Kohle­aus­stieg: Der Referentenentwurf

Der aktuelle Referen­ten­entwurf für das Kohle­aus­stiegs­gesetz hat es in sich. Er enthält neben den bereits bekannten (aber leicht verän­derten, siehe sogleich) Regelungen über den Ausstieg aus der Stein­kohle Regelungen zur Windkraft und Regelungen, die den Brenn­stoff­wechsel bestehender KWK-Anlagen und den Aufbau neuer erdgas­be­trie­bener Kapazi­täten fördern. Das Wichtigste in aller Kürze:

* Es bleibt für Stein­kohle beim Ausschrei­bungs­modell, bei dem Betreiber von Anlagen darauf bieten, abzuschalten. Wer den geringsten Zuschlag verlangt, bekommt den Zuschlag. Während im ersten Entwurf noch eine verpflich­tende Abschaltung vorge­sehen vor, wenn sich zu wenige Freiwillige melden, ist dies nunmehr erst ab 2027 möglich, § 10 Abs. 3, § 32 des Entwurfs. Im Landes­süden soll erst einmal nicht abgeschaltet werden, § 12 Abs. 3 des Entwurfs.

* § 29 des Entwurfs verbietet den Neubau und die Neuge­neh­migung, aber bereits geneh­migte Anlagen dürfen ans Netz. Dies würde den Betrieb des Stein­koh­le­kraft­werks Datteln IV legali­sieren, das 2011 ans Netz gehen sollte, aber aufgrund mehrerer Klage­ver­fahren erst 2017 eine (immer noch beklagte) Geneh­migung erhielt.

* Der Braun­koh­le­aus­stieg fehlt immer noch, hier dauern die Gespräche wohl an.

* Breite Kritik erfährt der Entwurf eines neuen § 35a BauGB. Hiernach gilt für Windkraft­an­lagen ein Mindest­ab­stands­gebot von 1.000 Metern zu vorhan­dener oder poten­ti­eller Wohnbe­bauung, wobei fünf Wohnge­bäude reichen. Innerhalb von 18 Monaten nach Inkraft­treten des Gesetzes dürfen die Länder Abwei­chungs­regeln erlassen. Diese Regelung schränkt die zuläs­sigen Flächen erheblich ein.

* Nach dem KWKG sollen neue Zuschüsse gewährt werden, wenn eine kohle­be­triebene KWK-Anlage auf Erdgas umgerüstet wird, § 7c KWKG‑E. Ein weiterer Bonus ist speziell für KWK im Süden vorge­sehen, § 7d KWKG‑E.

Angesichts der breiten Kritik ist fraglich, ob die Regierung das Paket so durch­bringt. Da eine schnelle Gesetz­gebung geplant ist, wird sich wohl innerhalb der nächsten Tage und Wochen entscheiden, wie der recht­liche Rahmen für den Kohle­aus­stieg aussehen wird (Miriam Vollmer)

2019-11-13T23:20:33+01:0013. November 2019|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Strom, Umwelt, Wärme|

Ist Fracking Ländersache?

In Kiel wird zur Zeit eine wasser- und energie­recht­liche Frage heiß disku­tiert: Darf der Landes­ge­setz­geber Fracking verbieten? Nicht, dass er es von sich aus wollen würde. Vielmehr gibt es in Schleswig-Holstein ein Volks­be­gehren, dass ein Fracking-Verbot im Landes­was­ser­gesetz fordert. Der Landtag erklärte sich für unzuständig. Inzwi­schen befasst sich das Landes­ver­fas­sungs­ge­richt mit der Frage.

Doch der Reihe nach: Fracking (von engl. hydraulic fracturing, sprich: hydrau­li­sches Aufbrechen) ist bekanntlich eine Technik zur Förderung von ansonsten schwer zugäng­lichen Gas- und Ölreserven in Gesteins­schichten tiefer Lager­stätten. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemi­kalien mit hohem Druck in den Boden gepresst. Dadurch bilden sich Risse im Gestein, die durch einge­spülte Sandkörner offen­ge­halten werden und durch die das Gas oder Erdöl besser gefördert werden kann. Unter­schieden wird zwischen konven­tio­nellem Fracking, in porösem Speicher­ge­stein, und dem unkon­ven­tio­nellen Fracking im festen Mutter­ge­stein (meist Schiefer), das aktuell nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 Wasser­haus­halts­gesetz (WHG) ohnehin verboten ist.

