Neulich waren wir auf einer Veranstaltung der Zeitschrift für Umweltrecht. Es ging um die Klimaklagen, über die wir schon hin und wieder berichtet haben. Die Veranstaltung hat sich gelohnt. Schon als Gelegenheit, etliche Bekannte wieder zu sehen. Ein paar Kollegen aus der Anwaltschaft. Einige Bekannte aus umweltpolitischen Gremien, Instituten und Behörden. Vor allem aber viele Professoren und Mitarbeiter von den rechtswissenschaftlichen Fakultäten, die noch aus Promotionszeiten vertraut sind.
Zwei der Vorträge kamen von Professoren, die selbst in entsprechende Verfahren involviert sind. Prof. Gerd Winter vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und Prof. Felix Ekardt vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Begründung der Klagen ist nicht ganz ohne. In beiden Verfahren geht es nämlich um die Frage, ob die Klimaziele ausreichen, um erhebliche Grundrechtsverletzungen abzuwenden. Da stellen sich komplexe Probleme, die mit vielen Ungewissheiten verbunden sind. Die Gerichte können daher kaum an bewährte Antworten aus dem juristischen Alltagsgeschäft anknüpfen.
Ist es nun überhaupt die Aufgabe von Gerichten, solche grundlegenden klimapolitischen Entscheidungen zu fällen? Diese Frage war Thema eines weiteren Vortrags von Prof. Bernhard Wegener, der eine skeptische Position vertrat. Letztlich sei es Sache der demokratischen Gesetzgebung, den Grundrechtsschutz in konkrete Gesetze zu fassen. Zumindest solange die Politik überhaupt irgendwelche sinnvollen Anstrengungen unternimmt, den Klimawandel zu stoppen, sollten die Gerichte sich in Zurückhaltung üben.
Uns hat diese Haltung letztlich am ehesten überzeugt. Denn was ist gewonnen, wenn ein Gericht die Klimapolitik auf der Zielebene korrigiert? Wäre es nicht sinnvoller, bereits bestehende Ziele effektiv umzusetzen? Auch hier wären Klimaklagen denkbar. Dafür müssten Umweltjuristen sich den sprichwörtlichen „Mühen der Ebenen“ stellen.
Der Soziologe Armin Nassehi hat sich neulich in einem Interview mit der TAZ entsprechend über Klimapolitik geäußert:
„Die großen Ziele sind von einer sehr großen Hybris geprägt und ignorieren das Operative und aktuell Mögliche. Es gibt aber auch eine Entwertung durch Anerkennung. Nehmen Sie Fridays for Future: Die können sich vor Anerkennung kaum retten, weil die Ziele so groß sind und als letzte Dinge der Menschheit formuliert werden. Diese Anerkennung entwertet das Engagement, weil es demonstriert, wie blank manche Konzepte doch sind.“
Unser Zwischenfazit: Gerichte können die Welt nicht retten. Sie können aber evtl einen Beitrag leisten, dass wenigstens bestehende Gesetze eingehalten werden.
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