EEG-Umlage abschaffen?

Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeits­kreis, sagt der berufs­tätige Volksmund. Aller­dings scheint dies in Hinblick auf das Klima­ka­binett auch nicht funktio­niert zu haben. Denn dieses ist gestern trotz des Drängens von Umwelt­mi­nis­terium und Umwelt­ver­bänden einmal mehr ohne Ergebnis auseinandergegangen.

Derweil häufen sich die Vorschläge, wie man die Klima­ziele am besten erreicht, ohne dabei Wohlstands­ver­luste zu erleiden. Manche plädieren für eine Ausweitung des Emissi­ons­handels, und bisweilen beschleicht Begleiter dieses Systems der Verdacht, dass die Annahme, der Emissi­ons­handel sei Steuern oder schlichtem Ordnungs­recht überlegen, auf einer unzurei­chenden Kenntnis seiner Realität beruht. Der Emissi­ons­handel ist nämlich, anders als der Name sagt, kein System, indem das freie Spiel der Kräfte besonders gut zur Geltung käme, sondern zeichnet sich durch ein ganz besonders hohes Maß an Bürokra­tie­aufwand aus. Dann schon lieber Steuern, sagen andere. Beispiels­weise wabert seit mehreren Wochen ein Vorschlag von Andreas Kuhlmann, Deutsche Energie­agentur (dena) durch den politi­schen Raum, die EEG-Umlage abzuschaffen und erneu­erbare Energien künftig über die Strom­steuer zu fördern. Welche Vorteile dies haben soll, ist aber kritisch zu diskutieren.

Bei Verdop­pelung der Strom­steuer unter gleich­zei­tiger Abschaffung der EEG-Umlage würde eine Entlastung der Verbraucher um 4,5 Cent pro Kilowatt­stunde eintreten. Natur­gemäß würden viele Verbraucher sich freuen. Aber wo kommt der Rest der Gelder her, die erfor­derlich sind, um Garan­tie­ver­gü­tungen und Markt­prämien an die Betreiber von EE-Anlagen auszu­zahlen? Kuhlmann möchte gleich­zeitig das System der Energie­steuern variieren und CO2 stärker berück­sich­tigen, aber wie das praktisch aussehen soll, bleibt bisher weitgehend offen. Mögli­cher­weise ergibt sich eine Deckungs­lücke, die aus allge­meinen Steuern aufzu­füllen ist. Dies würde wiederum den Verbraucher als Steuer­zahler treffen, so dass die erhoffte Entlastung auf der einen Seite mögli­cher­weise auf der anderen Seite wieder aufge­fressen würde.

Doch auch abseits der Deckungs­lücke sind wichtig Aspekte zu disku­tieren. Erst vor wenigen Monaten hat der EuGH festge­stellt, dass das Umlage­system des EEG keine Beihilfe darstellt. Sie unter­liegt deswegen nicht der Beihil­fen­auf­sicht. Dies wäre vollkommen anders, wenn das Geld aus Steuer­mitteln aufge­bracht würde. Wäre dem so, bestünde nicht nur eine erheb­licher politi­scher und gemein­schafts­recht­licher Mehraufwand, sondern auch die von der Kommission mehrfach angegriffene besondere Ausgleichs­re­gelung (besAR) zugunsten der energie­in­ten­siven Industrie stünde ebenfalls immer wieder neu auf dem Prüfstand. Dieser Nachteil wäre nur durch erheb­liche Vorteile aufzu­wiegen, was in der Diskussion nicht vergessen werden darf. 

2019-07-19T14:36:16+02:0019. Juli 2019|Allgemein, Energiepolitik, Erneuerbare Energien|

Von Kindern und Weisen

Im August wird der Protest der Schüler von „Fridays for Future“ ein Jahr alt. Gemessen an der Kürze der Zeit, hat die 16-jährige Schülerin Greta Thunberg aus Stockholm unglaublich viel Aufmerk­samkeit für ihre Sache gewonnen. Nun ist Aufmerk­samkeit alleine nicht alles. Lange Zeit beherrschte die Frage die Diskussion, ob politi­scher Protest es überhaupt recht­fer­tigen könne, die Schule zu schwänzen. Ob die Schüler – mit anderen Worten – nicht lieber lernen und die schwie­rigen Fragen des Klima­schutzes den Profis überlassen sollten. Auf der anderen Seite gab und gibt es auch sehr viel Zustimmung. Die Aktivisten werden zu vielen Veran­stal­tungen und Treffen einge­laden und mit Preisen überhäuft. Aber auch das kann zweischneidig sein. Bezeichnend war die Verleihung der goldenen Kamera an Greta Thunberg, im Programm unmit­telbar gefolgt von einer Werbe­aktion, bei der VW einer Nachwuchs­schau­spie­lerin einen SUV spendete. Mit anderen Worten: Alles nur Umarmungs­taktik, bei der die Inhalte hinter einer diffusen Wolke von Sympathie auf der Strecke bleiben?

