Wer kann, der kann
Vor einigen Monaten stand Kollegin Vollmer mit dem Vertriebsleiter einer Mandantin an einem Bistrotisch vor einer Bahnhofsbäckerei und wartete auf den Zug. Man sprach über dies und das, Gerichte, Richter, Gerichtsurteile, schwer verständliche Gerichtsurteile, sehr schwer verständliche Gerichtsurteile, und dann kam die Rede auf die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Der Vertriebsleiter (nein, es war nicht Vertriebsleiter Valk, aber eins seiner Vorbilder) hielt die DUH für einen reinen Abmahnverein und wettete eine Flasche Sekt auf eine Niederlage der DUH vor Gericht. Kollegin Vollmer wettete dagegen, weil die Schwelle zum Rechtsmissbrauch erfahrungsgemäß in kaum erreichbarer Höhe zu verorten ist.
Der BGH gab der DUH recht (Urt. v. 04.07.2019, Az. I ZR 149/18). Die DUH – so die Kurzfassung des Urteils – war berechtigt, einen schwäbischen Autohändler abzumahnen, der die Verbrauchswerte und die CO2-Emissionen der von ihm verkauften Kraftfahrzeuge nicht zutreffend auf seiner Homepage auswies. Dies war auch gar nicht streitig. Der Autohändler sprach aber der DUH das Recht ab, dies kostenpflichtig abzumahnen. Zwar ist die DUH eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 Abs. 1 UKlaG, die Abmahnungen wegen wettbewerbswidrigen Verletzung von Verbraucherrechten aussprechen darf. Der Autohändler meinte aber, ihrer Berechtigung stünde § 8 Abs. 4 S. 1 UWG entgegen, der lautet:
„Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.“
Die Preisfrage, mit der die befassten Gerichte sich auseinanderzusetzen hatten, war also: Mahnt die DUH nur ab, um damit Geld zu verdienen? Oder ist sie tatsächlich Sachwalterin von Verbraucherinteressen? Der Autohändler (bzw. seine Anwälte) stützten ihre Argumentation u. a. auf die schiere Anzahl an Abmahnungen, die die DUH ausspricht. Tatsächlich sind 1.500 Abmahnungen pro Jahr natürlich kein Pappenstiel. Dass die beiden Geschäftsführer für einen Verein von nur ca. 400 Mitgliedern überraschend viel verdienen (wenn auch nicht mehr als die Geschaftsführer von WWF oder NaBu), wurde von dem Autohändler ebenso vorgebracht wie das verbreitete Gerücht, die DUH stelle eine Art „Trojanisches Pferd“ des früheren Sponsors Toyota dar, um seine Konkurrenten zu schädigen.
Den BGH beeindruckte das nicht. Dass so viele Abmahnungen ausgesprochen werden und diese auch zu erheblichen Einnahmen führen, sei kein Anzeichen für ein Fehlerverhalten der DUH. Sondern für ein verbreitetes Fehlverhalten der abgemahnten Branche. Tatsächlich hat das Recht, Verbraucherschutzverstöße abzumahnen, ja nicht im Interesse der DUH den Weg ins Gesetz gefunden. Da der Staat selbst die Einhaltung der verbraucherschutzrechtlichen Regelungen nicht effektiv überwacht, sollen private Einrichtungen dies leisten. Ob diese Aufteilung optimal ist, darf bezweifelt werden. Sie entspricht aber dem hier maßgeblichen geltenden Recht. Auch die Gehälter der Geschäftsführer und die Spenden von Toyota sah der BGH nicht als Indiz für eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnungen durch die DUH. Am Ende hatte also der Autohändler das Nachsehen. Und die Kosten von Abmahnung und drei Instanzen.