Schufa-Pool und Wechselkunden

Aktuell wurde bekannt, dass die Auskunftei Schufa an einem Datenpool arbeitet, der nicht nur Infor­ma­tionen enthalten soll, ob ein Kunde stets seine Rechnungen bezahlt hat. Sondern auch, ob und wie oft er seinen Strom­lie­fer­vertrag gewechselt hat. Energie­ver­sorgern könnten so die Kunden identi­fi­zieren, die jährlich oder immer ganz kurz nach Ablauf der Mindest­ver­trags­laufzeit den Vertrag wechseln, um immer neue Boni und Wechsel­prämien einzu­heimsen. Es ist anzunehmen, dass die Energie­ver­sorger solche Kunden verstärkt ablehnen, weil in der kurzen Erstlaufzeit zu wenig verdient wird. Energie­ver­sorger leben natürlich oft davon, dass der Kunde aus Zufrie­denheit oder Bequem­lichkeit möglichst lange Kunde bleibt.

In der Presse wurden diese Pläne einhellig missbilligt. Offenbar hat auch die Bundes­netz­agentur das neue Produkt skeptisch beuteilt, weil es Kunden vom Wechsel abhalten könnte. Doch wie sieht es rechtlich aus? Eine ganz klare Geset­zeslage gibt es nicht. Auch die Gerichte haben sich bisher nicht geäußert.

Zivil- wie energier­rechtlich ist jeden­falls klar: Es gilt die Vertrags­freiheit. Außerhalb der Grund­ver­sorgung nach § 36 EnWG, StromGVV und GasGVV muss ein Energie­ver­sorger keine Verträge abschließen. Wenn er einen Kunden nicht will, muss er das Angebot auf Vertrags­ab­schluss nicht annehmen. Zwar schränkt das AGG das Recht eines Energie­ver­sorgers teilweise ein, poten­tielle Kunden einfach abzulehnen, aber dies gilt gem. § 1 AGG nur bei Ungleich­be­hand­lungen wegen Rasse, ethni­scher Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltan­schauung, Behin­derung, Alter oder der sexuellen Identität. Wechsel­neigung ist hier nicht erfasst, deswegen darf abgelehnt werden. Auch das energie­recht­liche Recht auf Versor­ger­wechsel schließt dies nicht aus, denn aus dem Verbot von Gebiets­mo­no­polen resul­tiert kein Kontra­hie­rungs­zwang des gewählten Versorgers.

Vereinzelt wurde bereits Kartell­recht, aber auch das Daten­schutz­recht disku­tiert. Aller­dings ist es schwer vorstellbar, dass das Kartell­recht hier greift. Schließlich gibt es eine Vielzahl von Strom- und Gaslie­fe­ranten, so dass eine Ausnutzung einer markt­be­herr­schenden Stellung kaum in Betracht kommen dürfte, wenn einer oder mehrere der poten­ti­ellen Liefe­ranten einen Kunden nicht wollen. Ernster sind wohl die daten­schutz­recht­lichen Belange zu nehmen. Einzelne Daten­schützer sehen aller­dings legitime Inter­essen, die die Daten­spei­cherung und ‑verwendung recht­fer­tigen würden. In diesem Punkt bleibt abzuwarten, wie sich Behörden und Gerichte positio­nieren (Miriam Vollmer)

 

2020-09-09T18:09:31+02:009. September 2020|Gas, Strom, Vertrieb|

Geld für die Braun­kohle: Anhörung im Bundestag vom 7.9.2020

4,35 Mrd. EUR sind eine Menge Geld. Diese Summe soll nach dem Entwurf des Vertrags mit den Braun­koh­le­ver­stromern und Braun­koh­le­ta­ge­bau­be­treibern an diese fließen, um sie für den vorzei­tigen Verlust ihrer Kraft­werke zu entschä­digen. Dafür soll nicht geklagt werden (hierzu auch hier und hier). Wie sich aus § 14 des Vertrags­ent­wurfs ergibt, ist das Geld für die Tagebau­fol­ge­kosten bestimmt, auch wenn dies „weich“ formu­liert und damit wohl keine einklagbare Verpflichtung ist.

