Klima­klage vor dem VG Berlin abgewiesen

Es war eigentlich zu erwarten gewesen. Wir hatten ja schon öfter über „Klima­klagen“ berichtet, also Versuche, auf dem Rechtsweg mehr Klima­schutz von der Bundes­re­gierung oder von der Europäi­schen Union einzu­fordern. Während vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt in Karlsruhe eine Entscheidung noch aussteht, wurde eine Klage vor dem Gericht der Europäi­schen Union in Brüssel erstin­stanzlich als unzulässig abgewiesen. Dort wurde mittler­weile Berufung zum Europäi­schen Gerichtshof eingelegt.

Doch es gibt noch eine weitere Klage, die wir hier bisher nicht thema­ti­siert hatten: Im Herbst 2018 hatte der Umwelt­verband Green­peace beim Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin Klage einge­reicht. Mit dem Verband zogen drei Familien vor Gericht, die von ökolo­gi­scher Landwirt­schaft leben, je eine Familie aus Brandenburg, dem Alten Land bei Hamburg und von der Insel Pellworm. Die Kläger argumen­tierten, dass die Regierung durch Untätigkeit ihre Grund­rechte verletze. Aus den Grund­rechten auf Leben, Gesundheit und Eigentum der Kläger folge eine Schutz­pflicht des Staates. Diese Schutz­pflicht ist nach Auffassung der Kläger durch bereits bestehende Festle­gungen bestimmt. Die deutschen Klima­ziele 2020 seien verbindlich und wären durch Kabinetts­be­schlüsse noch bestätigt worden. Außerdem verstoße die Regierung gegen die sogenannte Lasten­tei­lungs­ent­scheidung (406/2009/EG) der Union. Daraus ergäbe sich für Deutschland eine Rechts­pflicht zur Einhaltung der Klimaziele.

Heute nun entschied das VG Berlin, dass auch die Klage als unzulässig abgewiesen wird, wie sich aus einer Presse­mit­teilung ergibt. Die in darin vorab skizzierte Begründung ist aus recht­licher Sicht nachvoll­ziehbar: Der Beschluss der Bundes­re­gierung zum Aktions­pro­gramm Klima­schutz 2020 sei keine rechts­ver­bind­liche Regelung mit Außen­wirkung, sondern nur eine politische Absichts­er­klärung. Zudem sei die Erfüllung der Klima­ziele durch einen späteren Kabinetts­be­schluss um drei Jahre verschoben worden. Auch die Lasten­tei­lungs­ent­scheidung helfe nicht weiter, da die Regierung der Mitglied­staaten demnach die Wahl hätten, die Klima­ziele selbst zu erfüllen oder Emissi­ons­be­rech­ti­gungen von anderen EU-Mitglied­staaten zu erwerben.

Dazu, dass die Bundes­re­gierung durch Unter­lassen eine Schutz­pflicht gegenüber den Grund­rechten der Kläger verletzt haben könnte, äußert sich das Gericht folgen­der­maßen: Die Vorkeh­rungen, die der Staat zum Schutz der Grund­rechte trifft, dürften nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sein. Im Übrigen hätten Gesetz­geber und vollzie­hende Gewalt einen weiten Spielraum, der nur sehr begrenzt von den Gerichten überprüft werden kann. Tatsächlich stellt sich auch uns die Frage, wie ein Verwal­tungs­ge­richt beurteilen soll, ob eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 32% zu wenig ist, wohin­gegen eine Reduzierung um 40% zur Abwendung von Grund­rechts­ver­let­zungen gerade noch ausrei­chend ist.

