Wo gemessen wird: Schluss­an­träge der General­an­wältin zu Messstationen

Besorg­nis­er­re­gende Neuig­keiten für dieje­nigen, die hoffen, Diesel­fahr­verbote in deutschen Großstädten noch abwenden zu können, erreichen uns aus Luxemburg. Am Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) läuft nämlich derzeit ein Verfahren von Brüsseler Bürgern und einer Umwelt­or­ga­ni­sation gegen die Region Brüssel in Hinblick auf den dortigen Luftqua­li­tätsplan. Wir erinnern uns: Die Richt­linie 2008/50/EG verpflichtet die Mitglied­staaten zur Einhaltung von Grenz­werten für bestimmte Luftschad­stoffe durch Maßnahmen, die sie in Luftqua­li­täts­plänen zusam­men­fassen und veröffentlichen.

Im Zuge der Klage legte das von den Klägern angerufene Brüsseler Gericht dem EuGH die Frage vor, ob der Standort der Probe­nahme gerichtlich überprüfbar sei. Damit verbunden ist die Frage, ob Gerichte dann, wenn die Messsta­tionen nicht dort stehen, wo sie nach Ansicht der Gerichte hinge­hören, anordnen können, dass sie an einen anderen Ort gebracht werden. Mit anderen Worten: Dürfen die Städte Messsta­tionen aufstellen, wo sie es für richtig halten? Oder kann der Bürger verlangen, dass die Messsta­tionen dort stehen, wo er die höchste Schad­stoff­kon­zen­tration vermutet? Außerdem wurde dem Gericht die ebenfalls auch für Deutschland relevante Frage vorgelegt, ob es auf den Durch­schnitt der Messergeb­nisse aller Probe­nah­me­stellen in einem bestimmten Gebiet ankommt, oder ob schon eine Überschreitung an einer einzigen Messstation reicht. Mit anderen Worten: Muss Berlin schon einschreiten, wenn nur die Fasanen­straße betroffen wäre. Oder erst dann, wenn ganz Charlot­tenburg in Feinstaub versinkt?

Die General­an­wältin Juliane Kokott kam nun zu einem für viele deutsche Bürger­meister betrüb­lichen Ergebnis. Dabei stützte sie sich auf Art. 7 Abs. 1 und Anhang drei Abschnitt b Nr. 1a der Richt­linie 2008/50. Danach ist der Aufstel­lungsort für Messsta­tionen so zu wählen, dass innerhalb von Gebieten und Ballungs­räumen die höchsten Konzen­tra­tionen auftreten. Damit sei normativ festgelegt, wo die Messsta­tionen stehen sollen. Das sei auch gerichtlich überprüfbar. Es gebe zwar einen gewissen Spielraum bei der Stand­ortwahl, aber letztlich sieht die General­an­wältin die Gerichte am Zug. Auch in Hinblick auf die zweite dem EuGH vorge­legte Frage kommt sie zu dem Ergebnis, dass eine Mittel­wert­bildung aller Messergeb­nisse fehlerhaft sei. Auch wenn an nur einer Stelle ein Grenzwert überschritten wird, müssen Maßnahmen unter­nommen werden, um die Grenz­werte zu gewährleisten.

Nun ist noch nicht alles für dieje­nigen verloren, die älteren Diesel-Pkw auch weiterhin den Zugang in belastete Innen­städte nicht verwehren wollen. Denn in ungefähr 30% der Fälle folgt der EuGH nicht dem Votum der Generals­an­walt­schaft. Gleichwohl sind die von der General­an­wältin vorge­brachten Argumente dogma­tisch überzeugend und sicher nur mit erheb­lichem argumen­ta­tiven Aufwand zu wider­legen. Die Hoffnung, durch eine politisch neu festge­legte Bestimmung des Standorts der Messsta­tionen Fahrverbote abwenden zu können, könnte sich so schon im Ansatz zerschlagen.