Fracking erweitert nicht nur angesichts schwin­dender Öl- und Gasre­serven, sondern auch zur Verwendung von Erdgas als Brücken­tech­no­logie die Möglich­keiten zur Nutzung fossiler Ressourcen. Aller­dings gibt es gegen Fracking Vorbe­halte wegen Umwelt­ri­siken. Zum einen wird befürchtet, dass durch Fracking oder die anschlie­ßende Verpressung der Abwässer Erdbeben ausgelöst werden könnten. Fast noch mehr Sorgen bereiten die Auswir­kungen der verwen­deten Chemi­kalien auf Böden und Grund­wasser. Zwar wird das Gemisch meist in großen Tiefen verpresst, jedoch teilweise in so großen Mengen, dass eine Gefährdung durch die beigemischten Chemi­kalien naheliegt und auch in Deutschland schon von Wasser­ver­sorgern davor gewarnt wurde.

In Schleswig-Holstein wird aktuell an sich gar kein Fracking prakti­ziert. Die amtie­rende rot-grüne Landes­re­gierung hat sich zudem in ihrem Koali­ti­ons­vertrag ausdrücklich gegen Fracking ausge­sprochen. In § 40 des Entwurfs zum neuen Landes­was­ser­gesetz will sie regeln, dass Fracking nur genehmigt werden solle, wenn eine „nachteilige Verän­derung der Grund­was­ser­ei­gen­schaft nicht zu besorgen“ sei. Dem Schleswig-Holstei­ni­schen Volks­be­gehren zum Schutz des Wassers geht das nicht weit genug. Dessen Initia­toren wollen, dass ein komplettes Fracking-Verbot als neu einzu­fü­gender § 7a ins Landes­was­ser­gesetz aufge­nommen wird.

Der Landes­ge­setz­geber erklärt sich für unzuständig, da das Wasser­recht in die konkur­rie­rende Gesetz­ge­bungs­zu­stän­digkeit gemäß Art. 72 Grund­gesetz (GG) falle. Die bestehenden bundes­recht­lichen Regelungen im Wasser­haus­halts­gesetz würden das Fracking bereits umfassend und abschließend regeln (§§ 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4, §§ 13a, 13 b und 104a WHG). Auch die Abwei­chungs­kom­petenz der Länder, die nach der Födera­lis­mus­reform durch Art. 72 Abs. 3 GG einge­führt wurde, solle nicht weiter­helfen. Es ginge beim Frack­ing­verbot um eine stoff- und anlagen­be­zogene Regelung. Hier sieht Art. 72 Abs. 3 GG aber eine Gegen­aus­nahme vor, so dass die Ländern insoweit nicht abweichen dürfen.

Die Bürger­initiative hält mit einem Gutachten von Prof. Silke Laskowski dagegen: Sie argumen­tiert, dass sich der Anlagen- und Stoff­bezug am Wortlaut der recht­lichen Vorschriften nicht festmachen lasse. Daher habe der Landes­ge­setz­geber die Möglichkeit, ein entspre­chendes Verbot zu erlassen.

Insofern warten wir gespannt auf die für den Nikolaustag angekün­digte Entscheidung des Landes­ver­fas­sungs­ge­richts (Olaf Dilling).

