re|Adventskalender Türchen 8: Die Wärme­wende in Eutin

Schleswig-Holstein ist schneller als fast alle anderen Bundes­länder: Der Norden sieht schon seit 2021 eine Pflicht zur Wärme­planung für größere Kommunen vor.

Eutin in Osthol­stein hat diesen Stier früh und beherzt bei den Hörnern ergriffen. Die Kreis­stadt des Landkreises Osthol­stein plant eine THG-neutrale Versorgung mit Raumwärme schon für das Jahr 2040. Anhand eines digitalen Zwillings haben die mit der kommu­nalen Wärmwende beauf­tragten Stadt­werke Haus für Haus die Bedarfslage und die technisch/wirtschaftlichen Versor­gungs­al­ter­na­tiven identi­fi­ziert. Auf dieser Basis wurde ermittelt, wo Eigen­tümer auf einen Fernwär­me­an­schluss hoffen dürfen, und wo sich ein Fernwär­menetz nicht lohnt. Hier müssen Bewohner selbst eine Lösung finden, die mit dem Gebäude-Energie­gesetz (GEG) konform ist wie etwa eine eigene Wärmepumpe.

Der Entwurf der Wärme­planung sieht drei Fernwär­me­ge­biete vor. Die Wärme soll dabei aus unter­schied­lichen Quellen fließen. Geplant sind eine Solar­ther­mie­anlage mit einem Erdbe­cken­speicher (PTES), die Nutzung von Abwärme, eine Fluss­was­ser­wär­me­pumpe, Biomas­se­an­lagen und Luftwärmepumpen.

Geschäfts­führer Marc Mißling zeigt die geplanten Fernwär­me­ver­sor­gungs­ge­biete in Eutin

Wie viele andere Kommunen disku­tiert auch Eutin, den Übergang in eine THG-freie Wärme­ver­sorgung per Fernwär­me­satzung zu moderieren. Fernwär­me­sat­zungen waren noch vor wenigen Jahren unbeliebt. Doch die Neufassung des regula­to­ri­schen Umfeldes hat sich in dieser Beziehung als Gamech­anger erwiesen. Dabei geht es Kommunen und ihren Stadt­werken – auch in Eutin – nicht darum, emissi­ons­freie „Konkurrenz“ aus dem Weg zu räumen. Wärme­pumpen, auch andere emissi­ons­freie Heizungs­systeme, selbst die zeitweise Nutzung von Kaminen, bleiben möglich.

Wir helfen mit, die Grenzen und Möglich­keiten von solchen Satzungen auszu­loten, Verfah­rens­fragen zu klären und die Fragen der örtlichen Stake­holder rund um das Instrument zu beant­worten. Nachdem wir in Sachen Wärme­wende zuletzt viel im Südwesten des Landes aktiv waren, freuen wir uns über dieses reizvolle Mandat im hohen Norden.

Das Mandat führt Dr. Miriam Vollmer

 

2024-12-13T18:08:50+01:0013. Dezember 2024|Wärme|

Ist denn jetzt alles klar? Zur Entscheidung OLG Hamburg, 3 U 192/19

Können Versorger Preis­gleit­klauseln in Fernwär­me­lie­fer­ver­träge einseitig ändern oder nicht? Die erschien der Branche lange sonnenklar, denn soll ein Versorger im Massen­ge­schäft etwa jeden einzelnen Häusle­bauer anschreiben und hinter seiner Unter­schrift herrennen? Dann aller­dings kam erst das OLG Frankfurt mit Urteilen vom 21.3.2019, Az. 6 U 191/17 und 6 U 190/17 zum Ergebnis, die AVBFern­wärmeV lasse keine Änderung per Veröf­fent­li­chung zu, und dann ging das Landge­richt Hamburg sogar noch weiter: Mit Urteil vom 29.11.2019 (312 O 577/15) verur­teilte das LG Hamburg die Hansewerk Natur GmbH auf Betreiben der Verbrau­cher­zen­trale Hamburg (hierzu hier).

2021 ergänzte der Verord­nungs­geber dann den § 24 Abs. 4 AVBFern­wärme um einen aus seiner Sicht klarstel­lenden Satz. Die Regelung endet nun mit den Worten:

Eine Änderung einer Preis­än­de­rungs­klausel darf nicht einseitig durch öffent­liche Bekanntgabe erfolgen.

Okay. Nervig genug, gerade wenn die Änderung der Preis­gleit­klausel alter­na­tivos ist, weil die alte Klausel beispiels­weise wegen eines Brenn­stoff­wechsels unwirksam geworden ist. Es antworten ja auch nie alle Kunden sofort, und es ist auch nicht so, dass die Versor­gungs­wirt­schaft sonst nichts zu tun hätte. Aber ist das nun der Status Quo? Oder kann man doch noch per Veröf­fent­li­chung ändern, vielleicht zumindest bei Alter­na­tiv­lo­sigkeit der anste­henden Änderungen? Der BGH hat dies in einer wichtigen Entscheidung vom 26.1.2022 – VIII ZR 175/19 – bejaht. Aller­dings ging es da – was der Senat ausdrücklich schreibt – um eine Preis­an­passung vor Änderung der AVBFern­wärmeV. Im nächsten Absatz gibt der Senat dann zwar an, die Änderung der Verordnung beruhe auf einem Missver­ständnis, zudem sei die Altfassung auch nicht gemein­schafts­rechts­widrig. Aber darf man das nun so verstehen, dass der neue Satz am Ende des § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV nicht für „Repara­tur­klauseln“ gilt? Letzte Sicherheit verleiht dieses Urteil nicht.

Vor dem Hinter­grund dieser Unsicher­heiten sind die nächsten Entschei­dungen zu diesem Thema besonders wichtig für die Branche. Doch auch die jüngste Entscheidung des OLG Hamburg, mit der die Hansewerk Natur GmbH sich zweit­in­stanzlich gegen die Verbrau­cher­zen­trale wehrt, lässt die Frage nach der Bedeutung des neuen § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV leider weitgehend offen. Zwar blitzt die Verbrau­cher­zen­trale in zweiter Instanz ab. Nach Ansicht des OLG durfte Hansewerk die Preis­gleit­klausel nämlich einseitig ändern. Aller­dings stellt das OLG ausdrücklich klar, dass es sich nicht mit der neuen Fassung des § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV beschäftigt, sondern mit der Altfassung. Nun gut, dass diese die einseitige Änderung erlaubt, wussten wir schon.

Letzte Sicherheit gibt es also immer noch nicht. Es spricht viel dafür, dass Versorger nach wie vor Preis­gleit­klauseln einseitig ändern können, wenn sie sie ändern müssen, weil die Klausel unwirksam ist. Aber letzte Sicherheit kann und sollte hier der Verord­nungs­geber schaffen, wenn er – was ohnehin ansteht – die AVBFern­wärmeV novel­liert (Miriam Vollmer).

2024-06-07T20:25:28+02:007. Juni 2024|Wärme|