Das Verursacherprinzip ohne Belastung der Verursacher
Bekanntlich dürfen in der EU die Bürger anderer Mitgliedstaaten nicht diskriminiert werden. Dies ergibt sich aus Artikel 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Es gibt dann auch noch jede Menge konkretere Vorgaben bezüglich der Nichtdiskriminierung: Zum Beispiel die sogenannte Eurovignetten-Richtlinie, nach der Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich Maut für die Straßenbenutzung erheben können, dabei aber nicht nach Staatsangehörigkeit diskriminieren dürfen. Dass eine Maut, die nur von Ausländern zu zahlen wäre, gegen EU-Recht verstößt, ist also evident. Andererseits wurde es, nicht zuletzt im äußersten Südosten Bayerns, schon lange als ungerecht empfunden, dass z.B. Deutsche in Österreich Maut zahlen müssen, während Österreicher deutsche Autobahnen kostenlos benutzen dürfen.
Also hat sich das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium vor ein paar Jahren etwas einfallen lassen, nämlich die sogenannte Infrastrukturabgabe. Diese Abgabe ist nach dem dafür eigens verabschiedeten Infrastrukturabgabengesetz grundsätzlich erst einmal für alle Pkw zu zahlen. Für deutsche Fahrzeuge gibt es eine Jahresvignette, wobei der Preis höchstens 130 Euro beträgt und nach der Motorgröße, zulässigen Fahrzeuggewicht und Emissionsklasse gestaffelt ist. Für Pkw, die im Ausland gemeldet sind, muss nach Grenzübertritt auf der ersten Autobahn eine Vignette erworben werden. Für 10 Tage kostet die teuerste Vignette immerhin 50 Euro. Sie ist also pro Tag deutlich teurer als die Jahresvignette. Damit nicht genug, sollen die Halter deutscher Kraftfahrzeuge nach einem am selben Tag beschlossenen, neu einzufügenden § 9 Absatz 6 Kraftfahrzeugsteuergesetz eine steuerliche Entlastung bekommen, die ganz weitgehend dem für die Vignette gezahlten Betrag entspricht. Nur in einem Fall, bei in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen der Emissionsklasse Euro 6, sind die steuerlichen Entlastungen sogar noch größer, wird die Belastung durch die Maut also überkompensiert.
Begründet wird das Ganze mit einem Systemwechsel in der Finanzierung von Infrastruktur. Die bisherige Steuerfinanzierung solle auf Nutzerfinanzierung umgestellt werden. Dies entspreche auch dem umweltrechtlichen Verursacherprinzip. Demnach soll durch die Einführung einer Maut, ein Anreiz gesetzt werden, die Pkw-Benutzung zu beschränken.
Nach einer Klage Österreichs beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2017, hat das die Richter in Luxemburg nicht wirklich überzeugt. Sie haben daher am Dienstag entschieden, dass die Infrastrukturabgabe bei gleichzeitiger Steuerentlastung gegen das Diskriminierungsverbot und weitere Vertragsbestimmungen verstößt.
So überzeugend es aus umweltrechtlicher Sicht wäre, im Verkehr mehr auf Finanzierung durch die Verursacher zu setzen: Die Argumentation des Bundesministeriums, dass ein Systemwechsel in der Infrastrukturfinanzierung stattgefunden habe, ist tatsächlich nicht überzeugend. Denn die ganz überwiegenden Benutzer deutscher Autobahnen fahren ja mit in Deutschland zugelassenen Pkw. Ihnen wird sozusagen mit der einen Hand gegeben, was die andere Hand genommen hat. In einem Fall, bei Euro 6, kommt es sogar zu einer zusätzlichen Entlastung. Im Übrigen trägt auch die Ausgestaltung als Jahresvignette nicht dazu bei, Anreize für eine effizientere Benutzung zu setzen. Die Digitalisierung könnte für moderne Mautsysteme ganz andere Möglichkeiten detaillierter Abrechnung bieten.