Wenn der gute Wille ausrei­chend bekundet wurde, ist es tatsächlich irgendwann an der Zeit, sich konkreten Inhalten zuzuwenden. Über die sich dann wieder trefflich streiten lässt. Und dann hat tatsächlich auch die Stunde der Profis geschlagen. Nicht weil sie es immer besser wissen, aber weil Teil ihrer Profes­sio­na­lität ist, hinrei­chend bestimmte und umsetzbare Vorschläge machen zu können. So vor ein paar Tagen der Sachver­stän­di­genrat zur Begut­achtung der gesamt­wirt­schaft­lichen Entwicklung, kurz: die fünf Wirtschafts­weisen. Sie haben im Sonder­gut­achten 2019 „Aufbruch zu einer neuen Klima­po­litik“ ein Gesamt­konzept vorgelegt, das als Kernelement die Bepreisung von CO2 beinhaltet, aber auch weitere flankie­rende Einzel­maß­nahmen vorschlägt. Dazu zählen sie die techno­lo­gie­neu­trale Förderung der Grundlagenforschung.

Dabei setzen die Wirtschafts­weisen langfristig auf eine Ausweitung des Europäi­schen Emissi­ons­handels (EU ETS), schließen aber als Übergangs­lösung eine CO2-Steuer oder einen separaten Emissi­ons­handel nicht aus. Die Wirtschafts­weisen kommen mit der von ihnen vorge­stellten Ausge­staltung des Konzepts vielen typischen wirtschafts- und sozial­po­li­ti­schen Einwänden bereits zuvor: 

So setzen sie sehr aus inter­na­tionale Koope­ration, halten nichts von natio­nalen Allein­gängen, wohl aber davon, durch Einhaltung inter­na­tio­naler und europäi­scher Verpflich­tungen seine Vorbild­funktion zu erfüllen. Außerdem sollen europäische Staaten ihre Klima­po­litik möglichst eng koordi­nieren. Zum Ausgleich von Wettbe­werbs­nach­teilen für die deutsche Produktion, die nicht schon durch kostenlose Zuteilung von Zerti­fi­katen ausge­glichen werden können, soll u.U. ein Grenz­aus­gleich statt­finden, bei dem Importen der CO2-Preis aufge­schlagen wird. 

Wie schon in vielen anderen Vorschlägen zur CO2-Bepreisung sollen die zusätz­lichen Einnahmen vor allem der sozialen Abfederung dienen. Vorge­schlagen wird eine Kopfpau­schale oder eine Strom­steu­er­senkung. Außerdem sollen indivi­duelle Maßnahmen zur Anpassung, etwa Austausch von Heizungen, gefördert werden.

Mögli­cher­weise gehen den protes­tie­renden Schüle­rinnen und Schülern die Forde­rungen der Wirtschafts­weisen nicht weit genug. Anderer­seits können sie auch ein bisschen stolz sein. Sie haben dazu beigetragen, dass die aktuelle Diskussion in ein Stadium getreten ist, in dem sich die promi­nen­testen Experten mit ganz konkreten Fragen der Klima­po­litik befassen. Das bedeutet zum einen viel Streit, zum anderen wächst aber auch die Wahrschein­lichkeit, dass den Worten irgendwann Taten folgen.

