Zutei­lungs­an­träge: Weitere Nachweis­pflichten für Wärmeerzeuger

Wenn Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser, eine emissi­ons­han­dels­pflichtige Anlage betreiben, die Wärme produ­ziert und in ein Netz einspeist, kennen Sie das Prinzip der Diffe­ren­zierung der ausge­lie­ferten Wärme­mengen im Zutei­lungs­antrag. Schon im letzten Antrags­ver­fahren im Winter 2011/12 haben Sie ja nicht nur ermittelt, wie viel Wärme ihre Anlage in ein Wärmenetz expor­tiert hat. Sondern auch, wie hoch der Anteil der Wärme war, die an Kunden ging, die als abwan­de­rungs­be­droht gelten und deswegen als privi­le­giert auf der CL-Liste stehen. Für diese Wärme haben sie eine erhöhte Zuteilung erhalten, die günstigere Wärme­ver­sor­gungs­preise für diese Unter­nehmen ermög­licht. Schließlich will niemand der Industrie schaden, die im inter­na­tio­nalen Wettbewerb steht.

Diese Diffe­ren­zierung – das überrascht Sie nicht – müssen Sie auch im laufenden Antrags­ver­fahren für die Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen von 2021–2025 treffen. Damit erschöpft sich aber nicht, was Sie über ihre Kunden und das, was diese mit der von Ihnen erzeugten Wärme anstellen, in Erfahrung bringen und der Deutschen Emissi­ons­han­del­stelle (DEHSt) mitteilen müssen. Dies liegt vor allem an dem Umstand, dass Wärme inzwi­schen in Gestalt von drei Zutei­lungs­ele­menten als zutei­lungs­re­levant angemeldet werden kann (außer, sie ist ohnehin im Rahmen von Produkt­be­nch­marks berück­sichtigt). Neben „Wärme CL“ und „Wärme Non-CL“ gibt es inzwi­schen auch das Zutei­lungs­element „Fernwärme“, für das es bis 2030 mehr Zerti­fikate geben soll als für Wärme Non-CL.

Wie sich auch aus dem jüngst veröf­fent­lichten Leitfaden der Behörde 3a ergibt, ist künftig auch nachzu­weisen, dass mit der Wärme weder Strom produ­ziert noch emissi­ons­han­dels­pflichtige Anlagen versorgt werden, auch dann, wenn der emissi­ons­han­dels­pflichtige Empfänger der Wärme keinen eigenen Zutei­lungs­antrag bezogen auf diese Wärme­mengen aufgrund einer Direkt­lei­tungs­ver­ein­barung stellt. Inwieweit es in dieser Konstel­lation überhaupt zu einer Doppel­zu­teilung kommen könnte, bleibt aller­dings das Geheimnis der Behörde. Dies gilt – vgl. S. 20f. des Leitfadens – auch dann, wenn Fernwärme mit einer Ausle­gungs­tem­pe­ratur von weniger als 130° C einge­speist wird. In diesem Fall ist (anders als bei höheren Ausle­gungs­tem­pe­ra­turen) zwar nicht nachzu­weisen, dass die Wärme zu Heiz- oder Warmwas­ser­be­rei­tungs­zwecken verwendet wird, wenn man eine Zuteilung für das Zutei­lungs­element Fernwärme beantragen will. Die weiteren Nachweis­ver­pflich­tungen gelten aber nach Ansicht der Behörde trotzdem.

Um die Daten, die die Behörde auf Seite 22 des Leitfadens aufführt, komplett vorlegen zu können, müssen viele Betreiber nun also noch einmal an ihre Kunden heran­treten. Dabei sollten Sie keine Zeit verlieren. Nicht nur endet die Antrags­frist am 29. Juni 2019. Die Behörde macht darauf aufmerksam, dass die Verifi­zierung durch die Sachver­stän­digen (die am heutigen 9. April bei der Behörde geschult werden) aufwen­diger verlaufen wird als in der Vergan­genheit. Und aufwen­diger heißt sicherlich in vielen Fällen: Zeitintensiver.

2019-04-10T10:19:48+02:0010. April 2019|Emissionshandel, Wärme|

Der sonder­ver­tragslose Kaufmann

Eine inter­es­sante Entscheidung zum Grund­ver­sor­gungs­tarif hat im vergan­genen Oktober das OLG München (Urteil v. 06.06.2018 – 7 U 3836/17) gefällt:

Norma­ler­weise befinden sich im Grund­ver­sor­gungs­tarif dieje­nigen Kunden, die noch nie ihren Strom­ver­sorger gewechselt haben.  Wie § 1 Abs. 1 StromGVV zu entnehmen ist, geht es um die Versorgung von Haushalts­kunden in Nieder­spannung. In der Entscheidung des OLG München geht es aber nicht um einen Haushalts­kunden. Sondern um ein Unter­nehmen. Diese sind vom § 36 EnWG, der die Grund­ver­sorgung regelt, auf den ersten Blick gar nicht erfasst. Das OLG München kam gleichwohl auf letztlich nachvoll­zieh­barem Wege zur Anwendung der Grundversorgungstarife.

