Befangene Schiedsrichter, umstrittene Gerichte
Wegen des Atomaustiegs hatte Vattenfall 2012 eine Klage vor einem internationalen Schiedsgericht eingereicht. Es geht um Schadensersatz in Milliardenhöhe für Investitionen, die nach der Laufzeitverlängerung in Atomkraftwerken wie Krümmel getätigt wurden. Bald könnte dazu eine Entscheidung fallen, nachdem vor ein paar Tagen das Schiedsgericht einen Befangenheitsantrag Deutschlands gegen alle drei Schiedsrichter abgelehnt hat.
Dass Energiekonzerne, die in Deutschland investieren, überhaupt vor internationalen Schiedsgerichten klagen können, liegt an Art. 26 Abs. 3 Energiecharta-Vertrag. Dieser Vertrag, den außer Deutschland, Schweden und anderen EU-Mitgliedsstaaten auch die Europäische Union unterzeichnet hat, verpflichtet zu weitreichendem Investorenschutz und ermöglicht die Klage vor einem nicht-staatlichen, bei der Weltbank angesiedelten Gericht, einem Schiedsgericht des International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) in Washington. Die Richter dieser Schiedsgerichte werden nicht öffentlich ernannt, sondern fallbezogen von den Unternehmen und dem beklagten Staat selbst ausgewählt.
Indem sie das Eigentum und das Vertrauen des Investors schützen, können Entscheidungen der Schiedsgerichte in die Spielräume von Staaten eingreifen, Gesundheit und Umwelt zu schützen. Dies ist zweischneidig: Einerseits ist es sinnvoll, Investoren vor willkürlicher Enteignung und Verletzung ihres Vertrauens in Gewinnmöglichkeiten zu schützen, andererseits müssen Staaten ihre Bürger weiterhin vor Umwelteinwirkungen schützen dürfen, ohne dass die Kosten dafür auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Immerhin besagt das international anerkannte umweltrechtliche Verursacherprinzip, dass derjenige für Umweltbeeinträchtigungen aufkommen soll, der sie selbst verursacht hat.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Fall Achmea vor einem Jahr entschieden, dass Schiedsklauseln EU-Recht unvereinbar seien, die es Investoren aus EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, Klage gegen einen anderen EU-Mitgliedstaat zu erheben. Der EuGH will damit eine Art privater Paralleljustiz verhindern, die dazu führt, dass die Auslegung des EU-Rechts nicht mehr durch die nationalen und europäischen Gerichte kontrolliert werden könne. Dies sei unvereinbar mit den Grundprinzipien der Autonomie des EU-Rechts und dem Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten. Die Entscheidung erging zu einem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen der Slowakischen Republik und Spanien, lässt sie sich aber grundsätzlich auch auf andere Abkommen übertragen. Insofern ist aktuell offen, ob die Entscheidung des Schiedsgerichts tatsächlich wirksam werden kann.