Wer (auf Papier) schreibt, der bleibt
Dass Deutschland bei der Digitalisierung jedenfalls nicht ganz vorn dabei ist, ist wohl allgemeiner Konsens. Und wer häufiger mit Gerichten zu tun hat, der weiß, dass das für deutsche Gerichte noch viel, viel mehr gilt. Immer wieder hört man gar von Richtern, die sich ihre eigene IT-Ausstattung mitnehmen. Insofern erstaunt es uns auch nur so mittel, dass die Richter der Verlässlichkeit der IT nur sehr begrenzt vertrauen: Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt in einer Entscheidung vom 28.02.2019 (Az.: III ZB 96/18) Papier.
In dem Beschluss geht es um eine Rechtsanwaltskanzlei. Diese Kanzlei führte einen rein elektronischen Fristenkalender, bei dem die Büromitarbeiterin mittels einer Fachsoftware die Fristen eintrug, aber vergaß, die eingetragene Berufungsbegründungsfrist abzuspeichern. Dann zeichnete sie in der Handakte die Eintragung der Frist ab.
Das Ende vom Lied: Der Anwalt versäumte die Berufungsbegründungsfrist, beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verlor. Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO wird nämlich nur gewährt, wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde. Der Standardfall: Die ansonsten stets zuverlässige Büromitarbeiterin macht trotz regelmäßiger zutreffender Einweisung und ausreichender Kontrollmechanismen ein einziges Mal einen Fehler.
Berufungsgericht und BGH sahen hier aber keinen Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis. Elektronik sei halt fehleranfällig. Unverschuldet könne nur derjenige seine Fristen versäumen (und sich wiedereinsetzen lassen), der die erwähnten Kontrollen mittels eines Ausdrucks vollzieht. Eine elektronische Lösung reiche nicht. Elektronisch sei das Fehlerrisiko einfach höher.
Uns leuchtet nicht ein, wieso das so sein sollte. Gerade bei elektronischen Akten sieht man meistens direkt die Abfolge der Termine und Fristen und bemerkt schon bei den regelmäßigen (elektronischen) Wiedervorlagen, wenn etwas nicht stimmt. Aber wenn es denn der BGH so will, dann drucken wir ab heute den Fristberechnungsvermerk und alle Fristenzettel wieder aus. Und stecken uns die Fristenzettel nicht an den Hut, sondern hängen sie brav eine Pinnwand. Die aus unserer Sicht viel, viel zuverlässigeren elektronischen Benachrichtigungen, dass demnächst eine Frist abläuft, behalten wir aber trotzdem, versprochen.