In dem entschie­denen Fall hatte nämlich ein Restaurant ohne Vertrags­schluss Strom bezogen. Dass der Betreiber damit Kunden der Stadt­werke München geworden war, erfuhr er über die Hausver­waltung. Da kein abwei­chender Tarif vereinbar wurde, gilt die verein­barte Taxe, und als solche bestä­tigte das OLG München die Grund­ver­sorgung. Dabei verwies es auf die „Üblichkeit“ dieser Taxe und auf den Umstand, dass nach § 3 Nr. 22 EnWG als Haushalts­kunde auch derjenige gilt, der zwar gewerblich oder freibe­ruflich Strom bezieht, aber nicht mehr als 10.000 kWh pro Jahr.

Der Restau­rant­be­treiber zahlte Abschläge und erhielt Rechnungen, in denen auf die StromGVV hinge­wiesen wurde. Es hätte ihm also klar sein können, dass er sich im Gurndver­sor­gungs­tarif befand, aber wenn wir ehrlich sind: Wer kann als Laie mit diesem Begriff etwas anfangen? Und wer schaut sich überhaupt seine Strom­rech­nungen genauer an? Wie auch immer, irgendwann endete das Liefer­ver­hältnis und der Restau­rant­be­treiber erhielt eine Schluss­rechnung. Um die ging es gerichtlich.

Der beklagte Restau­rant­be­treiber hatte zwar argumen­tiert, er sei nicht grund­ver­sorgt, sondern ersatz­ver­sorgt worden. Und überhaupt hätte das Stadtwerk ihn darüber aufklären müssen, dass man sich günstiger versorgen kann. Dies verneinte das OLG aber zumindest unter Kaufleuten.

Das Ergebnis – es gilt der Grund­ver­sor­gungs­tarif – überzeugt. Offen bleibt, wie es aussehen würde, würde der Restau­rant­be­treiber mehr Strom beziehen. Oder er wäre kein Kaufmann, sondern ein Freibe­rufler, ein Verband oder ähnliches.

2019-04-09T10:53:16+02:009. April 2019|Strom, Vertrieb|

Perpetuum Mobile vor Gericht

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam: Vor einigen Tagen wurde vorm Landge­richt (LG) Chemnitz einer der Geschäfts­führer des Unter­nehmens „Ascard“ verur­teilt, das 2006 und 2007 Strom über zehn Jahre gegen Vorkasse verkauft hatte, aber nie geliefert hat. Der Strom sollte 8 c/kWh, später 11 c/kWh kosten und komplett emissi­onsfrei erzeugt werden, weil die Anbieter behaup­teten, 17.500 MWh Strom pro Jahr durch einen Luftstrom auf Genera­toren herstellen zu können, ohne aller­dings irgendeine Aussage dazu zu treffen, welche Energie in diesen Luftstrom umgewandelt werden sollte. 

Die Bundes­netz­agentur (BNetzA) schöpfte früh Verdacht und unter­sagte dem Unter­nehmen 2007 die Versorgung. Zum damaligen Zeitpunkt war noch nicht einmal ein Netznut­zungs­vertrag abgeschlossen worden. Das Unter­nehmen hatte zwar einen (nie fertig­ge­stellten) Generator gekauft, aber von der ominösen Antriebs­en­ergie für denselben gab es keine Spur. Die BNetzA unter­sagte die Belie­ferung deswegen auch mit dem Hinweis, hier werde offenbar ein Perpetuum Mobile angeboten.

Mindestens 87 Strom­kunden fanden das Perpetuum Mobile aller­dings so attraktiv, dass sie tatsächlich Verträge abschlossen. Natürlich floss kein Strom, die im Voraus gezahlten 225.000 EUR sind verschwunden.

Einer der drei Geschäfts­leute ist tot. Der nun verur­teilte Täter hält daran fest, dass sein techni­schen Konzept tragfähig gewesen sei. Dass er erst jetzt verur­teilt wurde, liegt daran dass das LG Chemnitz bei einer ersten Verur­teilung 2011 nach Ansicht des Bundes­ge­richtshof (BGH) nicht hinrei­chend nachge­wiesen habe, dass er an der Vermittlung der Strom­ver­träge beteiligt gewesen sei und Zugriff auf die Gelder gehabt habe. Deswegen hob es die Verur­teilung zu 3 Jahren und sieben Monaten auf. Nun hat das LG Chemnitz ein zweites Mal einen Betrug geprüft und wiederum bejaht. Der nun Verur­teilte hätte es mindestens billigend in Kauf genommen, dass er gar keinen Strom liefern konnte, und die Kunden so getäuscht, um sich einen finan­zi­ellen Vorteil zu verschaffen. Das Gericht verur­teilte ihn deswegen zu einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung.

Für die geschä­digten Kunden wird sich dieses Strafmaß schal anfühlen. Das Geld ist weg. Und die ehrliche Konkurrenz wird auch nicht begeistert sein. Abseits der Frage, ob ein so groß angelegter Betrug kein größeres Risiko einer Verur­teilung mit sich bringen sollte, um windigen Geschäf­te­ma­chern ein Signal zu geben, stellt sich die Frage, ob nicht die Energie­wirt­schaft mehr dafür tun sollte, die techni­schen und wirtschaft­lichen Rahmen­be­din­gungen der Energie­er­zeugung trans­pa­renter zu machen. Denn dass so viele – gewerb­liche – Kunden auf ein Perpetuum Mobile herein­fallen, spricht für ein generelles und nicht nur indivi­du­elles Defizit.

2019-04-08T00:21:21+02:008. April 2019|Allgemein, Energiepolitik|