Was ist „Betrieb“ bei Windkraftanlagen?
Eine interessante Entscheidung zur Frage, was unter dem Betrieb einer Windenergieanlage zu verstehen ist, hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg am 29.4.2019 (12 ME 188/18) getroffen.
Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Betreiber eine sofort vollziehbare Immissionsschutzgenehmigung zur Errichtung und Betrieb von acht Windkraftanlagen erhalten. Diese werden durch eine Naturschutzvereinigung angegriffen, es geht vor allem um Vogelschutz. Auf Antrag des Verbandes stellte das VG Oldenburg die aufschiebende Wirkung der Klage der Naturschutzvereinigung wieder her. Die – schon fertig gestellten – Windkraftanlagen dürfen also bis zur endgültigen Klärung der Sache noch nicht betrieben werden.
Die Naturschutzvereinigung hatte sich also vermutlich vorgestellt, dass die Rotoren sich bis zur Hauptsacheentscheidung nicht mehr drehen würden. Sie mussten jedoch feststellen, dass dem nicht so war. Wie sich im Verfahren herausstellte, fand nämlich zum einen ein „Trudelbetrieb“ statt, die Rotoren drehten sich also ein bis zweimal pro Minute mit aus dem Wind gedrehten Rotorblättern und aktivierter Windnachführung der Motorgondel. Zum anderen musste der Betreiber zugeben, dass er so genannte „Schmierfahrten“ durchgeführt hatte, die der Verteilung von Schmiermittel an den Zahnrädern und Lagerstätten der Windenergieanlage dienen sollten.
Der Naturschutzverband war empört, weil er gerade die Beeinträchtigungen von Vögeln und Fledermäusen fürchtete, weswegen er parallel prozessiert. Er zog deswegen vor Gericht und verlangte Zwangsmittel zur Durchsetzung der Wiederherstellungsentscheidung. Sein Ziel: Die Behörde sollte dem Vorhabenträger Betrieb unter Androhung eines Zwangsgeldes untersagen.
Das OVG Lüneburg gab dem zwietinstanzlich teilweise statt. Der Schmierbetrieb, auch ein kurzzeitiger Probebetrieb, der diese Funktion erfüllt, sei unzulässig, da mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung unvereinbar. Den Trubelbetrieb mit aus dem Wind gedrehten Rotorblättern sah der Senat aber nicht als eine Zuwiderhandlung gegen das Betriebsverbot aus dem Wiederherstellungsbeschluss an, das sei nämlich kein Betrieb.
Diese Differenzierung durch das Oberverwaltungsgericht überzeugte durchaus in der Sache. Allerdings stellt es Behörden wie die anderen Beteiligten in vergleichbaren Fällen vor ein praktisches Problem. Der Vorhabenträger weiß nun immerhin, was er darf. Aber muss die Behörde nun die Anlagen auf die Umdrehungsgeschwindigkeit fortwährend überwachen, um ihrer Verpflichtung nachzukommen, gegebenenfalls Zwangsgelder festzusetzen? In der Praxis bleiben zugegebenermaßen schwer auflösbare Fragen offen.