleichs­weise einfachen und effek­tiven Möglich­keiten des Klima­schutzes durch Schutz von Wäldern und Wieder­auf­forstung könnten zu einem wichtigen Baustein für die Europäische Klima­po­litik werden.

2019-07-25T14:18:23+02:0025. Juli 2019|Allgemein, Naturschutz, Umwelt|

Kein Platz in der Wunschschule

Ein bekanntes Problem: Manche Schulen sind überlaufen. Nicht jedes Kind, das angemeldet wird, bekommt einen Platz. Es muss also ausge­wählt werden. Diese Auswahl­ent­scheidung ist gerichtlich überprüfbar. Schließlich dürfen die Schulen nicht nach Gefühl und Wellen­schlag vorgehen, sondern nach Kriterien wie der indivi­du­ellen Leistungs­fä­higkeit der Kinder, der räumlichen Nähe oder Geschwistern, die bereits die Schule besuchen. Diese Auswahl­ent­schei­dungen muss eine Schule notfalls auch vor Gericht verteidigen.

Doch Gerichte kommen oft zu spät: Die Plätze sind zum Zeitpunkt der Gerichts­ent­scheidung vergeben, für das eigentlich berech­tigte Kind ist im Klassen­zimmer kein Platz mehr. In dieser Situation haben die Gerichte bisher oft (aber nicht überall) entschieden, dass der Anspruch des einzelnen Kindes auf den begehrten Schul­platz bei Kapazi­täts­er­schöpfung erlischt. Es kam also nicht nur darauf an, nach den geltenden Kriterien zu Unrecht keinen Platz erhalten zu haben. Sondern auch, schnell genug den Weg zum Gericht gefunden zu haben. In manchen Bundes­ländern war das aller­dings gar nicht möglich, weil die Schulen bewusst keine Vorab­in­for­ma­tionen vorge­nommen haben, um Klagen vorzubeugen.

Diese Recht­spre­chung war nicht mehr aufrecht­zu­er­halten. Denn zwischen­zeitlich hat sich das BVerfG zu dieser Frage positio­niert (BVerfG, Beschl. v. 12.03.2019, 
1 BvR 2721/16). Danach kann es nicht sein, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, gericht­lichen Rechts­schutz zu suchen, weil die Verga­be­ent­scheidung zu spät bekannt­ge­geben wird. In dieser Entscheidung hat das BVerfG es zwar offen gelassen, ob ein überka­pa­zi­tärer Anspruch besteht. Aber da die Forderung des BVerfG nach einem effek­tiven Rechts­schutz nur dann erfüllbar ist, wenn notfalls auch über die Kapazität der Schule hinaus ein Klage­erfolg möglich ist, hat das VG Frankfurt nun Konse­quenzen gezogen: Mit Beschluss vom 18.07.2019 (7 L 2073 /19.F) hat es festge­stellt, dass auch über die Kapazi­täts­grenze hinaus bis zum Eintritt der Funkti­ons­un­fä­higkeit Kinder auf gericht­liche Entschei­dungen aufzu­nehmen sind, wenn die Schule sie ermes­sens­feh­lerhaft nicht aufge­nommen hat und Rechts­schutz anders nicht vermittelt werden kann. 

Was resul­tiert daraus für die Praxis? Zunächst ist ein einzelnes erstin­stanz­liches Urteil natürlich noch nicht in Stein gemeißelt. Hier kann noch Einiges passieren. Aber: Es spricht nach der BVerfG-Entscheidung viel dafür, dass andere Gerichte folgen. Schulen müssten also noch sorgfäl­tiger und noch besser dokumen­tiert Schüler auswählen. Und wer dabei nicht zum Zug kommt, kann mit deutlich besseren Aussichten auf Erfolg den Gang zu Gericht antreten.

2019-07-22T18:41:49+02:0022. Juli 2019|Allgemein, Verwaltungsrecht|