Ein bekanntes Problem: Manche Schulen sind überlaufen. Nicht jedes Kind, das angemeldet wird, bekommt einen Platz. Es muss also ausge­wählt werden. Diese Auswahl­ent­scheidung ist gerichtlich überprüfbar. Schließlich dürfen die Schulen nicht nach Gefühl und Wellen­schlag vorgehen, sondern nach Kriterien wie der indivi­du­ellen Leistungs­fä­higkeit der Kinder, der räumlichen Nähe oder Geschwistern, die bereits die Schule besuchen. Diese Auswahl­ent­schei­dungen muss eine Schule notfalls auch vor Gericht verteidigen.

Doch Gerichte kommen oft zu spät: Die Plätze sind zum Zeitpunkt der Gerichts­ent­scheidung vergeben, für das eigentlich berech­tigte Kind ist im Klassen­zimmer kein Platz mehr. In dieser Situation haben die Gerichte bisher oft (aber nicht überall) entschieden, dass der Anspruch des einzelnen Kindes auf den begehrten Schul­platz bei Kapazi­täts­er­schöpfung erlischt. Es kam also nicht nur darauf an, nach den geltenden Kriterien zu Unrecht keinen Platz erhalten zu haben. Sondern auch, schnell genug den Weg zum Gericht gefunden zu haben. In manchen Bundes­ländern war das aller­dings gar nicht möglich, weil die Schulen bewusst keine Vorab­in­for­ma­tionen vorge­nommen haben, um Klagen vorzubeugen.

Diese Recht­spre­chung war nicht mehr aufrecht­zu­er­halten. Denn zwischen­zeitlich hat sich das BVerfG zu dieser Frage positio­niert (BVerfG, Beschl. v. 12.03.2019, 
1 BvR 2721/16). Danach kann es nicht sein, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, gericht­lichen Rechts­schutz zu suchen, weil die Verga­be­ent­scheidung zu spät bekannt­ge­geben wird. In dieser Entscheidung hat das BVerfG es zwar offen gelassen, ob ein überka­pa­zi­tärer Anspruch besteht. Aber da die Forderung des BVerfG nach einem effek­tiven Rechts­schutz nur dann erfüllbar ist, wenn notfalls auch über die Kapazität der Schule hinaus ein Klage­erfolg möglich ist, hat das VG Frankfurt nun Konse­quenzen gezogen: Mit Beschluss vom 18.07.2019 (7 L 2073 /19.F) hat es festge­stellt, dass auch über die Kapazi­täts­grenze hinaus bis zum Eintritt der Funkti­ons­un­fä­higkeit Kinder auf gericht­liche Entschei­dungen aufzu­nehmen sind, wenn die Schule sie ermes­sens­feh­lerhaft nicht aufge­nommen hat und Rechts­schutz anders nicht vermittelt werden kann. 

Was resul­tiert daraus für die Praxis? Zunächst ist ein einzelnes erstin­stanz­liches Urteil natürlich noch nicht in Stein gemeißelt. Hier kann noch Einiges passieren. Aber: Es spricht nach der BVerfG-Entscheidung viel dafür, dass andere Gerichte folgen. Schulen müssten also noch sorgfäl­tiger und noch besser dokumen­tiert Schüler auswählen. Und wer dabei nicht zum Zug kommt, kann mit deutlich besseren Aussichten auf Erfolg den Gang zu Gericht antreten.