Kommunalrecht: Amtsblätter sind keine Lokalzeitung
Ein Evergreen in der Hitliste der ungelesenen Schriftstücke dürften Amtsblätter darstellen. Wie der Bebauungsplan in der Astrid-Lindgren-Siedlung demnächst genau aussieht oder wo die Pläne für das neue Einkaufszentrum ausliegen, dürfte außer den unmittelbar Betroffenen kaum jemand mit Begeisterung oder auch nur Interesse zur Kenntnis nehmen. Dabei stellen Amtsblätter eigentlich gute Möglichkeiten dar, als Stadt direkt mit den Bürgern zu kommunizieren.
Doch dem Ausbau der Amtsblätter von der dürren Information zu einer Art Stadt-Illustrierter hat Grenzen. Dies hat bereits im letzten Jahr der Bundesgerichtshof (BGH) am 20.12.2018 festgestellt (BGH I ZR 112/18). Hier hatte ein Zeitungsverlag sich gegen die Konkurrenz gewandt, zu der sich das städtische Amtsblatt im schwäbischen Crailsheim entwickelt hatte. Laut BGH existiert nämlich ein Gebot der Staatsferne der Presse, das direkt aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) fließt. Dieses sei auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG, so dass Wettbewerber die Einhaltung einklagen könnten. Woran man ein nicht hinreichend staatsfernes Amtsblatt erkennt? Der BGH hält die Neutralität und die Zugehörigkeit zum gemeindlichen Aufgabenbereich bei Art und Inhalt der redaktionellen Beiträge für ausschlaggebend. Relevant sei auch das optische Erscheinungsbild. Mit anderen Worten: Wenn ein Amtsblatt aussieht wie eine Illustrierte und sich auch so liest, muss die Lokalzeitung sich nicht gefallen lassen, dass es kostenlos verteilt wird und ihr so das Geschäft verdirbt. Homestories über den neuen Schützenkönig und Interviews mit dem Vorsitzenden des Kaninchenzüchtervereins gehören also in die private Lokalzeitung, nicht ins Amtsblatt. Gleichzeitung stellte der BGH klar, dass es auch ein legitimes Recht der Gemeinde zur Information gibt, das in Baden-Württemberg aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 71 Abs. 1 Satz 1 LV BW, Art. 78 Abs. 1 Satz 1 NRW fließt.
Der Grundsatz der Staatsferne der Presse ist nun auch einem städtischen Angebot ihm Internet auf die Füße gefallen. Mit Datum vom 8.11.2019 (3 O 262/17) hat das Landgericht (LG) Dortmund den Online-Auftritt der Stadt Dortmund für wettbewerbswidrig erklärt, nachdem der Verlag der Ruhr-Nachrichten auf Unterlassung geklagt hatte. Tatsächlich ist das städtische Angebot ein bunter – und recht gelungener – Spiegel des städtischen Lebens Dortmunds, in dem ähnlich wie in einem privaten Portal u. a. über die Meisterfeier von Borussia Dortmund, ein nichtstädtisches Hospiz und eine Deutsche Meisterschaft im Unterwasserrugby berichtet worden sei. Das werde den vom BGH aufgestellten Grundsätzen über Amtsblätter nicht gerecht.
Doch wie „verstaubt“ muss ein städtisches Angebot nun sein, um nicht von Privaten abgemahnt werden zu können? Die Gerichte nehmen Einzelfallbewertungen vor. Richtschnur ist dabei die Ähnlichkeit mit der Lokalpresse offline und online. Wie so oft kommt es also auf den Einzelfall an (Miriam Vollmer).