Die hilflos zugeparkte Querungshilfe

Bauliche Querungs­hilfen sind ein gutes Mittel, um den Fußverkehr zu fördern. Gemeint sind damit Gehweg­vor­stre­ckungen, also quasi „Nasen“ des Gehwegs, die in die Fahrbahn oder in den Parkraum herein­ragen und den querenden Fußgängern den Weg verkürzen und sie zugleich für den fließenden Verkehr „sicht­barer“ machen. Diese Maßnahmen für den Fußverkehr werden baulich ausge­führt. Sie haben insofern keinen regelnden Gehalt, sondern sind sogenannte „Realakte“ der Verwaltung. Sie gestalten den Verkehrsraum, geben ihm seine spezi­fische Form und beruhen auf dem Straßen­recht der Länder.

Sie eignen sich gerade für Straßen, die ohnehin verkehrs­be­ruhigt sind oder sich in Tempo-30 Zonen befinden. Bei Querungen auf Schul­wegen können sie im Prinzip dazu beitragen, dass Kinder nicht hinter parkenden Autos übersehen werden. Im Prinzip, denn tatsächlich machen wild parkende Autos diesen Effekt oft wieder zunichte. Zum Beispiel in Berlin, in der Walde­mar­straße. Auf dieser Straße mit Wohnbe­bauung, auf der Linien­busse unterwegs sind, und sich mindestens eine KiTa befindet, sind solche Querungs­hilfen in regel­mä­ßigen Abständen zwischen den Parkständen baulich einge­richtet worden. Jeweils mit zwei Pollern und zwei Baumnasen.

Gehwegvorstreckung mit Pollern und Leitflächen für blinde Menschen. Am Theodor-Loos-Weg, Berlin Gropiusstadt

Gehweg­vor­stre­ckung am Theodor-Loos-Weg, Berlin Gropi­us­stadt. Alles richtig gemacht: Hier ist die Bordstein­ab­senkung eindeutig. https://wiki.openstreetmap.org/wiki/File:Gehwegvorstreckung_Theodor-Loos-Weg.jpg CC-by-SA‑4.0, Foto: User:Supaplex030

Aller­dings wurde bei der baulichen Umsetzung ein Fehler gemacht: Die Bordstein­ab­senkung, die für Querungs­hilfen typisch ist, wurde hier nur sehr halbherzig vorge­nommen. Es ist für einen unbefan­genen Beobachter unklar, ob der Bordstein hier abgesenkt ist, oder nicht. So auch für einen Außen­dienst­mit­ar­beiter des Ordnungs­amtes, den ich kürzlich vor einem Auto antraf, das die Querungs­hilfe zugeparkt hat. Die Bordstein­ab­senkung wäre aber nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO die Voraus­setzung, dass das Parken dort verboten ist.

Dass das Auto dort parkt, behindert und gefährdet ersichtlich den Verkehrs­fluss. Und zwar auf doppelte Weise: Denn die Blick­achse ist zugeparkt und querende Fußgänger werden aufge­halten, jeden­falls, wenn sie mit dem Kinder­wagen zur gegen­über­lie­genden Kita wollen. Für fahrende Kfz, Radfahrer und Linien­busse stellt das Auto ein Hindernis dar, das umfahren werden muss, voraus­ge­setzt, die gegen­über­lie­gende Fahrbahn ist frei. Wenn Donnerstags die Müllabfuhr kommt, warten hier wegen eines parkenden Fahrzeugs oft viele Fahrgäste für mehrere Minuten. Fahrrad­fahrer müssen sich vor öffnenden Türen und dem nachfol­genden Kfz-Verkehr in Acht nehmen, der trotz solcher Engstellen oft überholt.

Da der Bordstein aber nicht eindeutig abgesenkt ist, musste die zuständige Straßen­ver­kehrs­be­hörde, in diesem Fall das Bezirksamt Fried­richshain-Kreuzberg eine Anordnung treffen. Dies ist durch einge­schränkte Halte­verbote jeweils an jeder Querung erfolgt, die dort aber inzwi­schen nicht mehr sind.