2019-11-13T09:44:07+01:0012. November 2019|Allgemein, Gas, Umwelt, Wasser|

UVP: EuGH zur effek­tiven Öffentlichkeitsbeteiligung

Bei Vorha­ben­trägern sind Öffent­lich­keits­be­tei­li­gungen oft – wir übertrieben nicht – so beliebt wie Kopfläuse. Menschlich ist das verständlich: Man hat sich für ein Projekt entschieden, die Finan­zierung steht, da sind Inter­ven­tionen Dritter, die den Bau verzögern oder sogar ganz verhindern können, natürlich denkbar unwill­kommen. Das gilt nicht nur in Deutschland. Auch in anderen Mitglied­staaten stöhnen Vorha­ben­träger und Behörden unter den Vorgaben der UVP-Richt­linie, die bei vielen Geneh­mi­gungs­ver­fahren Betei­li­gungen der Öffent­lichkeit verbindlich vorschreibt.

In einem griechi­schen Fall hat der EuGH nun aktuell am 7. November 2019 einige auch über dieses Verfahren hinaus inter­es­sante Feststel­lungen zur Öffent­lich­keits­be­tei­li­gungs­pflicht nach Art. 6 Abs. 2 bis 5 der UVP-Richt­linie getroffen (C‑280/18): 

Auf der griechi­schen Insel Ios wollte ein Vorha­ben­träger ein Hotel errichten. Das Vorhaben erfor­derte eine Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung mit Öffent­lich­keits­be­tei­ligung. Da sich die Öffent­lichkeit natur­gemäß nur dann betei­ligen kann, wenn sie überhaupt von dem Vorhaben erfährt, wurde sie infor­miert. Der Haken an der Sache: Infor­miert wurde nicht auf Ios, wo das Hotel entstehen sollte. Sondern mit einem Aushang im 55 Seemeilen entfernten Styros und in der Lokal­zeitung von Styros. Auf Styros sollte auch die Konsul­tation selbst statt­finden. Dort ist nämlich die Geneh­mi­gungs­be­hörde ansässig.

Die Bewohner von Ios bekamen von dieser Infor­mation nichts mit. Sie erfuhren erst dann vom Vorhaben, als auf dem zuvor idylli­schen Eiland Bagger rollten. Als sie hiergegen vorgingen, wurde ihnen entge­gen­ge­halten, dass sie die zulässige Einwen­dungs­fristen verpasst hätten. Dies war formell auch zutreffend: Die Öffent­lich­keits­be­tei­ligung hatte im Sommer 2013 statt­ge­funden, genehmigt worden war 2014, und erst 2016 wurde geklagt. Im Vorla­ge­ver­fahren sollte der EuGH die Frage klären, ob hier wirklich Verfristung einge­treten sein kann.

Der EuGH verneinte diese Frage im Ergebnis. Er stellte zwar klar, dass es den Mitglied­staaten obliegt, wie sie über Öffent­lich­keits­be­tei­li­gungen infor­mieren. Er erinnerte aber daran, dass die Infor­mation effektiv sein muss. Hierzu führte er aus (Rdnr. 32):

die zustän­digen Behörden müssen sich verge­wissern, dass die verwen­deten Infor­ma­ti­ons­kanäle vernünf­ti­ger­weise als geeignet angesehen werden können, um die Mitglieder der betrof­fenen Öffent­lichkeit zu erreichen, so dass ihnen eine angemessene Möglichkeit gegeben ist, sich über geplante Tätig­keiten, das Entschei­dungs­ver­fahren und ihre frühzei­tigen Betei­li­gungs­mög­lich­keiten zu informieren.“

Da eine Infor­mation auf Styros kaum geeignet ist, die Bewohner von Ios zu infor­mieren, dürfte auch nach einer Aufar­beitung der Sachlage durch das griechische Gericht das Verspä­tungs­ar­gument hinfällig sein.

Was bedeutet das nun für die Praxis in Deutschland? Inseln sind hier zwar um Einiges seltener als in Griechenland. Aber die Geneh­mi­gungs­be­hörden müssen sich auch hier kritisch hinter­fragen, ob die Öffent­lichkeit wirklich erreicht wird, wenn sie infor­mieren, und auch die Termine selbst betei­li­gungs­freundlich organi­siert werden (Miriam Vollmer).

2019-11-10T22:57:46+01:0010. November 2019|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht|