Preis­gleit­klauseln: BGH verwirft die Revision der Extra Energie

Nach langer Ausein­an­der­setzung hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) mit einem Nicht­zu­las­sungs­be­schluss (VII ZR 119/18) den Versuch der Extra Energie GmbH unter­bunden, zahlreiche von zwei Instanzen verwor­fenen Preis­an­pas­sungs­klauseln doch noch durch­zu­setzen. Auch den Karls­ruher Richtern erschienen die Regeln des Unter­nehmens unver­einbar mit dem Verbot, Verbraucher zu benach­tei­ligen, § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Besonders inter­essant ist die nun rechts­kräftige Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 19.04.2018 – 6 U 182/16) in Hinblick auf die Weitergabe gestie­gener Steuern und Abgaben und bezüglich der Regeln für Paketpreisverträge:

Die Steuern und Abgaben, die im Endkun­den­ge­schäft mit elektri­scher Energie anfallen, ändern sich bekanntlich weit häufiger als die, die bei anderen Produkten abzuführen sind. Dies liegt vor allem an der EEG-Umlage, aber auch an den anderen Umlagen, die über die Netzbe­treiber an die Letzt­ver­braucher weiter­ge­wälzt werden. Zudem sind in den vergan­genen Jahren immer wieder neue Umlagen einge­führt worden, die in den alten Verträgen noch nicht angelegt waren. Entspre­chend hoch ist das Interesse der Versorger nach möglichst flexiblen Steuer- und Abgabeklauseln.

Solche Klauseln haben Gesetz­geber und Recht­spre­chung zwar nicht unter­bunden. Jedoch hat der BGH im Juli 2017 festge­stellt (VIII ZR 163/16), dass auch dann, wenn der Versorger Steuer- und Umlage­er­hö­hungen nur weiter­reicht, ein Sonder­kün­di­gungs­recht gem. § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG besteht, das auch nicht vertraglich abbedungen werden kann. Mit anderen Worten: Immer, wenn eine der vielen Umlagen sich ändert, kommt der Kunde auch aus Verträgen mit noch nicht abgelau­fener Mindest­laufzeit heraus.

Diese Recht­spre­chung wurde nun noch einmal bekräftigt. Auch der Versuch der Extra Energie GmbH, die Preise nach billigem Ermessen zu ändern, wenn sich die Kosten steigern, ist gescheitert. Diese, wohl den Regeln für die Grund­ver­sorgung nachemp­fundene Klausel, ist gleich­falls unwirksam. Dies wirft insbe­sondere für schwer absehbare oder nicht präzise indexierbare Kosten­be­stand­teile Fragen auf, wie etwa für den Emissionshandel.

Auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf zu den Paket­ver­trags­ver­län­ge­rungen hat der BGH bestätigt, indem er die Revision hierzu nicht zugelassen hat. Das Unter­nehmen hatte Rückerstat­tungen weitgehend ausge­schlossen, auch wenn das Liefer­ver­hältnis vorzeitig beendet wird. Auch dies hat der BGH nicht aufge­hoben. Hier stellt sich die Frage, wie Paket­tarife dann zutreffend zu kalku­lieren sind, die günstigen Preise werden ja oft gerade dadurch ermög­licht, dass es für den Versorger ganz klar ist, dass er in jedem Fall die verein­barte Summe erhält und behalten kann. Dies an sich hat das OLG auch nicht bemängelt, wenn es ausdrücklich Paket­tarife als zulässig ansieht. Hier geht es offenbar um vertrags­rechtlich filigranere Operationen.

Was bedeutet das nun für andere, weniger verwegene Tarife? Generell ist die Hoffnung mancher Versorger, eine Art „AGB-Rabatt“ zu erhalten, wenn besonders feste Vertrags­be­din­gungen besonders günstige Preise ermög­lichen, offen­sichtlich unbegründet. Dem ist Rechnung zu tragen. Das ist gerade für Unter­nehmen ungünstig, die durch außer­ge­wöhnlich niedrige Preise Kunden gewinnen wollen. Hier trägt der BGH offenbar dem Umstand Rechnung, dass der Kunde meist nur den Preis sieht, nicht aber die Vertrags­klauseln (Miriam Vollmer).

2019-12-20T19:54:27+01:0020. Dezember 2019|Allgemein, Strom, Vertrieb|

Kita-Recht: Anspruch auf Weiter­be­treuung nach Umzug

Ein Umzug mit kleinen Kinder ist ohnehin typischer­weise mit spezi­ellen Heraus­for­de­rungen verbunden. Selbst wenn es dabei nur aus der Innen­stadt ins Umland geht, kommt dann oft auch noch ein Wechsel der Schule oder Betreu­ungs­ein­richtung hinzu. Denn zumindest bei Stadt­staaten wie Berlin, Hamburg oder Bremen wechselt mit der Ummeldung in ein anderes Bundesland auch die Zustän­digkeit der Jugend- und Bildungs­be­hörden. Dabei wäre es bei aller Unsicherheit, die für Kinder ohnehin mit jedem Umzug verbunden ist, doch schön, es wenigstens bei der Betreuung im gewohnten Umfeld lassen zu können.