Prakti­scher­weise sollte alter­nativ am Anfang und Ende der Walde­mar­straße jeweils ein einge­schränktes (oder absolutes) Haltverbot angeordnet werden. Dies müsste durch das Zusatz­zeichen „Parken in gekenn­zeich­neten Flächen erlaubt“ ggf. unter Berück­sich­tigung einer Parkschein- oder Bewoh­ner­park­re­gelung ergänzt werden. Dann müssten nicht so viele einzelne Anord­nungen getroffen werden und der Schil­derwald würde reduziert. Auch das würde der Barrie­re­freiheit dienen.

Fazit: Kommunen müssen bei der Planung und Ausführung von Querungs­hilfen daran denken, dass sie eine eindeutige Bordstein­ab­senkung vorsehen. Dies hilft nicht nur Verkehrs­teil­nehmern, die mit Kinder­wagen oder Rollstühlen unterwegs sind. Es signa­li­siert auch den Kfz-Fahrern, dass sie die Fußgän­ger­infra­struktur nicht zuparken sollen. Wenn nicht wenigstens ein Haltverbot angeordnet wird (oder die Schilder verloren gehen), war die Inves­tition in den Straßenbau anderen­falls umsonst. Denn es ist absehbar, dass die Querungs­hilfen von Autofahrern ganz rabiat und hilflos zugeparkt werden. (Olaf Dilling)

2025-01-08T23:04:32+01:007. Januar 2025|Verkehr|

Kein Recht auf Wieder­her­stellung von Parkflächen

Anwalts­kol­legen aus einer Stadt in NRW hatten keinen Erfolg mit einem Eilver­fahren, mit dem sie die Wieder­her­stellung von Parkflächen vor ihren Geschäfts­räumen in einem verkehrs­be­ru­higten Bereich verlangten. Das ist nicht besonders verwun­derlich, da die Recht­spre­chung kein Recht auf einen indivi­du­ellen, wohnort- oder geschäfts­nahen Parkplatz anerkennt. Die Berufungs­ent­scheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts setzt sich aber relativ detail­liert mit Fragen des ruhenden Verkehrs im Zusam­menhang mit dem Straßen- und Straßen­ver­kehrs­recht ausein­ander, so dass eine Lektüre gewinn­bringend ist.

Nach der Flutka­ta­strophe von 2021 wurden im verkehrs­be­ru­higten Teil der Innen­stadt einer Stadt in Nordrhein-Westfalen die dort vorher vorhan­denen, gekenn­zeich­neten Parkflächen nicht wieder herge­stellt. Dagegen wandten sich die Rechts­an­wälte der Kanzlei. Aus ihrem Anlieger- oder jeden­falls aus ihrem Gemein­ge­brauch würde ein Recht auf die zuvor bereits bestehenden Parkflächen resul­tieren. Dies war zunächst schon vom Verwal­tungs­ge­richt (VG) Aachen verneint worden.

Auch das Oberver­wal­tungs­ge­richt hat die Beschwerde der Antrags­steller im Eilver­fahren zurück­ge­wiesen. Der Anlie­ger­ge­brauch nach § 14a StrWG NRW schütze nur den notwen­digen Zugang des Grund­stücks­ei­gen­tümers zur Straße und die Zugäng­lichkeit des Grund­stücks von der Straße nicht aber schütze es vor einer Verän­derung oder Einziehung der Straße. Auch aus dem Gemein­ge­brauch nach § 14 StrWG folge ein Anspruch auf Aufrecht­erhaltung des Gemein­ge­brauchs nicht. Aus Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG folge nur die Teilhabe an einem bestehenden Gemein­ge­brauch, nicht aber das Recht auf seine Aufrechterhaltung.

Weiterhin geht das Gericht davon aus, dass keine Entwidmung der Flächen vorge­nommen worden sei. Dies dürfte zum Einen nämlich bezüglich des ruhenden Verkehrs unzulässig sein, da eine Beschränkung nur für bestimmte Verkehrs­arten vorge­nommen werden dürfe. Zum Anderen habe die Entwidmung schriftlich zu erfolgen. Schließlich bildeten die Parkflächen mit dem Straßen­körper eine Einheit und seien daher ein unselb­stän­diger Bereich der öffent­lichen Straße.

