Können Versorger Preisgleitklauseln in Fernwärmelieferverträge einseitig ändern oder nicht? Die erschien der Branche lange sonnenklar, denn soll ein Versorger im Massengeschäft etwa jeden einzelnen Häuslebauer anschreiben und hinter seiner Unterschrift herrennen? Dann allerdings kam erst das OLG Frankfurt mit Urteilen vom 21.3.2019, Az. 6 U 191/17 und 6 U 190/17 zum Ergebnis, die AVBFernwärmeV lasse keine Änderung per Veröffentlichung zu, und dann ging das Landgericht Hamburg sogar noch weiter: Mit Urteil vom 29.11.2019 (312 O 577/15) verurteilte das LG Hamburg die Hansewerk Natur GmbH auf Betreiben der Verbraucherzentrale Hamburg (hierzu hier).
2021 ergänzte der Verordnungsgeber dann den § 24 Abs. 4 AVBFernwärme um einen aus seiner Sicht klarstellenden Satz. Die Regelung endet nun mit den Worten:
„Eine Änderung einer Preisänderungsklausel darf nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen.“
Okay. Nervig genug, gerade wenn die Änderung der Preisgleitklausel alternativos ist, weil die alte Klausel beispielsweise wegen eines Brennstoffwechsels unwirksam geworden ist. Es antworten ja auch nie alle Kunden sofort, und es ist auch nicht so, dass die Versorgungswirtschaft sonst nichts zu tun hätte. Aber ist das nun der Status Quo? Oder kann man doch noch per Veröffentlichung ändern, vielleicht zumindest bei Alternativlosigkeit der anstehenden Änderungen? Der BGH hat dies in einer wichtigen Entscheidung vom 26.1.2022 – VIII ZR 175/19 – bejaht. Allerdings ging es da – was der Senat ausdrücklich schreibt – um eine Preisanpassung vor Änderung der AVBFernwärmeV. Im nächsten Absatz gibt der Senat dann zwar an, die Änderung der Verordnung beruhe auf einem Missverständnis, zudem sei die Altfassung auch nicht gemeinschaftsrechtswidrig. Aber darf man das nun so verstehen, dass der neue Satz am Ende des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht für „Reparaturklauseln“ gilt? Letzte Sicherheit verleiht dieses Urteil nicht.
Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten sind die nächsten Entscheidungen zu diesem Thema besonders wichtig für die Branche. Doch auch die jüngste Entscheidung des OLG Hamburg, mit der die Hansewerk Natur GmbH sich zweitinstanzlich gegen die Verbraucherzentrale wehrt, lässt die Frage nach der Bedeutung des neuen § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV leider weitgehend offen. Zwar blitzt die Verbraucherzentrale in zweiter Instanz ab. Nach Ansicht des OLG durfte Hansewerk die Preisgleitklausel nämlich einseitig ändern. Allerdings stellt das OLG ausdrücklich klar, dass es sich nicht mit der neuen Fassung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV beschäftigt, sondern mit der Altfassung. Nun gut, dass diese die einseitige Änderung erlaubt, wussten wir schon.
Letzte Sicherheit gibt es also immer noch nicht. Es spricht viel dafür, dass Versorger nach wie vor Preisgleitklauseln einseitig ändern können, wenn sie sie ändern müssen, weil die Klausel unwirksam ist. Aber letzte Sicherheit kann und sollte hier der Verordnungsgeber schaffen, wenn er – was ohnehin ansteht – die AVBFernwärmeV novelliert (Miriam Vollmer).
Hmmm …
Bei Kunden, die per Entnahme also konkludent einen Vertrag geschlossen haben, sehr ich das ein. ich sehe auch ein, dass der Versorger einen Anspruch hat, bestimmte Änderungen durchzusetzen, insbesondere dann, wenn neue Klauseln vom Recht gefordert werden, weil sie transparenter aufgebaut sind als vorherige.
Nun gibt es aber auch folgende Fälle – gerade bei Hansewerk (so bei uns):
1. Hansewerk hat nicht nur die Formel geändert, sondern dabei einseitig auch die darin enthaltenen Faktoren und Konstanten festgesetzt – und zwar willkürlich un (zunächst) ohne Erläuterung.
2. Wir haben einen Vertrag mit Hansewerk (noch vom Vor-Vorgänger Heingas), der eine Klausel enthält, dass und und wie solche Änderungen von beiden Parteien verlangt werden können. Das geht nach diesem Artikel gerade nicht einseitig. Und m.E. müsste ein solcher frei geschlossener Vertrag doch Vorrang haben. Hansewerk hat aber trotzdem 2016 einseitig per Veröffentlichung die Klausel mit unbestimten Faktoren geändert, die z.B. das Gewicht verbrausunabhängiger Preisbestandteile gegenüber verbrauchsabhängigen erhöht haben – und argumentiert, es ändere sich durch die neue Formel am Gesamtpreis gerade nichts.
3. Hinzu kommt: In dem Vertrag gibt es eine Betstimmung (in einem anderen Artikel), dass bei Ungültigkeit einzelner Bestimmungen aufgrund höheren Rechts, geänderter Rechtslage oder so, die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden müssen. Hanswerk hat nun bei der Änderung 2016 in den Artikel mit der Preisgleitklausel eine neue Bestimmung eingeführt, die für denselben Fall besagt, dass dann so gehandelt werden soll, dass ihr (!) wirtschaftliches Interesse gewahrt wird. Das geht über eine Anpassung der Preisklausel deutlich hinaus.
Ich würde (als juristischer Laie) einmal denken, dass ein grundsätzlicher Anspruch auf Änderungen einer solchen Klausel tatsächlich bestehen kann, aber nicht, dass daraus ein Freibrief folgt, alle Bestandteile einfach eigenmächtig und einseitig neu festzusetzen – insbeondere, wenn vertraglich und ungekündigt (!) anderes vereinbart ist.