2019-07-16T12:53:54+02:0016. Juli 2019|Emissionshandel, Energiepolitik, Umwelt|

BGH zu Netzent­gelten: Beurtei­lungs­spielraum der BNetzA nicht überschritten

Energie­wende bedeutet nicht einfach nur: Kohle­kraftwerk A wird abgerissen und Windkraft­anlage B statt dessen aufgebaut. Dort, wo heute Atomkraft­werke oder Kohle­kraft­werke stehen, sind nämlich oft – wenn nicht meistens – nicht die idealen Standorte für Anlagen, die aus Erneu­er­baren Energien Strom generieren. Auch wenn die Erzeu­gungs­ka­pa­zi­täten gleich bleiben würden, muss Strom künftig über ganz andere Strecken trans­por­tiert werden. Und außerdem braucht man wegen der Volati­lität von Windkraft- und PV-Anlagen künftig deutlich mehr Reser­ve­ka­pa­zi­täten, damit im Falle einer Dunkel­flaute nicht auf einmal die Lichter ausgehen. Auch darauf müssen sich Netze künftig einstellen. Grund­le­gende Umbauten sind aber nicht für nichts zu haben. Wer eine Energie­wende will, braucht starke Netzbe­treiber. Auch aus diesem Grunde ist die Entscheidung des Bundes­ge­richtshof vom 09.07.2019 (EnVR 41/18 und EnVR 52/18) zu bedauern.

Der BGH hob mit dieser Entscheidung eine Entscheidung des Oberlan­des­ge­richt (OLG) Düsseldorf vom 22.03.2018 auf (3 Kart 143/16 (V) u. a.). In dieser Entscheidung hatte das OLG die Festlegung der Renditen durch die Bundes­netz­agentur (BNetzA) als rechts­widrig angesehen. Diese hatte die Eigen­ka­pi­tal­ver­zinsung der Netzbe­treiber Ende 2016 unter Verweis auf die allge­meine Zinsent­wicklung deutlich beschnitten. Dabei stützte sie sich auf ein umstrit­tenes Gutachten von Frontier Economics Ltd. London, das unter Verwendung von teils inter­na­tio­nalen Vergan­gen­heits­werten einen risiko­losen Basis­zinssatz und einen Wagnis­zu­schlag berechnet hat. Verbände und Unter­nehmen ließen die Frage der angemes­senen Eigen­ka­pi­tal­ver­zinsung ebenfalls mehrfach nachprüfen und gelangten zu völlig anderen Ergeb­nissen. U. a. wurde bemängelt, dass die BetzA bei den Restlauf­zeiten von Anleihen nicht diffe­ren­ziert hat. Auch wurden beim Wagnis­zu­schlag auch Länder wie China und Russland heran­ge­zogen, was zu Verzer­rungen führen musste. Die Mittel­wert­be­rechnung und der EU-Vergleich seien fehlerhaft, der Umgang mit der kalku­la­to­ri­schen Gewer­be­steuer unrichtig, die Kapital­struktur der Vergleichs­un­ter­nehmen nicht hinrei­chend gewürdigt worden und gegenüber der Vorge­hens­weise im TK-Bereich bei Altanlagen grundlos abgewichen worden.

Das OLG hatte die Festlegung der Markt­ri­si­ko­prämie bemängelt.  Diese beruhe auf einer metho­disch unzuläs­sigen Verengung. Dies sah der BGH nun anders. Bisher liegen aller­dings noch keine ausführ­lichen Gründe vor, warum das höchste deutsche Zivil­ge­richt die Entscheidung des OLG aufge­hoben hat. Die Presse­mit­teilung liest sich aber so, als hätten die Karls­ruher Richter die ziselierten Details der Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht besonders inter­es­siert. Statt dessen beruht ihre Entscheidung offenbar auf einer grund­legend abwei­chenden Ansicht über den Spielraum der BNetzA bei der Festlegung der Eigen­ka­pi­tal­ver­zinsung. Danach ist wohl nur die Methodik, nicht aber ihre Anwendung gerichtlich voll überprüfbar.

Dies wäre – wenn die Gründe dies bestä­tigen – nicht nur vom Ergebnis her aus den eingangs erwähnten Überle­gungen zu bedauern. In einem Rechts­staat sollte der Bereich der gerichtlich nicht überprüf­baren Beurtei­lungs­spiel­räume möglichst eng ausfallen, um den Bürger vor einer fehler­haften oder gar willkür­lichen Ausübung öffent­licher Gewalt zu schützen. Auch dieje­nigen, die niedrige Netzent­gelte begrüßen, weil sie sich eine Senkung der Strom­kosten erhoffen, sollten eine solche Entwicklung in Ansehung von Art. 19 Abs. 4 GG deswegen nachdenklich stimmen.

2019-07-10T23:38:30+02:0010. Juli 2019|Allgemein, Energiepolitik, Gas, Strom|