Eine Entwidmung sei aber auch gar nicht erfor­derlich gewesen, da bei dem verkehrs­be­ru­higten Bereich im Gegensatz zur Fußgän­gerzone keine Verkehrsart komplett vom Gemein­ge­brauch komplett ausge­schlossen wird. Hier reicht vielmehr eine Anordnung per Verkehrszeichen.

Die von der Straßen­ver­kehrs­be­hörde vor der Flutka­ta­strophe getroffene Anordnung von Parkflächen sei dadurch unwirksam geworden, dass die dafür aufge­hängten Verkehrs­zeichen inzwi­schen entfernt, bzw abgehängt oder umgedreht worden seien. Es gelte aber für Anord­nungen im Straßen­ver­kehrs­recht, dass ihre Wirksamkeit von der Sichbarkeit abhänge.

Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass es keinen Rechts­an­spruch auf indivi­duelle Parkplätze auf Basis des Gemein- oder Anlie­ger­ge­brauchs gibt. Zum anderen ist sie inter­essant wegen der zahlreichen Aussagen über die Möglich­keiten und vor allem Grenzen der straßen­recht­lichen Entwidmung im Bereich des ruhenden Verkehrs sowie die Umsetzung von straßen­ver­kehrs­recht­lichen Anord­nungen durch Verkehrs­zeichen. (Olaf Dilling)

 

2024-11-20T18:04:05+01:0020. November 2024|Allgemein, Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Der vergat­terte Verbindungsweg

Fahrrad­fahrer kennen diese Entschleu­ni­gungs­gatter, die sie zum Langsam­fahren zwingen sollen, zur Sicherheit des Fußver­kehrs oder vor der Querung großer Straßen. Oft werden sie aber auch gebaut, um Kfz von einem Weg auszu­sperren. Sie sind für Fahrrad­fahrer nervig und mitunter ist es nicht möglich, mit Anhänger oder einem Lastenrad durchzufahren.

Im schleswig-holstei­ni­schen Örtchen Reinbek bei Hamburg hat sich ein Radfahrer so über die Gatter­schranken auf dem Verbin­dungsweg zwischen Liebig­straße und dem Schnee­witt­chenweg geärgert, dass er deswegen vor Gericht gezogen ist. Zugegeben hört sich das nicht nach einem weltbe­we­genden Thema an. Aber die Gerichte wurden nun schon in Anspruch genommen. Daher wollen wir die Gelegenheit nutzen, die Entscheidung kurz anzuschauen. Sie haben sich übrigens nicht verlesen: Gerichte (pl.), denn auch das schleswig-holstei­nische Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) in Schleswig wurde in der Berufung mit der Frage befasst.

Das OVG hat zunächst klarge­stellt, dass mit einer Gatter­schranke, die primär bezwecken soll, dass keine Kfz auf einem per Zeichen 239 angeord­neten Gehweg fahren, keine Anordnung verbunden ist. Denn das Verbot für Kfz sei bereits durch die Anordnung des Sonderwegs getroffen worden.

Obwohl der Gehweg auch für den Radverkehr freige­geben ist, ist der Kläger als Radfahrer in seiner Benutzung des Gehwegs nicht beein­trächtigt. Da die Gatter­schranken in dem Fall 1,90 m Abstand vonein­ander haben, sei ausrei­chend Platz, um sie zu passieren, ohne vom Rad abzusteigen. Dass der Kläger seine Geschwin­digkeit reduzieren muss, insbe­sondere wenn viel Fußverkehr unterwegs ist, sei keine Einschränkung. Denn auf für den Radverkehr freige­ge­benen Gehwegen gibt es für den Radverkehr ohnehin eine Beschränkung auf Schritt­ge­schwin­digkeit. Im Übrigen muss auf Fußgänger besondere Rücksicht genommen werden. Sie dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Im Notfall müssen Radfahrer sogar stehen bleiben und absteigen. (Olaf Dilling)

2024-11-07T16:32:05+01:007. November 2024|Rechtsprechung, Verkehr|