Im August wird der Protest der Schüler von „Fridays for Future“ ein Jahr alt. Gemessen an der Kürze der Zeit, hat die 16-jährige Schülerin Greta Thunberg aus Stockholm unglaublich viel Aufmerksamkeit für ihre Sache gewonnen. Nun ist Aufmerksamkeit alleine nicht alles. Lange Zeit beherrschte die Frage die Diskussion, ob politischer Protest es überhaupt rechtfertigen könne, die Schule zu schwänzen. Ob die Schüler – mit anderen Worten – nicht lieber lernen und die schwierigen Fragen des Klimaschutzes den Profis überlassen sollten. Auf der anderen Seite gab und gibt es auch sehr viel Zustimmung. Die Aktivisten werden zu vielen Veranstaltungen und Treffen eingeladen und mit Preisen überhäuft. Aber auch das kann zweischneidig sein. Bezeichnend war die Verleihung der goldenen Kamera an Greta Thunberg, im Programm unmittelbar gefolgt von einer Werbeaktion, bei der VW einer Nachwuchsschauspielerin einen SUV spendete. Mit anderen Worten: Alles nur Umarmungstaktik, bei der die Inhalte hinter einer diffusen Wolke von Sympathie auf der Strecke bleiben?
Wenn der gute Wille ausreichend bekundet wurde, ist es tatsächlich irgendwann an der Zeit, sich konkreten Inhalten zuzuwenden. Über die sich dann wieder trefflich streiten lässt. Und dann hat tatsächlich auch die Stunde der Profis geschlagen. Nicht weil sie es immer besser wissen, aber weil Teil ihrer Professionalität ist, hinreichend bestimmte und umsetzbare Vorschläge machen zu können. So vor ein paar Tagen der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, kurz: die fünf Wirtschaftsweisen. Sie haben im Sondergutachten 2019 „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik“ ein Gesamtkonzept vorgelegt, das als Kernelement die Bepreisung von CO2 beinhaltet, aber auch weitere flankierende Einzelmaßnahmen vorschlägt. Dazu zählen sie die technologieneutrale Förderung der Grundlagenforschung.
Dabei setzen die Wirtschaftsweisen langfristig auf eine Ausweitung des Europäischen Emissionshandels (EU ETS), schließen aber als Übergangslösung eine CO2-Steuer oder einen separaten Emissionshandel nicht aus. Die Wirtschaftsweisen kommen mit der von ihnen vorgestellten Ausgestaltung des Konzepts vielen typischen wirtschafts- und sozialpolitischen Einwänden bereits zuvor:
So setzen sie sehr aus internationale Kooperation, halten nichts von nationalen Alleingängen, wohl aber davon, durch Einhaltung internationaler und europäischer Verpflichtungen seine Vorbildfunktion zu erfüllen. Außerdem sollen europäische Staaten ihre Klimapolitik möglichst eng koordinieren. Zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Produktion, die nicht schon durch kostenlose Zuteilung von Zertifikaten ausgeglichen werden können, soll u.U. ein Grenzausgleich stattfinden, bei dem Importen der CO2-Preis aufgeschlagen wird.
Wie schon in vielen anderen Vorschlägen zur CO2-Bepreisung sollen die zusätzlichen Einnahmen vor allem der sozialen Abfederung dienen. Vorgeschlagen wird eine Kopfpauschale oder eine Stromsteuersenkung. Außerdem sollen individuelle Maßnahmen zur Anpassung, etwa Austausch von Heizungen, gefördert werden.
Möglicherweise gehen den protestierenden Schülerinnen und Schülern die Forderungen der Wirtschaftsweisen nicht weit genug. Andererseits können sie auch ein bisschen stolz sein. Sie haben dazu beigetragen, dass die aktuelle Diskussion in ein Stadium getreten ist, in dem sich die prominentesten Experten mit ganz konkreten Fragen der Klimapolitik befassen. Das bedeutet zum einen viel Streit, zum anderen wächst aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass den Worten irgendwann Taten folgen.
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