Doch muss überhaupt gezahlt werden? Und wieso ist – anders als im Bergrecht eigentlich vorge­sehen – nun auf einmal der Steuer­zahler dafür verant­wortlich, die Bergbau­fol­ge­kosten zu bezahlen? Wo kommt eigentlich die Summe her, um die es hier geht? Mit diesen Fragen beschäf­tigte sich am 7. September 2020 eine Ausschuss­an­hörung im Bundestag (Stellung­nahmen hier).

Insgesamt deutet sich an, dass gerade das progressive Lager mit dem Entwurf nicht zufrieden ist. Zum einen sei schon eine vertrag­liche Regelung unnötig, man könne die Braun­koh­le­ver­stromung schlicht per Gesetz beenden. Die Sorge, dass die Bundes­re­publik dann auf höhere Summen verklagt werden könnte, teilt man hier offenbar nicht. Hinter­grund dieser Annahme ist der Umstand, dass die Kosten des Emissi­ons­handels absehbar so schnell wachsen werden, dass die Braun­koh­le­ver­stromung sich sehr schnell sowieso nicht mehr lohnen würde, so dass den Unter­nehmen mögli­cher­weise gar kein Schaden entsteht, wenn sie nicht mehr produ­zieren dürfen. Zudem sind viele Anlagen, um die es geht, schon längst abgeschrieben. Betont wird zudem, dass die konkrete Bezif­ferung der Summe, die fließen soll, nicht nachvoll­ziehbar sei. Zum anderen zemen­tiere der Vertrag nun einen sehr langsamen Ausstieg bis 2038. Wenn die Bndes­re­publik nun doch schneller aussteigen wolle oder müsse – etwa wegen wachsender gemein­schafts- oder völker­recht­licher Pflichten – sei vielleicht noch mehr Geld fällig. Auf der anderen Seite wird von Befür­wortern der Vertrags­lösung betont, dass die Renatu­rierung der Tagebauten eine viel Geld erfor­dernde Aufgabe sei. Aller­dings: Eigentlich müsste bergrechtlich für exakt diese Renatu­rierung eine Menge Geld vorhanden sein.

Was ist von den Argumenten der Sachver­stän­digen nun zu halten? Natürlich steht hinter den recht­lichen Argumenten der Klima­schützer die Hoffnung, doch noch schneller aussteigen zu können als erst in 18 Jahren. Doch so leicht lassen sich die Argumente nicht als reines Zweck­denken vom Tisch wischen. Insbe­sondere die europa­recht­liche Seite, die ClientEarth betont, ist ausge­sprochen ernst zu nehmen. Wenn die Unter­nehmen mit ihren Braun­koh­le­ta­ge­bauten und ‑kraft­werken emissi­ons­han­dels­be­dingt sowieso nicht mehr rentabel gewesen wären oder zumindest nicht in diesem Maße über volle 18 Jahre, steht der Verdacht einer verbo­tenen Beihilfe im Raum. ClientEarth weist zu recht darauf hin, dass die beiden einzigen auch nur annähernd vergleich­baren Entschei­dungen der Kommission über Direkt­zah­lungen an Unter­nehmen für Kraft­werks­stil­le­gungen keine so lange und so weitrei­chende Wirkung besitzen. Insofern ist es abseits aller anderen Argumente (und dem ungeklärten Problem der Ungleich­be­handlung der Stein­kohle) alles andere als klar, ob der deutsche Weg aus der Braun­kohle rechtlich so zulässig ist (Miriam Vollmer).

 

2020-09-08T19:24:42+02:008. September 2020|Energiepolitik, Strom|

Fahrrad­stadt Berlin: Zerplatzter Pop-up-Traum?

