Die Rechtsschutzgarantie ist ein Grundrecht, das jedem Einzelnen gewährt wird. Einerseits kann jeder vor Gericht ziehen. Andererseits ist der Zugang zum Gericht grundsätzlich Einzelnen vorbehalten. Gerade im Umweltrecht stößt dieser individuelle Zuschnitt des Rechtsschutzes regelmäßig auf Probleme: Denn Umweltzerstörung betrifft oft gerade nicht das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum einer bestimmten Person. Es wirkt sich oft eher diffus, eben „in der Umwelt“ aus, betrifft Ökosysteme oder öffentliche Güter wie die Atmosphäre oder den Wasserhaushalt. Daher wurden im deutschen Umweltrecht nach zähem Ringen und unter völkerrechtlichem und europäischem Einfluss Verbandsklagerechte erstritten.
Aber auch im Europarecht ist der Zugang zu Gerichten beschränkt. Das ist einerseits verständlich. Denn eine Öffnung für sogenannte Popularklagen, bei denen jeder gegen jeden Rechtsakt der Union klagen dürfte, würde zu einer hoffnungslosen Überlastung der Gerichte und letztlich zu Rechtsunsicherheit führen. Daher muss beispielsweise bei Nichtigkeitsklagen nach Artikel 263 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) der Kläger unmittelbar und individuell betroffen sein. Dieses Kriterium der individuellen Betroffenheit wurde schon zu Anfang der Entwicklung des Europarechts in der Plaumann-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) näher ausbuchstabiert: Klar ist der Fall, wenn jemand Adressat einer Entscheidung ist. Anderenfalls muss er wegen bestimmter persönliche Eigenschaften oder besondere Umstände durch die Entscheidung herausgehoben werden. Dies setzt voraus, dass der Kläger von allen übrigen Personen unterschieden wird.
Manchmal führt dieses Erfordernis zu scheinbar paradoxen Ergebnissen. So zum Beispiel in der Klimaklage, über die wir vor einiger Zeit berichtet haben. Bauern und im Fremdenverkehr Beschäftigte aus unterschiedlichen Ländern der EU, Kenia und Fidji hatten gegen die Klimapolitik der EU geklagt. Auch eine Familie von der Nordseeinsel Langeoog war dabei. An den durch die Klage angegriffenen Rechtsakten, u.a. die Richtlinie zur Änderung des Emissionshandelssystems für die 4. Handelsperiode, kritisierten die Kläger vor allem Folgendes: Die Reduzierung der Treibhausgase bis 2030 um 40% gegenüber 1990 sei nicht ausreichend, um die Verpflichtungen nach dem Pariser Abkommen zu erfüllen und den Klimawandel zu stoppen. Daher seien die Rechtsakte vom Gericht für nichtig zu erklären und die Klimaziele zu schärfen.
Das zuständige Gericht der Europäischen Union (EuG) hat nun entschieden, dass die Klage unzulässig sei. Schließlich seien ja nicht nur die klagenden Familien, sondern alle Menschen – zumindest potentiell – vom Klimawandel betroffen. Dass dies den Widerspruch der Klimaschützer herausfordert ist nachvollziehbar. Denn irgendwie ist es paradox, wenn nur gegen Rechtsakte, von denen wenige betroffen sind, geklagt werden kann. Es wäre ja viel notwendiger, Rechtsakte gerichtlich überprüfen zu lassen, die alle betreffen.
Andererseits spricht es auch für eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Recht und Politik, dass Belange, die alle etwas angehen, vor allem in Parlamenten, nicht in Gerichtshöfen verhandelt werden. Denn hier geht es nicht um rechtsstaatlichen Minderheitenschutz, sondern um das Kerngeschäft der Demokratie. Am kommenden Sonntag haben die Wählerinnen und Wähler das Wort.
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