Umweltrecht: Genehmigungsbeschleunigung per Gesetz
Es ist eine Binsenweisheit, dass große Infrastrukturprojekte sich schon auf der Planung– und Genehmigungsebene fürchterlich ziehen. Oft vergehen viele Jahre von der Bedarfsfeststellung bis zur Fertigstellung.
Im Hinblick auf sechs große Verkehrsprojekte will das Bundesverkehrsministerium nun einen neuen Weg einschlagen, um das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Statt wie bisher im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 72 bis 78 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) soll die Genehmigung direkt durch ein Parlamentsgesetz ausgesprochen werden. Statt des aufwändigen Verfahrens mit Anhörungs‑, Auslegung und Erwiderungspflichten auf Einwendungen, die die Öffentlichkeit einbringen kann, den Erörterungspflichten gegenüber den Bürgern und insbesondere der oft mehrjährigen verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung in mehreren Instanzen soll der Bundestag aktiv werden.
Ohne Zweifel: Ein solches Verfahren ginge oft schneller und würde die Vorhabenträger nicht nur zeitlich entlasten. Es ist aber fraglich, ob der Plan des Verkehrsministeriums verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonform ist.
Hintergrund der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gesetzes: Gegen Gesetze ist kein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz eröffnet, sondern nur die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Verfassungsbeschwerde hat allerdings nicht dasselbe Prüfungsprogramm wie eine verwaltungsgerichtliche Klage. Bei der Verfassungsbeschwerde geht es allein um die Konformität mit Verfassungsrecht. Nicht um die Frage, ob die vielen umweltrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, die für Verkehrsprojekte gelten. Mit anderen Worten: Naturschutzrechtliche Belange, der Lärmschutz, der Schutz des Wassers und vieles mehr käme so nicht mehr vor den Richter. Ob dies mit den grundgesetzlichen Garantien eines umfassenden Rechtsschutzes vereinbar ist, ist ausgesprochen fraglich.
Aber auch aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ergeben sich ernsthafte Bedenken. Das Europarecht gibt nämlich nicht nur materiell Vorgaben für Verkehrsprojekte vor, beispielsweise im Hinblick auf Naturschutzrecht in Form der FFH-Richtlinie. Sondern es enthält auch Vorgaben Gestalt der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie, nach denen etwa Umweltverbände die Einhaltung von umweltrechtlichen Vorschriften gerichtlich überprüfen lassen können.
Diese, den Gang zu Gericht absichernden Regelungen kann Deutschland nur mit den anderen Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen gemeinsam ändern. Die Chancen auf eine solche Änderung stehen damit nicht besonders gut, zumal sowohl die Bundesrepublik selbst, als auch die europäische Union Partei völkerrechtlicher Abkommen sind, die Überprüfbarkeit von umweltrechtlichen Vorgaben zum Gegenstand haben, insbesondere die Aarhus-Konvention.
Damit sieht es schlecht aus für den Plan, auf diese Art und Weise Beschleunigungen für wichtige Infrastrukturprojekte zu erreichen. Möglicherweise ist ein solcher Befreiungsschlag Von vornherein wegen der vielfachen rechtlichen Bindung in der Bundesrepublik zum Scheitern verurteilt. Sicherlich wäre es aber denkbar, durch mehr Bearbeitungs und Planungskapazitäten und Regelungen im Detail, etwa bei der Präklusion, Verfahren zu beschleunigen (Miriam Vollmer).