2019-10-31T16:55:29+01:0031. Oktober 2019|Umwelt|

Emissi­ons­handel: Zu den Voraus­set­zungen einer Kapazitätsverringerung

Den Regelungen über Kapazi­täts­ver­rin­ge­rungen sowie ganz oder teilweise statt­fin­dende Betriebs­ein­stel­lungen in der laufenden dritten Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels von 2013 bis 2020 im 4. Abschnitt der Zutei­lungs­ver­ordnung 2020 wird voraus­sichtlich niemand eine Träne nachweinen: Sie gehören zu den kompli­zier­testen Regelungen, die das Emissi­ons­han­dels­recht jemals hervor­ge­bracht hat. So nachvoll­ziehbar die Motivation ist, nach der niemand 2014 zugeteilte Emissi­ons­be­rech­ti­gungen behalten soll, die er z. B. 2019 oder 2020 nicht mehr braucht: Der Mecha­nismus, den die Europäische Kommission vorge­geben hat, ist so komplex, dass es für Anlagen­be­treiber oftmals kaum möglich ist, die Anzahl von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen auch nur grob abzuschätzen, die ihnen nach Verän­de­rungen der Anlage bzw. Verrin­gerung der Anlagen­aus­lastung noch bleiben.

Doch die Regelungen über die Kürzung der Zuteilung nach baulichen Verklei­ne­rungen emissi­ons­han­dels­pflich­tiger Anlagen sind nicht nur schwer zu berechnen.  Auch ihre Anwendung ist umstritten. Eine der strit­tigen Rechts­fragen hat das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin am 5. September 2019 nun immerhin zugunsten der Betrei­ber­seite entschieden (10 K 372.17).

Im zugrunde liegenden Sachverhalt geht es um ein Indus­trie­kraftwerk, das 2014 eine Zuteilung erhalten hat. Im Zutei­lungs­antrag hatte die Betrei­berin – wie alle Anlagen­be­treiber – die „instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität“ angegeben. Hinter diesem Begriff verbirgt sich abwei­chend vom üblichen Sprach­ge­brauch der Durch­schnitt der zwei höchsten Monats­pro­duk­ti­ons­mengen in den Kalen­der­mo­naten im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008, hochge­rechnet auf ein Kalen­derjahr, § 4 Abs. 1 ZuV 2020. Aus dieser Definition folgt, dass die emissi­ons­han­dels­recht­liche „instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität“ in aller Regel deutlich niedriger ist als die „echte“ Anlagen­ka­pa­zität, also das recht­liche und technische Können.

2014 baute die Anlagen­be­trei­berin die Anlage um. Ihre technische Kapazität sank deutlich. Die neue technische Kapazität unter­schritt aber dabei nicht die „instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität“ nach § 4 Abs. 1 und 4 ZuV 2020. Auch die Auslastung sank nicht, weil die Anlagen­be­trei­berin nur ohnehin nicht genutzte Überka­pa­zi­täten abgebaut hatte.

Die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) kürzte die Anlagen­zu­teilung gleichwohl basierend auf § 19 ZuV 2020 und wies auch den gegen die Kürzung der Zuteilung einge­legten Wider­spruch zurück.

Diese Kürzung der Zuteilung hob das VG Berlin nun auf. Nach Ansicht der Richter liegt keine Kapazi­täts­ver­rin­gerung nach § 2 Nr. 25 ZuV 2020 vor. Die Verklei­nerung der Anlage im techni­schen Sinne könne nämlich schon im Ansatz keine Verrin­gerung der instal­lierten Anfangs­ka­pa­zität auslösen, wenn – wie hier – die neue technische Kapazität immer noch über der instal­lierten Anfangs­ka­pa­zität liegt. Die Behörde durfte deswegen die Zuteilung nicht beschneiden.

Inter­es­santes prozess­recht­liches Detail am Rande: Rein nach deutschem Recht wäre ein solches Klage­be­gehren per Anfech­tungs­klage gegen den Kapazi­täts­ver­rin­ge­rungs­be­scheid zu verfolgen. Weil aber die Europäische Kommission seit 2013 notwen­di­ger­weise mitwirken muss, wenn Zutei­lungen geändert werden (bzw. wie hier eine Änderung rückab­ge­wi­ckelt werden soll), musste das Gericht die DEHSt verpflichten, neu zuzuteilen, und zwar an die Bedingung geknüpft, dass die Kommission dem zustimmt.