Zumindest für Eltern, die zwischen Berlin und Brandenburg wechseln wollen, haben wir insofern eine gute Nachricht: Hier kann ihr Kind in der Regel dennoch weiter in der gewohnten Einrichtung betreut werden. Denn Berlin und Brandenburg haben einen Staats­vertrag über die gegen­seitige Nutzung von Plätzen in Einrich­tungen der Kinder­ta­ges­be­treuung geschlossen. Darin steht in Art. 1 Abs. 1 Nr. 3, dass bei einem Umzug ins jeweils andere Bundesland die Nutzung der Einrich­tungen zur Kinder­ta­ges­be­treuung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozial­ge­setzbuch (SGB) VIII, also Kitas und Kinder­gärten, erleichtert werden soll.

Die Voraus­setzung für eine Weiter­be­treuung ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 des Staats­ver­trages. Demnach setzt eine Aufnahme und Betreuung voraus, dass vorher das Jugendamt der Gemeinde, die nach dem Umzug nunmehr zuständig ist, geprüft hat, ob ein Anspruch auf Betreuung nach § 24 SGB VIII besteht. Außerdem muss sie die Finan­zierung durch eine sogenannte Kosten­über­nah­me­er­klärung zusichern. Da in Art. 5 Abs. 1 Satz des Staats­ver­trags steht, dass keine Verpflichtung zur Aufnahme bestehen würde, war eine Zeitlang unklar, ob das Kind einen Anspruch auf Weiter­be­treuung hat.

Vor zwei Jahren hat jedoch das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin entschieden, dass bei einem Umzug ein Anspruch auf Weiter­be­treuung besteht. Die mangelnde Verpflichtung zur „Aufnahme“ von Kindern in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Staats­ver­trages beziehe sich nur auf die Neuauf­nahme von Kindern, wenn sie z.B. nahe der Grenze zum anderen Bundesland wohnen oder die Tages­ein­richtung sich in der Nähe des Arbeits­platzes der Eltern befindet. Auch dann soll nämlich nach Art. 1 des Staats­vertrag eine Aufnahme im jeweils anderen Bundesland im Rahmen der Kapazi­täten ermög­licht werden. In diesem Fall aber ohne verbind­lichen Rechts­an­spruch (Olaf Dilling).

2019-12-19T23:55:31+01:0019. Dezember 2019|Verwaltungsrecht|

Emissi­ons­handel: BEHG-Änderung in letzter Minute

Hoppla: Hatte der Bundesrat nicht noch gerade beschlossen, wegen des Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­ge­setzes (BEHG) nicht dem Vermitt­lungs­aus­schuss anzurufen, und diesen nur mit den steuerlich relevanten Teilen des Klima­pakets zu befassen? Wo kommt denn nun auf einmal die Erhöhung der Preise für Zerti­fi­kat­preise her?

Tatsächlich verhält es sich: Man unter­scheidet Zustim­mungs- und Einspruchs­ge­setze. Bei Zustim­mungs­ge­setzen muss der Bundesrat – die Länder­ver­tretung – aktiv zustimmen. Bei Einspruchs­ge­setzen kann der Bundesrat letztlich ein Gesetz nicht verhindern. Er kann nur Einspruch einlegen, der aber durch den Bundestag überstimmt werden kann. Bevor er zu diesem Mittel greift, muss er aber den Vermitt­lungs­aus­schuss anrufen (Artikel 77 Absatz 3 Satz 1 GG). Dieser besteht aus 32 Personen, die je zur Hälfte dem Bundestag und dem Bundesrat angehören. Der Vermitt­lungs­aus­schuss versucht nach seiner Anrufung – wie der Name schon sagt – zu vermitteln und eine Lösung zu finden, die alle zufrieden stellt. Oder zumindest alle gleich unzufrieden.

So ist es auch beim BEHG gelaufen: Angerufen wurde der Vermitt­lungs­aus­schuss wegen der – gar nicht vom BEHG erfassten – steuer­recht­lichen Regelungen, u. a. zur Pendler­pau­schale. Diese gehört nicht zu den „Lieblingen“ der Grünen, denn sie fördert Landschafts­zer­sie­delung und erhöht die gefah­renen Autoki­lo­meter. Die Grünen waren aber bereit, die ungeliebte Pauscha­len­er­höhung zu akzep­tieren, wenn sie dafür an anderer Stelle einen Wunsch frei hatten: Der CO2-Preis war ihnen zu niedrig, was viele in SPD und auch der Union ebenso sahen. Am Ende einigte man sich auf ein Mehr ist mehr: Eine höhere Pauschale und ein höherer CO2-Preis von 25 EUR im Jahr 2021 (statt nur 10 EUR), der dann bis 2025 auf 55 EUR (statt 35 EUR) steigt.

Damit ist die am 29.11.2019 im Bundesrat eigentlich schon geschlossene „Schatz­truhe“ der Gesetz­gebung für das BEHG also wieder offen. Dies ist auch möglich und läuft der Beschluss­fassung im Bundesrat, den Vermitt­lungs­aus­schuss nicht anzurufen, auch nicht zuwider. Denn durch erneute Beschluss­fas­sungen kann auch das einmal schon „durch­ge­wunkene“ Gesetz noch einmal geändert werden.

Und so soll nun noch morgen, am 19. Dezember um 13.15 Uhr, im Bundestag erneut über das BEHG abgestimmt werden (Miriam Vollmer).

2019-12-20T20:48:37+01:0018. Dezember 2019|Emissionshandel, Energiepolitik, Umwelt|