Eine Attacke auf die Zivilgesellschaft?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ein Urteil über die Gemeinnützigkeit der globalisierungskritischen NGO Attac gefällt, das auf den ersten Blick wie die Faust aufs Auge zur aktuellen Debatte über die Rolle der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zu passen scheint: Welche Rolle dürfen Vereine bei der Gestaltung der Tagespolitik übernehmen? Widerspricht es ihrer Anerkennung als gemeinnützig, wenn sie eine politische Agenda verfolgen? Was, wenn diese Agenda durch eine einseitige Spendenfinanzierung oder durch ein spezifisches Geschäftsmodell beeinflusst sein könnte?
Der erste Satz der vor ein paar Tagen veröffentlichten Pressemitteilung scheint Klarheit zu schaffen: „Die Verfolgung politischer Zwecke ist im Steuerrecht nicht gemeinnützig.“ Das sind deutlichere Worte, als man von Juristen gewohnt ist. Dementsprechend begeistert wurde die Entscheidung auch in der politischen Diskussion aufgegriffen. Unter anderem legte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Steffen Bilger noch mal nach: „Das Urteil wird sicherlich eine Rolle bei der weiteren Bewertung der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe spielen“, sagte Bilger gegenüber dem Handelsblatt. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Nordwürttemberg hatte Bilger bereits den Parteitagsbeschluss zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit und der Verbandsklagerechte der DUH initiiert.
Eine etwas genauere Lektüre der BFH-Entscheidung zeigt jedoch, dass sich die Rechtslage für Umweltverbände nicht geändert haben dürfte. Grundlage für eine Beurteilung der Gemeinnützigkeit, die auf abstrakte Weise höchst schwierig zu definieren wäre, ist ja zunächst einmal das Gesetz. Das Gericht knüpft dabei an § 52 Abgabenordnung an, in dem die Frage ganz pragmatisch und konkret auf eine Liste einzelner Ziele heruntergebrochen wird, die als gemeinnützig anerkannt sind. Im entschiedenen Fall ging es um Attac, so dass als Ziele allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens und die zur Volksbildung gehörende politische Bildung in Frage standen. Hier stellte der BFH klar, dass tagesaktuelle Kampagnen mit allgemeinpolitischer Zielsetzung vom Ziel der Volksbildung nicht umfasst seien. Politische Bildungsarbeit setze „ein Handeln in geistiger Offenheit voraus“. Die Beeinflussung der politische Willensbildung und der öffentliche Meinung im eigenen Sinne sei dagegen nicht umfasst. Erforderlich ist insbesondere eine parteipolitische Neutralität.
Die Entscheidung wirft eine Menge Fragen auf, z.B. wie mit bislang als gemeinnützig anerkannten Organisationen wie der Bertelsmann-Stiftung oder parteinahen Stiftungen umzugehen ist, die ebenfalls mit unverrückbaren Vorstellungen auf die politische Meinungsbildung einwirken. Außerdem lässt sich ideologische politische Einflussnahme und demokratische Willensbildung oft nicht genau voneinander unterscheiden, da die Übergänge fließend sind. Andererseits ist nachvollziehbar, dass zwischen gemeinnützigen Verbänden mit politischem Bildungsauftrag und Parteien eine Art Abstandsgebot bestehen muss. Denn hinsichtlich der Parteien gelten verschärfte Regeln hinsichtlich der Transparenz und steuerlichen Absetzbarkeit von Großspenden, die nicht durch parteinahe Organisationen unterlaufen werden sollten.
Fest steht jedenfalls, dass Verbände mit der Förderung von Natur- und Umweltschutz nicht von der Entscheidung betroffen sind. Der BFH räumt nämlich ausdrücklich ein, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung die Förderung des Umweltschutzes eine Einflussnahme auf Willensbildung und öffentliche Meinung erlaubt. Zwischenzeitlich hatte – ungeachtet jeglicher Parteitagsbeschlüsse – ohnehin das zuständige Finanzamt die Gemeinnützigkeit der DUH bis 2023 anerkannt.