Sie fürchten eine Kürzung Ihrer Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen? Sprechen Sie uns gern an, wir prüfen die Rechtslage vorab, begleiten von Anfang an im Verfahren und verfolgen die notwendige Beschleu­nigung.

2019-10-30T23:14:41+01:0030. Oktober 2019|Emissionshandel|

Klima­not­stand: More Than Words?

Worte sind die elemen­taren Bausteine des Rechts. An den richtig gesetzten Worten entscheidet sich, ob Prozesse gewonnen oder verloren werden, ob Angeklagte freige­sprochen oder zu langen Freiheits­strafen verur­teilt werden. Nun gibt es in Rechts­vor­schriften immer wieder auch rein symbo­lische Worte, die rechtlich folgenlos sind. Zur Studi­enzeit haben wir uns über eine Anfang der 1990er einge­fügte Vorschrift im Bürger­lichen Gesetzbuch amüsiert: Demnach seien Tiere „keine Sachen“, auch wenn zwei Sätze später deutlich wird, dass sie rechtlich eben doch in aller Regel wie Sachen behandelt werden. Offenbar ein folgen­loses Geschenk an tierschutz­affine Politiker.

Auch heute gibt es Schlag­wörter, deren recht­liche Relevanz nicht oder zumindest nicht auf den ersten Blick klar ist.  Ein solches Wort ist das vom Klima­not­stand. Inzwi­schen sind seit Mai diesen Jahres alleine in Deutschland inzwi­schen 63 Städte einem inter­na­tio­nalen Aufruf gefolgt und haben den Klima­not­stand ausge­rufen, darunter z.B. Konstanz, Mainz, Wiesbaden, Köln, Bonn, Kiel und Rostock, weltweit gibt es zahlreiche weitere Länder und Kommunen, allen voran 2017 ein Vorort von Melbourne in Australien.

Notstand, das klingt erst einmal nach der rechtlich durchaus relevanten, aber politisch hochum­strit­tenen Notstands­ge­setz­gebung, die vor mehr als 50 Jahren vom deutschen Bundestag beschlossen wurde. Damals ging es darum, durch drastische Einschrän­kungen demokra­ti­scher Rechte und bürger­licher Freiheiten die Handlungs­fä­higkeit des Staates in Krisen­si­tua­tionen zu sichern. Solche Einschrän­kungen sind von der Ausrufung des Klima­not­stands nicht zu befürchten, denn unmit­telbare recht­liche Folgen sind damit bisher nicht verbunden.

Handelt es sich also um eine rein symbo­lische Maßnahme? Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Tatsächlich kommt es darauf an, was die einzelnen Städte daraus machen. Oft geht es nur um Absichts­er­klä­rungen, z.B. bis 2030 CO2-neutral zu werden. Gerade im Bereich Verkehr und im Gebäude‑, bzw Wärme­sektor, aber auch bei Photo­voltaik haben Kommunen jedoch auch erheb­liche Handlungs­spiel­räume. Ein Beispiel für eine Stadt, in der der Beschluss offen­sichtlich nicht folgenlos bleiben soll, ist Kiel. Dort will die Stadt 100 Millionen Euro in die Hand nehmen. Davon sollen Radwege deutlich aufge­stockt und weitere Autofahr­spuren den Radfahrern überlassen werden. Auf städti­schen Gebäuden sollen Solar­an­lagen instal­liert werden, das innen­städ­tische Dauer­parken von Kfz soll weniger attraktiv werden. Beleuchtung soll auf LED umgestellt und für kommunale Zwecken sollen E‑Fahrzeuge genutzt werden. Für Klima­neu­tra­lität bis 2030 ist der Weg zwar voraus­sichtlich noch lang und steinig, aber ein Anfang ist gemacht.

2019-10-30T14:49:02+01:0030. Oktober 2019|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Umwelt, Verkehr, Wärme|