Fernwär­me­ver­sorgung ist ein Massen­ge­schäft. Selbst wenn nicht jeder einzelne Mieter einen eigenen Vertrag mit dem Fernwär­me­ver­sorger hat, sondern oft auch die Hausver­wal­tungen für die Eigen­tümer aktiv werden, müssen auch kleine oder mittel­große Stadt­werke viele, viele Verträge verwalten. Entspre­chend viel Aufwand bedeutet es, jedem Vertrags­partner hinter­her­zu­laufen, wenn sich etwas ändert.

Um den Versorgern ihren Versor­gungs­auftrag zu ermög­lichen, hat der Verord­nungs­geber – so die bisher gängige Praxis (bestätigt etwa durch LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 22.05.2013, Az. 3 O 4143/12) – den § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV geschaffen. Dieser erlaubt es, auf die Unter­schrift des Vertrags­partners zu verzichten und statt dessen die Allge­meinen Vertrags­be­din­gungen durch Veröf­fent­li­chung zu ändern. Dass die Versorger diese Möglichkeit nicht ausnutzen, um ihre Kunden zu benach­tei­ligen, sichert die AVBFern­wärmeV mit recht detail­lierten Regelungen, deren Einhaltung der Kunde gerichtlich überprüfen lassen kann.

Diese Praxis hat das OLG Frankfurt mit Entscheidung vom 21.03.2019 (Az.: 6 U 190/17) nun grund­legend erschüttert. Dass der Senat die einseitige Änderung von Preis­an­pas­sungs­klauseln kritisch sehen würde, hatte sich bereits nach der mündlichen Verhandlung angedeutet. Die verlinkte Presse­mit­teilung (die Urteils­gründe sind erst in einigen Wochen zu erwarten) hat aber das Zeug, die Wärme­wirt­schaft zu erschüttern: Der Senat meint, dass § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV nicht etwa eine Erleich­terung für die Versor­gungs­wirt­schaft darstellt. Sondern eine zusätz­liche Wirksam­keits­vor­aus­setzung formu­liert: Wer seine Versor­gungs­be­din­gungen für Fernwärme ändern will, muss mit jedem einzelnen Vertrags­partner eine Verein­barung abschließen. Und zudem die Änderung publizieren.

Aus unserer Sicht ergibt diese Lesart keinen Sinn. Welchen Sinn sollte es haben, im Massen­ge­schäft besonders hohe Anfor­de­rungen an Vertrags­än­de­rungen zu stellen? Zumal die Annahme des OLG Frankfurt, der Versorger könne ja Änderungs­kün­di­gungen aussprechen, angesichts der Laufzeiten der Verträge und der Vielzahl von Vertrags­partnern und der begrenzten Ressourcen von Versorgern unrea­lis­tisch erscheint. Dass die so entste­henden zusätz­lichen Aufwände Kosten verur­sachen, die dann auf alle Kunden verteilt werden müssten, ist sicher auch nicht im Sinne der Kunden, deren Inter­essen damit nur vorder­gründig gestärkt worden sind. Dass es dem Fernwär­me­ver­sorger oft gar nicht freisteht, ob er gerade die Preis­gleit­klauseln ändert, weil § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV ihn zwingt, Änderungen der Kosten­struktur auch in der Klausel nachzu­voll­ziehen, macht die Sache auch alles andere als einfacher.

Einziger Licht­blick: Das OLG Frankfurt hat die Revision zugelassen. Die Branche hofft nun auf den Bundesgerichtshof.