Verkehr und Haushalte in den Emissionshandel: Was ist vom FDP-Klimaschutzvorschlag zu halten?
Dass die FDP auch beim Klimaschutz auf marktwirtschaftliche Instrumente setzt, ist keine Überraschung. Aber wie gut ist der auf dem jüngsten Bundesparteitag diskutierte Plan, auch die Sektoren Gebäude und Verkehr in den Emissionshandel einzubeziehen und so durch wirtschaftliche Anreize statt ordnungsrechtliche Verbote oder höhere Steuern eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen auszulösen? Immerhin sind die Liberalen nicht die einzigen, die einen solchen Upstream-Emisionshandel für sinnvoll halten. Diskutiert wird die Einbeziehung weiterer Sektoren als nur der großen Feuerungsanlagen mit mehr als 20 MW Feuerungswärmeleistung (FWL) in den EU-Emissionshandel ja schon recht lange, wie eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom März 2018 zeigt.
Allerdings plant die FDP nicht, Autofahrer und Eigenheimbesitzer in den Kreislauf von Berichterstattung, Beschaffung und Abgabe von Zertifikaten einzubeziehen. Statt dessen sollen diejenigen, die ihnen die Emissionen in Form von Treib- und Brennstoffen liefern, einbezogen werden. Konkret soll etwa der Betreiber der Raffinerie Zertifikate für die verkörperten Emissionen abgeben, preist die Kosten für die Beschaffung ein und setzt so einen Anreiz für den Kunden, weniger Emissionen auszulösen und so Geld zu sparen.
An sich ein guter Gedanke, aber das für den Emissionshandel federführende Bundesumweltministerium (BMU) ist skeptisch. Auch wenn Art. 24 der Emissionshandelsrichtlinie (EHRL) die Einbeziehung weiterer Sektoren zunächst einmal erlaubt, wenn es dort heißt:
„(1) Ab 2008 können die Mitgliedstaaten den Handel mit Emissionszertifikaten gemäß dieser Richtlinie auf nicht in Anhang I genannte Tätigkeiten und Treibhausgase ausweiten, soweit alle einschlägigen Kriterien,(…)berücksichtigt werden und sofern die Einbeziehung solcher Tätigkeiten und Treibhausgase von der Kommission gemäß delegierten Rechtsakten gebilligt wird (…).“
Warum also nach Ansicht des BMU nicht der Verkehr? Nun, weil der skizzierte Upstream-Emissionshandel gerade nicht „nur“ einen zusätzlichen Sektor einbeziehen würde. Es würde ja, siehe oben, nicht einfach der Betreiber einer weiteren Emissionsquelle „Auto“ oder „Gastherme“ emissionshandelspflichtig. Sondern es würde mit dem Raffineriebetreiber oder Erdgaslieferanten jemand emissionshandelspflichtig, der selbst gar nicht Treibhausgase in die Atmosphäre emittiert. Der Emissionsbegriff der Richtlinie ist aber nicht nach Gusto der Mitgliedstaaten frei interpretierbar. Er ist in Art. 3 lit. b der Richtlinie als „die Freisetzung von Treibhausgasen in die Atmosphäre aus Quellen in einer Anlage“ definiert. Damit ist klar: Die Raffinerie emittiert nicht, weil sie kein CO2 in die Atmosphäre entlässt.
Bei der Interpretation, was „Emission“ bedeutet, gibt es auch keine Spielräume. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung „Schaefer Kalk“ vom 19.07.2017 (C‑460–15) festgestellt. Hiernach ist weitergeleitetes und eben nicht an die Atmosphäre abgegebenes CO2 keine Emission im Sinne der Richtlinie und löst damit auch keine Agabepflichten aus, und die Kommission ist auch nicht befugt, das irgendwie anders zu interpretieren.
Was folgt also daraus? Aktuell darf Deutschland Verkehr und Haushalte nicht mithilfe eines Upstream-Emissionshandel in das europäische Emissionshandelssystem einbeziehen. Das wäre nur möglich, wenn Art. 3 lit. b der Emissionshandelsrichtlinie geändert würde. Das bezeichnet das BMU als „schwierig“, und das trifft sicherlich auch zu.
Aber auch schwierige Änderungen sind nicht unmöglich. Insofern: Der FDP-Vorschlag ist nicht unrealistisch, er ist nur schwieriger umzusetzen, als manche Liberale hoffen.