Für alle, die in Berlin viel Fahrrad fahren, war es fast zu schön, um wahr zu sein: Die geschützten Pop-up-Fahrrad­streifen, die sich von Kreuzberg ausgehend, überall in der Stadt auf mehrspu­rigen Straßen breit machen. Angesichts der Einschrän­kungen des öffent­lichen Verkehrs und der Sorgen wegen Anste­ckung schien die Initiative wie ein Licht­blick zu Zeiten der Pandemie. Als Gegenpol zu Quarantäne und Lock-Down eröffnete sie nun zumindest neue Möglich­keiten, sich draußen an der frischen Luft zu bewegen und dabei oftmals sogar schneller durch die Stadt zu kommen als mit dem Pkw.

Aber zugleich schien es zumindest verwun­derlich, dass die Ausweisung von Fahrrad­streifen nun plötzlich quasi über Nacht möglich war. Schließlich war der Bau einer angemes­senen Fahrrad­in­fra­struktur bisher entweder gänzlich verweigert worden oder setzte zumindest einen sehr langen Atem angesichts bürokra­ti­scher Planungs­pro­zesse voraus. Immerhin gab es Ende Juni diesen Jahres ein Gutachten des wissen­schaft­lichen Dienstes des Bundes­tages, das bestä­tigte, dass eine Ausweisung tempo­rärer Fahrradwege auch ohne straßen­recht­liche Teilent­widmung u.a. zum Teil recht umständ­licher Verfah­rens­schritte rechtens sei. Die Bezirks­bür­ger­meis­terin von Kreuzberg-Fried­richshain Monika Herrmann und der Amtsleiter Felix Weisbrich ließen sich schon dafür feiern, dass nun endlich deutliche Schritte in Richtung Verkehrs­wende initiiert wurden, die in weiten Teilen der Republik Nachahmer fanden.

So einfach scheint die Sache dann doch nicht zu sein. Denn das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin hat nun einem Eilantrag gegen die Ausweisung von acht der tempo­rären Radfahr­streifen statt­ge­geben. Heißt das nun tatsächlich, so wie die Antrags­steller von der AfD behaupten, dass auf Radwege innerhalb geschlos­sener Ortschaften nur außerhalb von Fahrbahnen errichtet werden dürfen? Hier hat das Gericht den Antrags­stellern klar wider­sprochen: Dass die Radfahr­streifen auf der zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liegen, sei rechtlich unbedenklich. Ebenso, dass temporäre Radwege ohne straßen­recht­liche Teilein­ziehung einge­richtet würden.

Aller­dings habe die Senats­ver­waltung laut dem VG einen kleinen, aber folgen­schweren Fehler begangen: Sie hätte die Einrichtung der Radfahr­streifen auf konkreten Gefah­ren­lagen in den betrof­fenen Straßen­ab­schnitten begründen müssen.Dies hatte die Senats­ver­waltung nicht für nötig gehalten. Statt­dessen hat sie allgemein mit dem erhöhten Bedarf wegen Corona argumentiert.

Hierzu ist zweierlei zu sagen:

*Zum Teil kann dieses Erfor­dernis der Begründung als ein formeller Mangel abgetan werden. Mit anderen Worten die meisten der Radfahr­streifen dürften materiell recht­mäßig sein. Lediglich die Begründung wäre anzupassen.

*Zum Teil könnte es jedoch auch Straßen­ab­schnitte geben, in denen die Einrichtung der Radfahr­streifen materi­ell­rechtlich nicht aufgrund konkreter Gefah­ren­lagen gerecht­fertig ist. Hier besteht dringend Reform­bedarf auf Bundesebene.

Denn es ist nicht einzu­sehen, dass Verkehrs­re­ge­lungen einer beson­deren Gefah­renlage bedürfen, wenn es bereits gefährlich genug ist, sich auf Straßen mit allge­meinem Risiko durch den Verkehr zu bewegen. Diese Regelung ist nicht zeitgemäß, da es darum gehen sollte, Risiken im Verkehr für Leib und Leben allgemein und nicht nur an exponierten Gefah­ren­stellen zu bekämpfen (Olaf Dilling).

2020-09-07T19:25:35+02:007. September 2020|Allgemein, Verkehr|